zum Hauptinhalt
Kein Wort zu viel: Auch als Wiener Verhörspezialist Richard Brock gibt Schauspieler Heino Ferch (links) eher den einsilbigen Zeitgenossen.

© ZDF und Petro Domenigg

ZDF-Film "Spuren des Bösen": Heino Ferch gibt den einsamen Engel

Heino Ferch begibt sich im dunklen Wien auf die „Spuren des Bösen“. Der ZDF-Krimi ist eine versteckte Liebeserklärung an die Stadt.

Klaus Willer (Hary Prinz) will nur mit Brock sprechen. Mit niemandem sonst. Jetzt ist ohnehin alles egal. Jetzt ist alles zu Ende. Dieses Leben. Diese Welt. Alles. Wenn überhaupt, dann nur noch der Brock. Klaus Willer hat sich verschanzt in seinem Haus, das umstellt ist von Polizei. In dem Haus liegt die blutüberströmte Leiche von Willers Freundin Lisa. Dem stets etwas hilflos dreinschauenden Wiener Kommissar bleibt einmal mehr nichts anderes übrig, als den Kriminalpsychologen und Verhörspezialisten Richard Brock (Heino Ferch) anzurufen und zu bitten, sofort zu kommen. Zumal: Willer und Brock waren einmal Schulfreunde.

Als Brock schließlich Willer gegenübersitzt, in dem abgedunkelten Wohnzimmer irgendeines Wiener Vorstadteinfamilienhauses, da meint der blutverschmierte Schulfreund von einst zu dem wortkargen Verhörspezialisten, er sei es nicht gewesen, er habe ja gar nichts getan. Dann führt ihn die Polizei ab. Kurz zuvor schlich ein Mann um Willers Haus, Konstantin Steinmann (Christoph Luser). Seine Spuren führen Brock in die ominöse Wiener Kommune „Eden“, in der Steinmann, ein millionenschwerer Erbe, mit mehreren Frauen und Männern zusammenlebt, Schwüre spricht, und in der auch Lisa gewohnt hat. Der Fall bekommt eine ungeahnte Dimension.

Die Reihe ragt aus dem Bildschirm-Einerlei heraus

Bereits den ersten Fall von „Spuren des Bösen“, „Das Verhör“, hatten drei Menschen maßgeblich kreiert, die nun auch Richard Brocks neuen Fall verantworten: Regisseur Andreas Prochaska, Drehbuchautor Martin Ambrosch und Kameramann David Slama. Dieses Trio jenseits der Kamera, mit Heino Ferch davor ist es ein Quartett, bildet das Potenzial der sehenswerten, aus vielem Bildschirm-Einerlei herausragenden Wiener Reihe. Von ORF und ZDF erst 2012 initiiert, nur selten ausgestrahlt, ist „Spuren des Bösen“ auch eine versteckte Liebeserklärung an dieses Wien, das melancholisch-schwer daliegt, wie aus einer anderen Welt, von Slamas Kamera in grauen, entfärbten Bildern eingefangen. Visuelle Strenge und narrative Klarheit. Wenig Licht, viel Schatten. Wenig Dialog, viel Introspektion. Das ist das Prinzip Brock.

„Liebe“ ist der neue Fall dieses einsilbigen Wiener Psychologen knapp betitelt. Um die erloschene Liebe zwischen Willer und Lisa geht es ebenso wie um die gelebte Liebe zwischen Lisa und Steinmann. Es geht bei „Spuren des Bösen“ jedoch immer auch um mehr, um das Dahinter, um die unsichtbaren Dinge zwischen den sichtbaren: So wird etwa in wunderbar kleinteiligen Sequenzen die Beziehung des schwer zugänglichen Brock zu seiner Tochter Petra Brock (Sabrina Reiter) weitererzählt.

Richard Brock, der stets auf Abwehr konditioniert ist, lieber allein in seinem Stammlokal, dem urigen „Kaffee Urania“ in der Radetzkystraße im dritten Bezirk an einem der Tische in der Leere des Raumes sitzt, er braucht immer mal wieder die Hilfe der Tochter, die bei der Polizei arbeitet. Geheime Akten. Möglichst schnell. Ganz gleich ob um Mitternacht oder um sechs Uhr morgens. Knapp sind seine Telefonate mit ihr. Sachlich. Sie beschwert sich darüber. Immer wieder. Als er einmal verletzt im Krankenhaus auf dem Bett sitzt, ist sie die Erste, die da ist, und sie küsst ihn, ganz sanft, ganz kurz, auf die Stirn. Als sie ihn dann wieder fahren muss, da Brock keinen Führerschein hat, da entschuldigt sich der Vater bei der Tochter beim Aussteigen und dankt ihr – „dafür, dass du es mit mir aushältst“.

Brock ist ein soziophober Philantrop

Das alles geschieht mit sympathischer Unaufgeregtheit, wird en passant erzählt. Mehr ist nicht nötig. Kein Wort zu viel. Diese wunderbar eigensinnige Figur des Richard Brock erinnert in ihrem stoisch-unsozialen Habitus durchaus an Alain Delons „Der eiskalte Engel“ – nur unter umgekehrten Vorzeichen. Brock, der lonesome cowboy, ist kein Killer, sondern, wie er in „Liebe“ in einem Moment der Offenheit dem „Urania“-Ober gesteht, „einer, der Menschen retten wollte“. Ein soziophober Philanthrop.

Heino Ferch spielt diese verknappte Figur vollkommen auf den Punkt, ist in seiner Verkörperung von absoluter Präzision. Dieser Brock ist der Welt abhandengekommen. Und die Zurückgenommenheit, hinter der eine große, immer spürbar mitschwingende Verletzbarkeit kaschiert ist, stellt zugleich die innere Spannung dieser schönen Rolle dar, die dem hier brillierenden Heino Ferch wie auf den Leib geschneidert ist. Ein einsamer Engel.

„Spuren des Bösen – Liebe“, ZDF, Montag, 20 Uhr 15

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false