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Medien: Wo die Liebe klingelt

Deutschlands erste Soap fürs Handy spielt in Berlin

Die Türklingel schrillt unangenehm lange. „Die klemmt schon wieder“, sagt der junge Typ mit den stilsicher frisierten Haaren, der die Tür öffnet. WG-Alltag in Berlin. Oder auch nicht. Denn auf die Klingel ist provisorisch das Schild „Mittendrin“ geklebt. Pressetermin in einer 200-Quadratmeter-Altbau-Wohnung am Kleistpark, dem Set der ersten deutschen Handy-Telenovela. „Mittendrin“ ist eine Foto-Lovestory, wie es sie seit Jahrzehnten in Jugendmagazinen gibt, aufgefrischt für die Handy-Generation. Eine Folge enthält bis zu zehn Bilder, ergänzt durch geschriebene Dialoge. Seit gestern werden ein halbes Jahr lang an jedem Werktag zwei „Mittendrin“-Folgen an Abonnenten verschickt, die die Geschichte für 1,99 Euro pro Woche bestellen können. Technische Voraussetzung ist ein Farb-Display und die Möglichkeit, per WAP Internet-Seiten aufrufen zu können.

„Mittendrin – Berlin rockt“ ist die Geschichte von Maxi, die mit zwei Freundinnen in einer WG in Berlin Mitte wohnt. Die Basiszutaten einer Soap – Liebe, Freundschaft und Intrige – liefern der hübsche Phil, die nette Sarah und die zickige Joelle. Man liest Dialoge wie: „Ich bin fix und alle, aber happy.“ (Maxi) – „Dann lass uns morgen Abend mal richtig feiern!“ (Sarah). Harmlose Unterhaltung, die mit einem ausgeklügelten Marketing-Konzept verbunden ist. Denn die Figuren sind mit Fernsehprominenz befreundet. Maxi lernt Viva-Moderatorin Gülcan kennen, die sich selbst spielt, Phil holt sich Flirt-Tipps von Ben, Sänger und Moderator von Bravo-TV. Und die Schauspielerin Dorkas Kiefer tritt als Nachbarin auf.

„Mittendrin“ vermischt bewusst Realität und Fiktion. „Der Reiz ist, dass wir auch einmal die virtuelle Welt verlassen und wieder in sie zurückkehren“, sagt Philipp Zwez. Er ist Geschäftsführer von Icon Impact und verantwortlich für das Konzept und die Produktion der Handy-Soap. Der Fan solle sich seinen Stars nah fühlen und selbst Teil der Geschichte werden. Zum Beispiel gibt Ben eine Autogrammstunde, zu der die Abonnenten eingeladen werden, dort werden sie fotografiert und so zum Teil der nächsten Folge.

Ist „Mittendrin“ also eine Promi-Ausgabe von „Big Brother“? Das wird suggeriert. Obwohl Viva-Moderatorin Gülcan sich selbst spielt, ist die Hälfte ihrer Figur erfunden. „Aber die fiktive Geschichte würde zu mir passen“, versichert sie. Dorkas Kiefer möchte ihre Rolle „so privat wie möglich halten“.

Hinter „Mittendrin“ steckt ein multimediales Geschäftsmodell. Die Zeitschriften „Chica“ und „GO girl“ drucken eine monatliche Zusammenfassung. Nutzer können die Serie unter http://mittendrin.msn.de/ auch im Internet verfolgen. Werbepartner sind unter anderem Mc Donald’s, O2 und Nokia. „Wir werben für sie, sie für uns“, ist das Marketing-Konzept. Das gilt auch für die Stars. Sie verschaffen der Fotonovela Aufmerksamkeit. Im Gegenzug können sie darin für sich werben. Ben lässt sich im Musikstudio fotografieren, wo er sein neues Album aufnimmt. Dorkas Kiefer zeigt ihre noch unbekannte Seite als Sängerin.

Ist die Handy-Soap eine weitere Stufe der Abzocke – nach Klingeltönen, mit denen im vergangenen Jahr in Deutschland 360 Millionen Euro umgesetzt wurden? Dem widerspricht Philipp Zwez. Die ersten zwei Wochen des Abos seien kostenlos, danach könne es wöchentlich gekündigt werden. Die 14- bis 29-Jährigen hat Zwez als Zielgruppe ins Auge gefasst. Das sind 13 Millionen Handynutzer in Deutschland. Zwei Prozent von ihnen, 260 000 möchte er gerne als Abonnenten gewinnen. „Wir haben herausgefunden, dass viele Jugendmagazine nur wegen der Foto-Storys gekauft werden.“ In den Niederlanden wird gerade die dritte Staffel einer Handy-Soap produziert. In Australien abonnierten im vergangenen Jahr 40 000 Nutzer die Episoden. Auch Partner aus den USA sind am Konzept interessiert.

Die Schauspieler der Handy-Soap, die nicht aus Berlin kommen, wohnen tatsächlich in der Altbauwohnung am Kleistpark. Mit der klemmenden Türklingel müssen sie sich auch außerhalb ihrer Arbeitstage herumplagen. Die Vermischung aus Fiktion und Realität kann verwirrend sein – und anstrengend.

Dorothee Schmidt

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