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Statt zu trainieren, bestellt Max (Felix Knopp) sich sein Mittagessen ins Fitnessstudio.

© ZDF und Ivan Maly

ZDF-Film um Mann in der Midlife-Krise: Medien, Max und Muckis

Zu viele Leibesübungen, zu wenige Geistesblitze: die ZDF-Komödie "Hüftkreisen mit Nancy" um einen traumtänzerischen Journalisten

Max (Felix Knopp), der Arme?  Eben ist die von sich selbst berauschte journalistische Edelfeder rausgeschmissen worden. Zu seinem 45. Geburtstag hatte sich der Absolvent der Henri-Nannen-Schule von seinem Vorgesetzten beim Anzeigenblatt „Steglitzer Stadtanzeiger“ eine Gehaltserhöhung versprochen. Was aber kam, war die Kündigung. Den alten Max mit seinem einstigen Feuer habe man zunehmend vermisst, sagt der Chef. Der Zuschauer zweifelt nicht, dass da was dran ist,  so innerlich erloschen wirkt er.

Nun sitzt er an einem Teich. Sein roter Sitzball, den er beim Räumen seines Arbeitsplatzes aus der Redaktion mitgenommen hat, treibt über das Gewässer. Die Enten umlagern das traurige Geburtstagskind, das sich in Selbstmitleid badet, nicht nach Hause traut und stattdessen die gefiederten Freunde füttert. Ein Entchen von Kalau könnte jetzt singen, das sei die gerechte Strafe für einen der Lügenpresse und deren Entenproduktion. Aber  der Film ( Buch: Johann A. Bunners und Martin Dolejs nach dem gleichnamigen Roman von Stefan Schwarz; Regie: Miko Zeuschner) hat keinen Sinn für satirische Anspielungen. 

Idealer Luschen-Darsteller

Der ZDF-Produktion geht es mehr um Maiden als um Medien. Und um ältere Jungen, die an der Midlife-Schwelle nicht reif werden wollen. Die während  des fälligen One-morning-Geburtstagsständchens der gequälten Ehefrau drohen: „Ich glaube, ich komme gleich“. Sich dann nach getaner Arbeit mit dem Griff einer Hand an den beanspruchten Rücken erheben, in der anderen das Geschenk der Ehefrau Tina (Rebecca Rudolph) haltend: einen Tanzkurs Argentina unter dem Motto „Entdecke  das Feuer in dir“. Biedermann braucht offenbar solche biederen Brandstifter.

Wie sich Max aus dem Entenabseits und der ehelichen Luststeppe herausarbeitet, folgt dem  Muster für den männlichen Entwicklungsroman: Entwicklung verweigern, solange es geht. Man muss sagen, dass Schauspieler Felix Knopp („Tatort“, „Soko Leipzig“, Theater)  ein idealer Darsteller in der Kunst der Reifesabotage ist. Sein Max ist ein unerbittlich sympathischer Narzisst, blind für alle Realität, in eroticis ein gieriges männliches Kleinkind, das nur haben und haben will und, wenn möglich, sein (Fort)kommen.

Nancy läuft vorbei

Hier nun nötigt die Produktion der Ziegler-Film Baden-Baden den auf dem Pfad zum Luschigen wandelnden Akteur Max den Ernst des Fernsehlebens ab. Aber keine Angst vor Realitätseinbrüchen, das geht alles sehr tv-filmig ab.

Denn siehe, wie der gefeuerte Ex-Eleve vom St. Nannen-Stift so selbstmitleidversunken bei seinen Enten sitzt, läuft sie vorbei. Nancy (Helen Woigk, „Tatort: Frühstück für immer“), wie frisch aus dem Jungentraum, also gerade richtig für die Maxens mit Rücken-, Enten- und Eheproblemen. Herr Krenke also hoch von seiner Sorgenbank und dem Mädel hinterher, wieder ganz der stramme Max, die unwiderstehliche Recherchen-Kanone.

Die Verfolgung bis zu einem Fitness-Studio ergibt: Nancy ist ein Schneewittchen bei den sieben  Riesen, die statt im Berg zu schürfen am Tempel ihres Körpers bauen. Wenn Nancy gongt, gehen die Tatoo-bedeckten Kolosse in die Knie und watscheln im Entengang – oh, leitmotivischer Vogel – hinterdrein. Max ist fasziniert vom Schweiß, von den Muckis, vor allem von Nancy.

Der Gefeuerte und vom Tangogeschenk Gedemütigte, allerdings märchenhafterweise von materiellen Sorgen unbeschwert, geht hinfort in Nancys Riesenheim ein- und aus, lernt das Hantelwerk in seiner ganzen Schwere kennen, gewöhnt sich den Pizzafraß ab und hofft auf Auferstehung in des Fleisches vollem Saft. Dabei entgeht ihm nicht, dass in Nancy der Geist der Kunst wohnt, besonders wenn er heimlich beobachtet, wie das Mädchen voller Anmut durch die leere Muckibude tänzelt.

Mehr Schwung!

Max führt ein Doppelleben. Zuhause gibt er den beschäftigten Journalisten, der er nicht mehr ist, draußen, hinter den sieben Bergen bei den Muskelriesen,  wandelt er auf Freiheitsfüßen. Der Film deckt die Abwege männlicher Emanzipation auf: neue Flamme, alte Bequemlichkeit und die Illusion, die Alte merke schon nichts. Dem wird nicht so sein.

Max wanzt sich – mit ungebrochenem Nannenstolz – wieder an sein altes Käseblatt aus Steglitz heran und verspricht wunderbar feurige Geschichten, wie er sie früher geschrieben hat.

Er ergattert den Auftrag, ein Hotel zu porträtieren. Die Familie darf er mitnehmen. Aber dann, wer lehrt während der Recherchentour Wassergymnastik im Hotelpool? Nancy, die Max-Flamme. Ehefrau Tina ahnt den Entenlügenbraten sofort. Sie bezichtigt Max der Untreue. Der leugnet. Was sonst?

Im großen Hüftkreisen, das nun beginnt, geht es um Scheiden oder Nichtscheiden. Therapiestrategien widersprechen sich: Erst sollen Max und Tina an den Zeitpunkt zurück, als sie sich verliebten, in Klamotten von damals. Max versagt, die Frau ist tödlich beleidigt, denn er verwechselt das Outfit seiner späteren Frau mit dem einer anderen Kandidatin. Dann spielen sie „LAT“: „Living apart together“. Heißt: Er zieht aus, sie bleibt zuhaus, Treue wird kleingeschrieben, damit sie wieder zu keimt. Viel zu verwirrend.

Ein bisschen mehr Witz, die Streichung von Figuren wie die der Tina-Mutter Carola (Ruth Reinecke), die sich penetrant und platt nach dem sexuellen Wohlergehen ihrer Tochter erkundigt (als hätten wir gerade erst Wilhelm Reich und sein Orgon entdeckt) und der schier endlosen Kamerablicke auf die öden Muskelmänner, dann hätte das „Hüftkreisen“  mehr Schwung  und der Film zu einem künstlerisch wertvolleren Happy Entchen führen können.

"Hüftkreisen mit Nancy", ZDF, Donnerstag, 20 Uhr 15 

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