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Viele Fragen zu Corona. Auch die, inwiefern Wissenschaft und Boulevardmedien sich vertrauen können.

© dpa

Wissenschaftler, Corona und der Boulevard: „Kollegen haben uns vorher gewarnt, mit der ,Bild’ zu reden“

Was ist die Rolle des Boulevardjournalismus in der Pandemie? Eine Diskussion zwischen Wissenschaftlern und „Bild“-Chef Johannes Boie sollte Vertrauen schaffen.

Ein schwerer Vorwurf steht gegen die „Bild“-Zeitung im Raum: das Schüren von Verschwörungstheorien und Hetze auf Wissenschaftler. Der Deutsche Presserat hatte im Dezember ein Beschwerdeverfahren gegen „Bild“ und Bild.de zum Artikel „Die Lockdown-Macher“ eingeleitet. Grundlage waren Beschwerden von mehreren Wissenschaftlern und der Berliner Humboldt-Universität.

Der „Bild“-Artikel erwecke den Eindruck, dass Wissenschaftler Corona-Maßnahmen beschließen, für die tatsächlich aber die Politik verantwortlich sei.

Anlass für einen Dialog zwischen der „Bild“ und Wissenschaftsorganisationen zur Rolle des Boulevardjournalismus in Zeiten der Pandemie. Dieser fand am Freitag via Youtube statt – hat aber über Absichtserklärungen hinaus kaum Konkretes gebracht.

Die Forderungen der Wissenschaft liegen auf dem Tisch. „Lassen Sie uns auf Regeln faktentbasierter Kommunikation verständigen, sagte Otmar Wiestler, Präsident der Helmholtz-Gemeinschaft, in Richtung „Bild“ und deren Chefredakteur Johannes Boie.

Wie weit man da voneinander entfernt ist, lässt sich auch daraus ersehen, dass einige der Wissenschaftler von Kollegen vorher gewarnt worden seien, mit der „Bild“-Zeitung überhaupt zu diskutieren. Michael Meyer-Hermann vom Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung zum Beispiel, der sich regelmäßige, neutrale Wissens–Seiten in Boulevardmedien wünscht, die eingängig und belegbar darstellen, was Wissenschaft macht.

Die „Bild“ sei nun mal ein Massenmedium mit 13 Millionen Lesern Reichweite

Oder Viola Priesemann vom Max-Planck-Institut, einer jene „Lockdown-Macherinnen“, die in der „Bild“-Story angegangen worden sind und erzählt, dass viele ihrer KollegInnen nicht mehr in die Öffentlichkeit gehen. Auch ihr Vorschlag: eine Wissensseite in der „Bild“-Zeitung, „in der Fakten, nicht Schlagzeilen, Extreme und Polarisierungen im Mittelpunkt stehen.“

Ein durchaus positives, ausbalancierteres Beispiel zeigte Michael Hallek, Uniklinik Köln und Mitglied des Wissenschaftsrates, auf, indem er auf die jahrelange Zusammenarbeit mit der „Bild“ in Sachen Krebs-Forschung und Berichterstattung dazu verwies.

Was sagt der „Bild“-Chef zu all dem? Besagter Lockdown-Artikel sei mehr als unglücklich. Alleine, dass man jetzt zusammen diskutiere, zeige, dass auch die „Bild“-Zeitung Änderungsbedarf sieht. Johannes Boie wehrte sich aber gegen den Eindruck, sein Blatt müsse „reingewaschen“ werden. Zudem müssten sich das Prinzip der Zuspitzungen und Faktenlage gar nicht ausschließen.

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Die „Bild“ und bild.de seien nun mal ein Massenmedium mit 13 Millionen Lesern Reichweite, dementsprechend gebe es für diese Klientel ein Recht „auf politische Meinungs- und Willensbildung“, das man nicht so einfach vom Tisch wischen könne. Alles in allem also noch Skepsis, was die Frage besserer Kommunikation und mehr Vertrauen zwischen Wissenschaft und Journalismus, vor allem Boulevardmedien betrifft.

Immerhin, so Boie, seine Zeitung habe die Stelle eines neuen Wissenschafts-Redakteurs ausgeschrieben. Er würde sich freuen, wenn Wissenschaft und „Bild“ deutlich näher aneinander rücken. Ob das die Entscheidung des Presserats beeinflussen wird? Wohl kaum. Über das Beschwerdeverfahren wegen jenes Lockdown-Artikels soll im März entschieden werden.

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