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Kurze Tanzeinlagen sollen das strenge Gesprächsformat von „Boys“ auflockern.

© ZDF und Laura Ettel

ZDF-Dokuserie „Boys“: Männer und ihre Posen

In der kurzweiligen ZDF-Dokuserie „Boys“ sprechen 30 Kerle über Liebe, Sex und Feminismus. Auch SPD-Politiker Kevin Kühnert ist dabei.

„Männer sind etwas sonderbar“, sang schon Herbert Grönemeyer vor 37 Jahren. Sein „Männer“-Hit ist ein wenig in die Jahre gekommen, aber manche selbstironische Textzeile passt gewiss auch heute noch in die Zeit, in der Gender- und Identitätsdebatten nicht nur in sozialen Netzwerken hitzig, bisweilen hasserfüllt geführt werden. Und in der Männer nach wie vor – oder erst recht? – mit Rollenerwartungen und eigenen Rollenbildern ringen, wovon die siebenteilige ZDF-Dokuserie „Boys“ auf durchaus unterhaltsame Weise Zeugnis ablegt.

„Männlichkeit“ ist für den einen „totale Konstruktion“. Ein anderer sagt kurz und bündig: „Ich fühl mich immer männlich.“ Wieder andere verlieren sich in philosophischen (Kierkegaard) oder romantischen (Romeo und Julia) Phantasien. Und SPD-Mann Kevin Kühnert fordert, die Männer müssten vorangehen bei dem Kulturwandel.

Aber was muss sich wandeln – und wohin? Zwei Frauen, Felicitas Sonvilla und Nina Wesemann, haben 30 Männer zwischen Anfang zwanzig und Anfang vierzig zu Themen wie Männlichkeit, Sex, Liebe und Feminismus befragt.

Eine diverse Männerrunde

Die Männer hocken jeweils allein in einem Studio, das mit silbernem Tuch ausgekleidet ist, auf einem Stuhl. Ein strenges Format mit statischer Kamera, das durch kurze Tanzeinlagen aufgelockert wird und in dem nichts von Körperhaltung und Ausdrucksweise ablenkt.

Die Mischung der Gesprächspartner ist divers, mehrere Homosexuelle und Trans-Personen sind darunter, auch einige Schwarze, Menschen mit multikultureller Biografie und ein Mann mit einer körperlichen Einschränkung.

Es sind Väter dabei und solche, die es werden wollen. Namen oder weitere Informationen werden nicht eingeblendet, auch nicht bei Kevin Kühnert, dem stellvertretenden Bundesvorsitzenden der SPD, oder bei dem Rapper Kelvyn Colt und dem Musiker und Autor Henri Jakobs.

So eine Selbstbespiegelung könnte ziemlich schnell anstrengend werden, aber Sonvilla und Wesemann konzentrieren sich fast ausschließlich auf knappe Interview-Passagen und lassen langatmiges oder unverständliches Geschwurbel bis auf wenige Ausnahmen weg. Keine Folge ist länger als 15 Minuten, denn „Boys“ ist zwar ein „Kleines Fernsehspiel“, aber weniger für Fernsehzuschauer:innen als fürs Netzpublikum gedacht.

Ausgerechnet zum Fußball fiel den Männern nicht viel ein

Vor Beginn der Fußball-EM wurde die Serie bereits in die Mediathek gestellt, nun strahlt das ZDF das Interview-Puzzle an einem Stück auf dem Sendeplatz des Kleinen Fernsehspiels aus. „Selten liegt so viel Testosteron in der Luft, selten gibt es so einen starken Resonanzboden für eine Serie wie ,Boys‘. Mögen die Gespräche beginnen!“, schreiben die Redakteurinnen Lucia Haslauer und Sara Günter im begleitenden Presseheft des ZDF.

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Die Verknüpfung mit der Fußball-EM wirkt allerdings etwas gekünstelt, zumal die letzte Episode als „Special“ zum Thema „Fußball“ nur knapp sechs Minuten dauert. Offenbar fiel den meisten Männern nicht viel dazu ein.

Nun ist der vielstimmige Männerchor in „Boys“ weder repräsentativ noch bietet er intellektuelle Höhenflüge oder neue Erkenntnisse. Allerdings entsteht eine Art Querschnittsbild von Männlichkeitsvorstellungen der jüngeren Generation.

Die Autorinnen fragen ab und zu nach, versuchen aber ihre Gegenüber nicht vorzuführen oder in Bedrängnis zu bringen. Auch wenn einer der Männer seiner Abneigung gegenüber offen gelebter Homosexualität Luft macht („Mach', was du willst, aber reib' mir das nicht unter die Nase“), bleibt das Statement ohne Widerspruch stehen.

Erfahrung mit sexuellen Übergriffen

Ohne eine konfrontative Atmosphäre nutzen einige der Männer den Raum zu offenen, manchmal überraschenden und ehrlich anmutenden Äußerungen, auch über die eigenen Erfahrungen mit sexuellen Übergriffen. Und die Autorinnen schneiden die Interviews zu einem kurzweiligen Mix aus widerstreitenden oder sich ergänzenden Gedankensplittern zusammen.

[„Boys“, ZDF, Montag, 23 Uhr 50 sowie im Internet unter www.zdf.de/dokumentation/boys]

Nicht zuletzt ist „Boys“ eine beredte Sammlung männlicher Posen, eine Galerie von Männer-Körpern, die sich vor der Kamera betont lässig oder betont nachdenklich geben, die häufig breitbeinig dasitzen, die ihrer Unsicherheit zappelnd oder stocksteif Herr zu werden versuchen. Nicht alle lassen sich aufs Tanzen ein, Polit-Profi Kühnert zum Beispiel lehnt sich einfach an die Musik-Box.

Einen Promi-Bonus scheint es nicht gegeben zu haben, denn allzu häufig hat es das ja nicht maulfaule Talent der Sozialdemokraten nicht in das ausgewählte Material geschafft. Erst in Folge vier zum Thema Liebe tritt Kühnert in Erscheinung und erläutert, dass romantische Beziehungen in seinem Leben keine große Bedeutung hätten.

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