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Foto: ZDF

© Thomas K. Schumann

ZDF-Krimi: Glückssuche im Rotlicht

Armuts-Prostitution: Mit „Kommissarin Lucas“ beweist das ZDF Mut zum Außergewöhnlichen

Paul Wilhelm hatte früher in Regensburg eine Metzgerei, seine Blutwurst war preisgekrönt. Dann kam die Pleite, und nun geht seine Frau Agneta, 59 Jahre alt, anschaffen. Zu Hause trägt sie den Kittel der bayerischen Hausfrau, schmiert ihrem Paul ein Butterbrot, doch der ist vollends verstummt und flüchtet abends in die Kneipe. „Frag mich doch mal, woher das Geld kommt, das du dann versaufst“, fordert sie ihn auf, wütend über Pauls Desinteresse. Doch Paul schweigt, will es lieber nicht wissen. Agneta knöpft ihren Kittel auf, zeigt die Dessous. „Schau her“, sagt sie, „schau’s dir o“. Es ist eher ein Akt der Verzweiflung als ein Akt der Befreiung.

Wenn schon nicht großes Kino, dann ist der erste Film von Regisseurin Maris Pfeiffer für die Krimireihe „Kommissarin Lucas“ jedoch Fernsehen, das den Mut zum Außergewöhnlichen hat, zum Unwahrscheinlichen, das reizt und irritiert. Prostitution, das klassische Großstadtthema, in der 130 000 Einwohner zählenden „Metropole“ der Oberpfalz? Warum nicht? In Regensburg ziehen ältere Damen abends los, aufreizend gekleidet und geschminkt, weil ihre Männer arbeitslos geworden sind und die Hilfen vom Staat hinten und vorne nicht reichen. „Schlampen vom Oma-Strich“ nennt der örtlich führende Zuhälter seine ungewöhnliche Konkurrenz, die ihm das Geschäft zu vermiesen droht. Übermäßige Biederkeit kann man dem ZDF an diesem Ostersamstag jedenfalls nicht vorwerfen. Zumal sich Agneta vom Lateinischen „agnus“, das Lamm, ableiten lässt.

Doch nicht Agneta wird geopfert, sondern ihre Freundin Maria, die am Donau-Ufer erschlagen aufgefunden wird. Kommissarin Ellen Lucas (Ulrike Kriener) und ihr Team müssen sich nun mit der Rotlicht-Szene befassen. Lucas lässt, besonders gegenüber den jüngeren männlichen Kollegen, eine gewisse Solidarität mit den Frauen erkennen, aber nachvollziehen kann sie deren Entscheidung nicht. Sie will den Mörder finden – und die Beweggründe der Frauen verstehen. „Am Ende muss Glück sein“, heißt die Folge – ein Satz, der sich im Film auf einem Grabstein findet und der wie ein verzweifelter Befehl klingt. Eben darum geht es in diesem Drehbuch von Grimme-Preisträger Friedrich Ani („Kommissar Süden“): Um die Glückssuche, vor allem um das Glück, Anerkennung zu erfahren, vom Ehepartner, von den Eltern, oder zur Not auch mal von Professionellen oder Freiern. Agneta findet die Arbeit als Prostituierte „widerlich. Aber dass die Männer mich wieder anschauen, das g'fallt mir“.

Anis Buch und Pfeiffers Inszenierung treffen solche Zwischentöne. Hier wird nichts schlüpfrig oder hochnotpeinlich moralisch, was auch einer überaus bemerkenswerten Besetzung geschuldet ist: Neben Traute Hoess und Günter Junghans als Ehepaar Wilhelm spielen hier „Solo Sunny“-Legende Renate Krößner als Mord-Opfer Maria und Newcomer Vladimir Burlakov („Marco W.“, „Im Angesicht des Verbrechens“) als ihr 30 Jahre jüngerer Liebhaber. Hans-Jochen Wagner, sonst gerne als Softie besetzt, darf den brutalen Zuhälter geben. Hannelore Elsner überzeugt als ehemalige Prostituierte und undurchsichtige Wirtin. Aber vor allem Elmar Wepper als verwirrter, aus der Bahn geworfener Witwer Bolte beweist erneut, dass er weitaus intensiver spielen kann, als es ihm seine sonstigen TV-Rollen meist abverlangen. Thomas Gehringer

„Kommissarin Lucas: Am Ende muss Glück sein“, ZDF, 20 Uhr 15

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