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Medien: „Wir machen Duelle im Sitzen, Stehen, Liegen“

Vor den Landtagswahlen: Die große Fernseherfindung des vergangenen Jahres geht in Serie

Von Barbara Nolte

Das Kanzler-Duell war die Fernseh-Erfindung des vergangenen Jahres. Die Vorbereitungen schienen endlos: Vier Monate verhandelten die Berater von Schröder und Stoiber mit den Sendern selbst um vermeintliche Nebensächlichkeiten wie die Höhe der Pulte oder die Farbe der Studiodekoration. Die Politiker nahmen das Duell ernster als jeden anderen Wahlkampfauftritt. Und der Aufwand lohnte sich: Für die Sender, die bei jedem der beiden Duelle 15 Millionen Zuschauer hatten; für die Moderatoren, von denen Maybrit Illner und Sabine Christiansen mit dem Deutschen Fernsehpreis ausgezeichnet wurden; und auch für die Politiker, zumindest für einen von beiden: 17 Prozent der Zuschauer sagten bei einer Umfrage von ARD und ZDF, die Duelle hätten ihre Wahlentscheidung beeinflusst.

Heute abend gibt es auf RTL die Fortsetzung (17 Uhr 45). Sigmar Gabriel gegen Christian Wulff, so heißt diesmal die Begegnung: der niedersächsische Ministerpräsident gegen seinen Herausforderer von der CDU. Vor Landtagswahlen plane RTL künftig immer eine Debatte der beiden Spitzenkandidaten, sagt der Nachrichtenchef des Senders, Michael Wulf. „Wir wollen zeigen, dass das Kanzlerduell, das wir gemeistert haben, keine Eintagsfliege war.“ Insgesamt gibt es bis Ende Januar drei neue Duell-Folgen: Am kommenden Sonntag misst sich bei „Christiansen“ Sigmar Gabriel mit dem hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch von der CDU, der ebenfalls am 2. Februar zur Wiederwahl steht. Und am Mittwoch darauf veranstaltet N3 das Rückspiel Wulff/Gabriel ( 29. Januar, 21 Uhr): eine Stunde Streitgespräch zu den Themen Arbeit, Bildung, Finanzen, unterbrochen von mehreren Filmen über die Umfragewerte der Kandidaten und die Probleme des Landes. Es habe noch viel mehr Anfragen gegeben, sagt der niedersächsische CDU- Sprecher, Olaf Glaeseker: von der „Bild“ bis zum Hitradio Antenne. So ist es dem Duell wie vielen neuen Formaten ergangen: Sind sie erfolgreich, gibt es kurz darauf eine ganze Flut davon.

RTL hat die Debatte zwischen Wulff und Gabriel am Samstagvormittag in Berlin aufgezeichnet. Manches dort erinnerte an Anekdoten, die von den Duellen Stoiber/Schröder kolportiert wurden. Da hielt Christian Wulff abwechselnd vier verschiedene Krawatten in die Kamera. Und Gabriel verlangte, nachdem ihm eine blonde Frau etwas ins Ohr geflüstert hatte, ein Sitzkissen. Im Unterschied zum Kanzler-Duell sitzen diesmal nämlich die Kandidaten. Die Stehpulte aus dem Studio Adlershof hätte RTL sowieso nicht wiederverwerten können: Sie sind mittlerweile im „Haus der Geschichte“ in Bonn ausgestellt. „Es war gar kein Thema, ob die Kandidaten stehen oder sitzen", sagt der RTL-Nachrichtenchef Wulf. Genauso wenig wie die Kamerapositionen oder Zeitkonten. Kaum zu glauben, aber die Vorbereitungszeit des RTL-Duells dauerte nur eine Woche. Gabriel hat erst so spät zugesagt. Die Kritik am Kanzler-Duell sei ja gerade die Überregulierung gewesen, sagt Moderator Peter Kloeppel. „Jetzt gibt es gar keine Regeln."

