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Medien: "Woche des Hörspiels": Langweilig sind die Langsamen

"Viele Gesichter kennt man schon", lächelt Hermann Naber stolz. Der Clubraum in der Berliner Akademie der Künste hat sich soeben geleert, und durch die Fensterwand zum abendlichen Tiergarten sieht man nur noch sich selbst.

"Viele Gesichter kennt man schon", lächelt Hermann Naber stolz. Der Clubraum in der Berliner Akademie der Künste hat sich soeben geleert, und durch die Fensterwand zum abendlichen Tiergarten sieht man nur noch sich selbst. Naber spricht von den Besuchern der "Woche des Hörspiels", die in diesen Tagen ihr einsames Radiohören zu Hause gegen das gemeinschaftliche Lauscherlebnis eintauschen. Vielleicht hören manche von ihnen schon zum 14. Mal mit. So oft nämlich gab es bereits das jährliche Hörspieltreffen der ARD Rundfunkanstalten und des DeutschlandRadios.

So wie Hermann Naber geht es auch dem Hörspiel selbst: Beide hängen an einer Sympathie zu Altbekanntem, dem Rundfunk. Doch wollen beide auch ihre Grenzen zu Neuem öffnen; zu den Daily Soaps und Reality Fakes, die es in Film und Fernsehen längst gibt, zum Internet, zum Audio on demand und zu den Formen der Akustikproduktionen, die außerhalb der Rundfunkstudios hergestellt und veröffentlicht werden. Heute findet daher zum ersten Mal im Rahmen der Woche des Hörspiels ein Wettbewerb unabhängiger Produktionen statt, in dem selbsthergestellte Hörspiele vorgeführt und von einer Publikumsjury mit dem "Plopp" prämiert werden. Der Verantwortliche Hermann Bohlen hat aus fast hundert Einsendungen elf ausgewählt. Niemand habe mit dieser Resonanz gerechnet.

Dass sich aber auch die Rundfunkstudios ihrer technischen und ästhetischen Säulen keineswegs mehr sicher sind, war seit Sonntag in den abendlichen Hörspielen und den tagsüber gehaltenen Workshops nicht zu überhören. Zum zweiten Mal ergänzen diese Workshops das Hörspielprogramm rund um den "Lautsprecher"-Preis. Und so sehr man auch darin die Schallwellen zwischen E und U hin- und herschickte, boten sich Workshops und aktuelle Hörspiele gegenseitig einen wunderbar kommentarreichen Resonanzraum. Manchmal kam einem sogar der fantastische Gedanke, dass es das Hörspiel nicht nur deshalb noch geben könnte, weil es durch den Kulturauftrag der Öffentlich-Rechtlichen am Leben gehalten wird, sondern weil man darüber redet.

Da konnte beispielsweise die Literaturwissenschaftlerin Christina Weiss an einem nur aus Wörtern und Sprachklängen bestehenden Hörspiel von Franz Mon zeigen, wie konzentriert jemand nur durch die vielstimmige Kombination die Dehnbarkeit der Wörter offenlegt. Und man verstand zwei Abende später, als man sich neunzig Minuten lang zum Aushalten einer angestrengt ausgedachten Dramatisierung eines Hugo Ball-Romans unter Stimmenverstellungen, Fanfarenklängen, Quietschen und Hindemith-Fragmenten zwang, dass Kunst so nicht klingen muss. "Wehe, man bleibt draußen", war noch die vergebliche Warnung des Regisseurs.

Draußen zu bleiben ist für Tim Staffels Hörspiel "Stopper" dagegen genau die richtige Haltung. Wie Straßentheater, sagt er, soll man es hören: stehen bleiben, wenn man will, und weitergehen. Von einer Autofahrt dreier Fremder erzählt sein Text, der den Sprechern ihren eigenen Rhythmus gibt. Ein Traumstück, das man in Bewegung hören muss, weil es selbst nicht so leicht ist, wie Staffel es gerne hätte.

Das hier nur angespielte "easy listening" fand sich dagegen in einem Workshop über das Hörspiel "Roartorio" von John Cage. Die Großstadtgeräusche erklangen darin so heiter, dass man es für Zauberei halten konnte. Geräusche zu beherrschen, ist die Herausforderung jedes Hörspielmachers. Roland Schimmelpfennigs "Krieg der Wellen" spielt diese Selbstbespiegelung auf das Witzigste durch: Der Hessische Rundfunk sendete in Realzeit das Real Fake, das eine Besetzung des Senders durch einen Oberstleutnant und sein Panzerbataillon simulierte. Mit sprachlichen Versatzstücken gelingt Schimmelpfennig eine präzise Vorführung von Brennpunktsendungen, deren einziger Inhalt ihr eigenes Funktionieren ist.

Radio in dieser Form ist ebenso unterhaltend wie intelligent. Dennoch, das gaben die meisten Hörspielmacher zu, ist Radio ein Fossil. "Solange es aber langweilige Arbeiten zu verrichten gibt", beruhigte Martin Esslin, ehemals Chef der BBC Drama-Abteilung, "gibt es Radio".

Doris Meierhenrich

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