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Wenn Juristen streiten, dann fliegen die Fetzen. Dr. Rainer Koller (Martin Brambach) gestikuliert wild vor Dr. Eva Maria Prohacek (Senta Berger).

© ZDF und Barbara Bauriedl

ZDF-Krimi "Unter Verdacht": Martin Brambach gibt den Antihelden

„Unter Verdacht“ im ZDF: Martin Brambach brilliert als selbstherrlicher Richter und unsympathischer Antiheld.

Der Schauspieler Martin Brambach hat sich in den vergangenen Jahren ziemlich auffällig durch sagenhaft viele Nebenrollen gearbeitet. Komödien, Dramen, Krimis, Serien, nirgends war der Fernsehzuschauer sicher vor Brambach. Häufig sind es auf komische Art deformierte, liebenswerte Typen, die er spielt, auch aktuell, da Brambach im Dresdner „Tatort“ als Kommissariatsleiter Peter Michael Schnabel auftritt.

Als Kontrast serviert das ZDF nun dem Publikum in der „Unter Verdacht“-Reihe Brambach als unsympathischen Antihelden. Er spielt den Richter Rainer Koller, einen furchtbaren Juristen, der auf eine besondere Art gewalttätig ist, selbstherrlich und schneidend, rücksichtslos urteilend, insbesondere gegen Frauen.

Der Film beginnt mit einem Akt häuslicher Gewalt. Carola Kern (Alexandra Finder) wehrt sich mit einem Messer gegen ihren cholerischen Partner Theo Schichter (Georg Friedrich). Sie wird sich später vor Richter Koller wegen Körperverletzung verantworten müssen. Ihre Schwester Doris (Anneke Kim Sarnau) hat mit diesem Richter bereits Erfahrung: Auch sie war einmal mit Schichter zusammen, er hatte ihren Körper mit Salzsäure verätzt, wurde aber freigesprochen. Nach Ansicht Kollers hatte er in Notwehr gehandelt.

In der Kantine des Justizzentrums werden Dr. Prohacek (Senta Berger) und Langner (Rudolf Krause) Zeuge, wie Doris Kern mit einer Flasche und einem Tablett auf Koller losgeht. Die jüngere Carola verliebt sich in den Mann, mit dem ihre Schwester derart üble Erfahrungen gemacht hat? Wohl auch, um dies plausibler erscheinen zu lassen, wird ein bisschen psychologisiert, wird ein seit der Kindheit schwelender Konflikt zwischen den Schwestern angedeutet. Da verheddert sich das Drehbuch von Mike Bäuml in seiner gewagten Konstruktion.

Davon abgesehen wird aus dem ungewöhnlichen Grundthema – Wer kontrolliert eigentlich den unabhängigen Richter? – enormes dramatisches Kapital geschlagen. In „seinem“ Gerichtssaal entscheidet Koller nach Gutdünken; wer dem Richter mit Einwänden kommt, wird auf die nächste Instanz verwiesen. Koller ist „einer von denen, die ganz oben landen, weil sie perfekt in dieses System passen“, bemerkt Langner. Der Richter ist unangefochten, weil er so fleißig ist, weil er die Aktenberge in seinem Büro besonders schnell abarbeitet. Aber er fühlt sich auch bedroht, am Gürtel trägt er eine Pistole. Der Film zeichnet das Bild einer aus den Fugen geratenen Justiz, die auf Überlastung mit Ruckzuckurteilen reagiert. Am Ende kippt die Inszenierung von Regisseur Martin Weinhart ins Bizarre, Kafkaeske.

Nach dem Fall Mollath hat sich die Stimmung gedreht

Prohacek fordert Koller anfangs im Alleingang heraus, erhält dann aber überraschende Rückendeckung von ihrem Vorgesetzten Reiter (Gerd Anthoff). Der hängt sein Fähnchen mal wieder in den Wind. Nach dem (realen) Fall Gustl Mollath, der jahrelang unrechtmäßig in einer geschlossenen Anstalt weggesperrt worden war, hat sich die politische Stimmung in Bayern gedreht. Bei einer Justizreform soll deshalb „ein bisschen mehr Kontrolle“ herausspringen, wie die Staatssekretärin (schön garstig: Lilly Forgách) erklärt. Deshalb käme ihr „so ein kleines abschreckendes Beispiel“ gerade recht.

Das ist eine clevere Art, ein aktuelles Thema aufzugreifen: Denn uns Zuschauer, die wir uns wünschen, dass die Frauen geschützt werden und der Richter in die Schranken verwiesen wird, macht der Film zu Komplizen des Politikstils, der in dieser Reihe regelmäßig aufs Korn genommen wird.

Martin Brambach ist hier nicht nur als arroganter Widerling beängstigend überzeugend. Sondern auch als manisch arbeitender Mensch, der alles unter Kontrolle haben will. Brambach deutet hin und wieder an, dass diese Figur überfordert und einsam ist. Doch wenn man für einen Augenblick glaubt, jetzt zeige dieser Koller menschliche Züge, kommt wieder der Mann zum Vorschein, der eiskalt manipuliert und sich selbst für unfehlbar hält. Koller ist kein klassischer Krimibösewicht, sondern eine tragische Figur am Rande des Wahnsinns.

„Unter Verdacht: Ein Richter“, ZDF, Samstag, 20 Uhr 15

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