Und die Berater der Politiker ließen sich darauf ein. Vielleicht liegt es daran, dass Landespolitiker gegenüber den Fernsehsendern weniger mächtiger auftreten können als Spitzenpolitiker des Bundes. Für viele Landespolitiker bieten die Fernsehforen eine Chance - egal, wie die Regeln sind. „Unser Standpunkt war immer: Wir machen Duelle im Sitzen, Stehen, Liegen, zu Wasser und in der Luft", sagt Wulff-Sprecher Glaeseker.

Die Herausforderer können sich einmal auf gleicher Augenhöhe mit den Amtsinhabern präsentieren. Und seit der Kanzler im vergangenen Jahr dem Kräftemessen mit seinem Herausforderer zugestimmt hat, können sich die Ministerpräsidenten kaum noch einem Duell verweigern, ohne dass es so aussieht, als fürchteten sie sich. Der Chef des Grimme-Institutes, Bernd Gäbler, sieht die Duelle zu einer Institution in Deutschland werden. „Das Format ist etabliert.“ Dass Koch in diesem Wahlkampf eine Debatte mit seinem Herausforderer Gerhard Bökel ablehnte, sieht Gäbler nicht als Gegenbeweis, sondern als Indiz für Kochs „sensationelle Überlegenheit“.

Aber lässt sich auch der Erfolg der Prototypen wiederholen? Funktionierten die Kanzler-Duelle nicht nur deshalb, weil sie zuvor in den Medien so aufgeladen wurden: Sie seien historische Momente? Für sich genommen waren die Debatten ja ziemlich dröge.

Außerdem: Wie profiliert müssen die beiden Duell-Teilnehmer sein, damit die Zuschauer nicht wegzappen? Gabriel gegen Koch bei „Christiansen“, „die Alpha-Tiere der Nachwuchsgeneration", wie ein „Christiansen"-Sprecher sie etikettiert, das wird bestimmt spannend. Aber man braucht sich nur mal vorzustellen: Nach Hessen und Niedersachsen wird in Bremen gewählt, im Mai. Dort diskutieren: SPD-Bürgermeister Henning Scherf und der CDU-Spitzenkandidat Hartmut Perschau. Beide seit acht Jahren in einer Großen Koalition. Mögliche Themen: Gewerbesteuern, ein Naturschutzgebiet. Wen, außerhalb Bremens, soll das interessieren?

Vielleicht liegt aber gerade im Regionalen die Zukunft des Duell-Formates. „Es ist eine gute Art und Weise, um politische Positionen darzustellen", sagt der Chefredakteur von Radio Bremen, Jens Meyer. Der Nachbarsender NDR setzt Duelle schon seit 1995 ein. „Seitdem ich mein Amt angetreten habe, habe ich zu jeder Landtagswahl eines gemacht", sagt der NDR-Chefredakteur Volker Herres: zum Beispiel mit Heide Simonis und Volker Rühe, mit Ole von Beust und Otwin Runde. „Jede Konstellationen funktioniert“, sagt Herres. Trotzdem ist es kein Zufall, dass seine Erfindung im Lexikon-Heft des „SZ-Magazins“ erst auf das Jahr 1998 datiert wurde. Damals hatte er Gerhard Schröder und Christian Wulff im Studio, das Duell hatte bundespolitische Relevanz: Von Schröders Wahlergebnis hing es nämlich ab, ob die SPD Schröder oder Lafontaine als Kanzlerkandidaten aufstellt. Fast zwei Millionen wollten sich den möglichen Kohl-Herausforderer anschauen. Damit war das Duell die erfolgreichste N3-Sendung des Jahres.

Auch RTL will diesmal seine Debatte auf die Bundesebene heben, denn der Sender will Quote machen, auch außerhalb Niedersachsens. Und es bietet sich auch an: Zeitungen schrieben schon von der „Denkzettel- Wahl“ verärgerter SPD-Wähler vom September. Nachrichtenchef Wulf kündigt an: „Auch Fragen zum Irakkrieg können kommen.“

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