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Noch-ZDF-Intendant Markus Schächters geht mit einem Lächeln.

© dpa

ZDF-Intendant Markus Schächter: "Bei Thomas Gottschalk habe ich keine Schadenfreude"

Markus Schächter hört als ZDF-Intendant auf. Im Interview spricht er über die Fehler von Thomas Gottschalk, die weiter offene Nachfolgefrage bei "Wetten, dass..?", Sparzwang und goldene Jahre.

Markus Schächter , geboren 1949 im pfälzischen Hauenstein, arbeitet seit 1981 im Zweiten Deutschen Fernsehen in Mainz. Erste Stationen waren die Redaktion Kultur und Gesellschaft und das Ressort Kinder und Jugend, wo er unter anderem die Kinder-Nachrichten „logo“ ins Leben rief. 1992 wechselte er auf die konzeptionell-strategische Ebene, mit der Leitung der Planungsredaktion, dann der Hauptredaktion Programmplanung. 1998 wurde er auf Vorschlag von Intendant Dieter Stolte zum Programmdirektor berufen, im März 2002 folgte die Wahl zum vierten Intendanten des ZDF. Schächters zweite Amtszeit endet am 14. März 2012. Der jetzige Programmdirektor Thomas Bellut übernimmt.

Herr Schächter, was ist schwieriger, „Wetten, dass..?“ wieder ins Programm zu heben oder „Gottschalk live“ doch noch zum Erfolg zu führen?
„Wetten, dass..?“ hat einen starken Format-Markenkern. Auch bei einem Moderatorenwechsel bleibt die Strahlkraft der Marke. Das Format „Gottschalk live“ hat sich den Luxus geleistet, ohne klaren Formatkern zu starten.

Sind Sie ein bisschen schadenfroh?
Schadenfreude? Gegenüber einem alten Freund wie Thomas? Nein. Aber eine Bestätigung unserer Position, dass es für uns keinen Grund gibt, vor 20 Uhr einen Timeslot für Talk aufzumachen.

Bleibt für ihn nur noch der Weg zurück zu „Wetten, dass..?“?
Das ist kein Thema. Die Entscheidung, wer die Nachfolge von Gottschalk übernimmt, ist noch nicht gefallen. Ich gehe davon aus, dass „Wetten, dass..?“ im Herbst mit neuer Moderation und einem veränderten Konzept startet.

In Ihrer Amtszeit hat sich das ZDF vom „Wetten, dass..?“-Sender, also vom Einkanalsender zum Multikanalsender entwickelt. ZDFneo, ZDFkultur, ZDFinfo, die Mediathek. Wohin soll das noch führen?
Wer sich in der digitalen Welt behaupten will, der muss auf möglichst allen Plattformen aktiv sein. Wer nur mit einem Kanal unterwegs ist, der wird nicht mehr wahrgenommen. Sehen Sie sich als Beispiel den ehemals führenden US-Sender NBC an, in welche Turbulenzen er kam.

Wo ist das ZDF besonders erfolgreich?
Am Abend, also in der Zeit, in der Fernsehen „Primärtätigkeit“ ist, in der die meisten Menschen fernsehen. Aktualität, Hintergrund und Erzählfernsehen sind die Säulen, auf denen unser Erfolg aufbaut. Da sind wir Markt- und Meinungsführer. Hier zeigt sich die ganze Qualität des öffentlich-rechtlichen Fernsehens. Am Tag liegen wir hinter RTL mit seinen Doku-Fake-Formaten. Aber am Abend liegen wir vorn. „Terra X“, der Montagsfilm, unsere Nachrichten, das „heutejournal“, das sind nur einige unserer Stärken. Frau Illner nicht zu vergessen.

Ist das Zweite ein Programm für die jungen Alten oder für die Alten?
Wir liegen zunehmend besser in der Mitte der Gesellschaft, bei den 30- bis 59-Jährigen. Das ist zu großen Teilen auch das Verdienst von ZDFneo, ZDFkultur und ZDFinfo. Sie können auch daraus entnehmen, dass nur der vorankommt, der eine solche Angebotspalette bietet.

