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Bei zahlenden Kunden speichert Youtube Music automatisch die eigenen Favoriten auf dem Smartphone. Auch offline muss so nicht auf Musik verzichtet werden.

© Günther/dpa

Youtube Music im Praxistest: 80er Büroparty im Mixtape

Mit Videos, Suche und Auto-Downloads: Wie sich Youtube Music gegen Spotify, Deezer & Co. durchsetzen will. Ein Praxistest.

Die standortbasierte Empfehlungsfunktion von Youtube Music ist praktisch und gruselig zugleich. Sitze ich am Schreibtisch, empfiehlt mir die Smartphone-App des neuen Streamingdienstes Songs für „Spaß beim Arbeiten“, darunter eine Playlist mit dem Namen „80er Büroparty“. Besonders verwunderlich ist die Funktion nicht. Youtube gehört zu Google, und um Youtube Music nutzen zu können, muss man sich mit seinem Google-Konto anmelden. Google weiß, wo ich arbeite, und Google kennt meine Heimatadresse. Und da ich bei der ersten Anmeldung auch noch aus einer langen Liste von Interpreten meine persönlichen Favoriten angegeben habe, tauchen Rocksongs aus den 70ern und 80ern besonders häufig in „Mein Mixtape“ auf.

Seit Montag gibt es Youtube Music nun parallel zu Googles Play Music unter anderem in Deutschland. Das Angebot konkurriert mit Spotify, Apple Music, Deezer und Amazon Music. Genauso wie bei Spotify und Deezer kann der Nutzer zwischen einer werbefinanzierten Variante wählen und einem Monatsabo für 9,99 Euro. Für fünf Euro mehr gibt es einen Familientarif, der dann für bis zu sechs Personen gilt. Ähnliches bieten auch die Konkurrenten. Amazon Music und Apple Music gibt es nur gegen Bezahlung, wobei Kunden von Amazon Prime auf zwei Millionen Songs aus dem Katalog Zugriff haben und Nutzer von Amazon Music Unlimited aus 50 Millionen Songs auswählen können.

Ohne Bild kein Ton in der Free-Variante

Die Kostenlos-Variante von Youtube Music ist auf dem Smartphone keine echte Alternative, dafür sind die Einschränkungen zu gravierend. Wird das Display ausgeschaltet, stoppt auch die Musik. Gleiches gilt, wenn eine andere App geöffnet wird. Solche Beschränkungen gibt es bei den Free-Varianten von Spotify und Deezer nicht. Um Youtube Music kennenzulernen, empfiehlt sich die dreimonatige kostenlose Probephase (rechtzeitige Kündigung nicht vergessen). Wer bereits ein Abo von Googles Play Music hat, kann Youtube Music direkt nutzen – wie lange es beide Dienste nebeneinander gibt, ist nicht bekannt. Für zahlende Kunden gibt es Musik ohne Werbung, ohne Unterbrechungen, dafür mit Downloads. Praktisch: Youtube Music speichert automatisch Songs aus den persönlichen Mixtape-Vorschlägen auf dem Smartphone, sodass man auch längere Offline-Phasen gut übersteht.

Und wie schlägt sich Youtube Music gegenüber Spotify, Deezer & Co.? Mit ihren Abermillionen von Songs ist die Anzahl der verfügbaren Songs schon lange kein schlagkräftiges Unterscheidungsmerkmal mehr. Auch Youtube Music hat entsprechend kein Problem, die Top 10 der deutschen Single-Charts wiederzugeben. Diverse Playlists sind ebenso selbstverständlich wie Radiostreams zu bestimmten Musikfarben, auch wenn die Konkurrenz in diesen Kategorien zumindest derzeit noch erheblich mehr bietet. Das gilt auch für die Extras wie Hörbücher und Hörspiele bei Spotify und Deezer – dort können sie besonders komfortabel durchstöbert werden. Auch Amazon bietet diesen Hör-Content in kleinerem Maße. In punkto Podcasts liegen Spotify (u.a. „Fest und Flauschig“ mit Jan Böhmermann und Olli Schulz) und Deezer (u.a. „Das kleine Fernsehballett mit Sarah Kuttner und Stefan Niggemeier) weit vorn, hier muss Youtube Music noch passen. Amazon Music hat dafür eine andere Besonderheit: Die erste und zweite Fußball-Bundesliga, an der sich der Dienst die Rechte gesichert hat.

Ein Pfund zum Wuchern

Auch Youtube Music hat ein Pfund, mit dem es wuchern kann; einen nahezu unerschöpflichen Fundus an Videos, das hat dem Musiksender Viva die Basis entzogen. Neben den offiziellen Songs und Alben der Interpreten gehören dazu auch Musikvideos, die von anderen Nutzern hochgeladen wurden. Und dann gibt es noch die Suchfunktion – neben Google und Amazon gehört die Suche von Youtube zu den am häufigsten genutzten. In Youtube Music kann ein Song zum Beispiel über eine Liedzeile gesucht werden oder nach Beschreibungen wie „das bekannteste Stück von Iron Butterfly“.

Verwechslungsgefahr besteht übrigens durch das ebenfalls jetzt gestartete Youtube Premium (11,99 Euro monatlich). Premium enthält die werbefreie Nutzung von Youtube-Videos, auch Youtube Music kann mit Premium-Abo in vollem Umfang genutzt werden. Hinzu kommen eigene TV-Eigenproduktionen, zunächst zwar nur in englischer Sprache, aber ab Herbst auch mit deutschen Originalen.

Die standortbasierte Empfehlungsfunktion von Youtube Music ist übrigens doch nicht ganz so schlau – oder gruselig, sonst hätte sie mir an der Fanmeile vor dem Brandenburger Tor Fußball-Songs ans Herz gelegt.

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