Ab April wird Fernsehen nur noch digital gesendet. Eine kleine Revolution?
Keine Revolution. Aber eine neue Aufgabe fürs TV. Vor wenigen Jahren erst überschrieb „Die Zeit“ ein Dossier mit „Fernsehen ist tot. Das revolutionäre Internet ersetzt TV“. Und was ist passiert? 2011 haben wir ein Allzeithoch, was die Fernsehnutzung betrifft. Von Tod also keine Spur, ganz im Gegenteil. Natürlich: Das Netz ist stark. Aber auch die klassischen Fernsehgewohnheiten sind geblieben. Die Leute wollen um 19 Uhr ihre „heute“-Sendung oder am Sonntag um 20 Uhr 15 den „Tatort“ sehen. Allerdings: Die Jüngeren schauen mehr und mehr wann, wo und wie sie wollen. Darauf stellen wir uns ein, mit der Mediathek zum Beispiel.

Was wird in fünf oder zehn Jahren sein?
Die Konkurrenz aus dem Netz wird noch größer. Die Internet-Riesen dieser Welt drängen schon jetzt verstärkt in den ohnehin sehr großen Markt der Bewegtbilder. Außerdem: In Deutschland haben inzwischen 133 private Fernsehsender eine Lizenz zum Senden. Es werden noch viel mehr. Auch das ist eine Folge der Digitalisierung.

"Ich gehe mit einem Lächeln"

AppleTV und GoogleTV stehen vor der Tür. Wird das ZDF überflüssig?
Technik zu beherrschen heißt noch lange nicht „Inhalt zu können“. Wissen Sie, warum diese Anbieter so lange vor der Tür stehen bleiben? Weil sie einen Riesenrespekt haben, wenn es darum geht, Inhalt zu produzieren. Die Spezialisten für Bewegtbild sind immer noch wir, die TV-Branche.

Sie könnten wenigstens mit den Internet-Riesen zusammenarbeiten.
Es gibt Gespräche mit Google, Apple und Facebook. Vielleicht gibt es Möglichkeiten zusammenzukommen, wenn es für alle von Vorteil wäre. Ob sie unsere Freunde werden, ich weiß es nicht. Aber eines scheint klar: Sie brauchen uns, was den Content angeht, mehr als wir sie. Es geht zum Schluss doch darum, wer kann die Geschichten erzählen, die die Zuschauer interessieren. Wenn sie weltweites Fernsehen machen wollen, dann haben sie ein anderes Problem. Geschichten von hier und heute, Geschichten, die die Herzen der Menschen hier erreichen, das wird immer eher national und regional verwurzelt bleiben.

AppleTV und „Soko Wismar“, das passt nicht zusammen?
Nun ja, in der ZDF-Mediathek-App sind sie schon mal zusammen.

Warum ist für das ZDF die Champions League wichtiger als die Bundesliga?
Wenn sie die Königsklasse zu einem fairen Preis bekommen können, dann gibt es keinen Grund zu zögern. Dem Erwerb steht ein hoher Wert für das Programm gegenüber. Live-Sport im Fernsehen ist ein Phänomen. Das sind Events mit großer Strahlkraft, die ein großes Publikum am Bildschirm zusammenbringen. Aber Fußball ist nicht alles. Der Sportanteil im Programm liegt bei rund sieben Prozent. Davon ist nur ein Zehntel Fußball. Aber wenn Sie auch jüngere Zuschauer erreichen wollen, dann ist es wichtig, Marken wie die Champions League zu haben. Und deren Zuschauer bringen wir in der Halbzeitpause zum „heute-journal“.

Trotzdem: Geht der teure Sport nicht zulasten des übrigen Programms?
Wir haben unsere Ausgaben für Eigenproduktionen wie Fernsehfilme, Dokumentationen oder Shows nicht gesenkt, sondern auf andere große Sportverträge verzichtet, etwa auf die Tour de France oder Boxen. Wir kürzen eben gerade nicht beim Fernsehspiel, bei Dokumentations- und Informationssendungen.

ZDF wurde immer mit „Zentrum der Freude“ übersetzt. Jetzt muss auf Weisung der Gebührenkommission KEF gespart werden, 300 Leute müssen gehen. Wie ist die Stimmung in Mainz?
Als ich vor zehn Jahren anfing, ging es erst einmal fast ausschließlich um das Thema Sparen. Ein gewaltiger Schuldenberg musste abgebaut werden. Wir haben die schwierigen Verhältnisse aber auch damals drehen können. Jetzt müssen wir wieder sparen, und wir werden es auch diesmal schaffen. Traurig ist allerdings, dass es vor allem die Jüngeren und viele freie Mitarbeiter treffen wird, die wir eigentlich dringend brauchen. Wir müssen rund 300 Stellen abbauen bis 2016. Ich habe in einer Klausur der Geschäftsleitung bereits im November die Weichen dafür gestellt, dass wir die harten Auflagen der KEF bis 2016 erfüllen.

Klingt widersinnig und, entschuldigen Sie den Ausdruck, dumm.
Die KEF hat gesprochen, und wir werden uns fügen.

„Er geht zum denkbar besten Zeitpunkt", hieß es in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" über Sie. Was könnte mit diesem Satz gemeint sein?
Zwei Sätze weiter stand, ich hätte meine Ziele erreicht und könne die meisten Themen als erledigt abhaken. Vor al-lem aber: In den vergangenen zehn Jahren habe sich der Einkanalsender ZDF immer besser auf die Herausforderungen der digitalen Welt eingestellt. Mit den Digitalkanälen und der Mediathek als Talenthäuser hat das ZDF Zukunft. Das Feld für meinen Nachfolger ist bestellt. Das Amt des ZDF-Intendanten ist kein Amt auf Lebenszeit. Ich werde dieses Jahr 63 und finde, der Zeitpunkt für den Wechsel ist gut gewählt.

Was könnte man Ihnen vorwerfen, trotz aller Erfolge?
Ich denke, es ist besser, wenn das andere machen. Ich habe bestimmt programmlich nicht alles erreichen können, was ich mir vorgenommen habe. Vielleicht haben wir zu lange nach den Erfolgen der Privaten geschielt. Aber das ist korrigiert.

Der Intendant und die Politik: Müsste nicht die Rolle des Intendanten gestärkt werden?
Er hat eine starke Rolle. Wir haben in Deutschland eine programmliche Autonomie wie in keinem anderen europäischen Land. Die Politik ist da viel gelassener geworden. Das kommt vielleicht auch daher, dass es das große, wahlentscheidende Medium TV nicht mehr gibt. Und dann gibt es noch das Bundesverfassungsgericht, das dafür sorgt, dass die Programmautonomie ein hohes Gut bleibt.

Ist das Amt des ZDF-Intendanten das zweitschönste gleich nach Papstsein?
Es zählt jedenfalls zu den interessantesten Jobs, die diese Republik vergibt. Ich gehe mit einem Lächeln.

Was werden Sie machen nach dem 14. März, wenn alles vorbei ist?
Ich werde kürzertreten können. Über Arte aber bleibe ich als Vorsitzender der Arte-Mitgliederversammlung dem ZDF indirekt verbunden. Und ich werde an der Hochschule für Philosophie in München einen Lehrstuhl für Medienethik mit aufbauen.

Herr Schächter, war es früher schöner?
Vielleicht wettbewerbsärmer und sorgloser. Vor allem in den goldenen achtziger Jahren, als die finanzielle Ausstattung deutlich besser war und fast alles möglich schien. Das führte aber auch dazu, dass Aufmerksamkeit und Wachheit nachließen. Mit den bekannten Folgen. Die Zeiten heute sind so spannend wie selten zuvor. Wenn wir in diesem großartigen ZDF zusammenhalten und unsere zentralen Stärken umsetzen, dann sind wir besser als die meisten in Europa.

Das Interview führten Thomas Eckert und Joachim Huber.

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