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Das wird heiß.  Detective Inspector Elaine Renko (Agyness Deyn) und Detective Chief Inspector Charlie Hicks (Jim Sturgess) gelangen im Rahmen einer Mordermittlung an brisante Geheimdokumente der Regierung über eine bevorstehende Apokalypse.

© ZDF und FremantleMedia

ZDF-Miniserie "Hard Sun": Ich bin dann mal killen

Was machen Menschen, wenn die Apokalypse droht? Die BBC-ZDF-Miniserie „Hard Sun“ scheitert an der Antwort.

Was würde der gemeine Berliner wohl anstellen, wenn er davon Kenntnis bekäme, dass er in exakt fünf Jahren mitsamt Bulette und Molle von der Sonne weggeschmolzen wird? Zwar hat die gesamte Welt ihr Todesurteil bekommen – was echt kein Trost ist, wenn Armageddon erst mal im Kiez tobt.

Und dann, so plötzlich und unerwartet es gekommen ist, wird das Todesurteil kassiert. War eine Falschnachricht, eine Internetente, Fake News.

Wer nicht an News glaubt, der glaubt auch nicht an Fake News. Der nimmt sein Recht auf eigene Fakten wahr. Wird Verschwörungstheoretiker, Anführer obskurer Sekten oder Serienkiller. Nicht schön, aber die Zeit drängt, den Untergang vor Augen müssen Recht und Moral hintanstehen.

„Hard Sun“ spielt nicht in Berlin, die Produktion der BBC, des Streamingdienstes Hulu und des ZDF spielt in London. Thriller- oder Mystery- oder Science Fiction, hier wird munter gemischt und Crossover betrieben. Mastermind ist Neil Cross, und der ist kein Geringerer als der Kreateur von „Luther“", einer Serie, die die Cop-Show weit nach vorne gebracht hatte. Auch Polizist John Luther hat Grenzen eingerissen, er vermaß Recht und Moral mit eigenem Zollstock. Die Fans gruselten sich, begeisterten sich am Schauer, die die Täter verbreiteten und die Luther lieber erweiterte als einzudämmen suchte.

Autor Neil Cross will es bigger than life

Nach „Luther“ brauchte Neil Cross es größer, bigger than life. Also wird es existenziell. Wer darf was, haben die Menschen ein Recht darauf, vom bevorstehenden Ende der Welt zu erfahren, lässt man sie besser im Unklaren, ist ein Mord noch eine böse Tat, wenn in fünf Jahren sowieso alle sterben müssen?

Neil Cross, der sagt, er habe sich von David Bowies Song „Five Years“ inspirieren lassen, nimmt sich drei Folgen in Spielfilmlänge Zeit. Doch nicht dafür, grundsätzlich mögliche, grundsätzliche Fragen zu erörtern. Die Apokalypse kann ein, sie muss kein intellektuelles Glasperlenspiel sein; gerade im Verlauf ist ihre Übersetzung in den Alltag möglich. Cross dimmt die Riesenfragen runter, er kriminalisiert und er personalisiert sie. Ein dystopisches Ermittlerpaar wird ins Zentrum gesetzt. Detective Inspector Elaine Renko (Agyness Deyn) und Detective Super Inspector Charlie Hicks (Jim Sturgess) stoßen auf einen USB-Stick mit ominösen „Hard Sun“-Dateien. Der britische Geheimdienst MI 5 will mit allen Mitteln verhindern, dass die Informationen in die Öffentlichkeit gelangen. Selbst im Angesicht von Armageddon ist Ruhe erste Bürgerpflicht. Also heftet sich MI -5-Agentin Grace Morrigan (Nikki Amuka-Bird) an die Fersen der beiden Polizisten. Sie gibt kein Pardon, andere tun es auch nicht. Hicks steht unter schwerstem Verdacht. Sein Vorgesetzter Roland Bell (Derek Riddell) ist überzeugt, Hicks habe seinem Partner Alex Butler vor einem Jahr eine Kugel in den Kopf geschossen. Charlie Hicks gilt als korrupt, hat ein Verhältnis mit der Frau seines ermordeten Kollegen, liebt seine Familie sehr, seine Frau erwartet das zweite Kind. Keiner muss Charlie Hicks mögen.

Hicks bietet Angriffsflächen, nicht zuletzt für seine neue Kollegin Elaine Renko. Auch sie lebt im Panikraum. Ihr Sohn Daniel (Jojo Macari) wollte sie umbringen, hat das gemeinsame Haus angezündet. Daniel sitzt in der Psychiatrie. Bell setzt Renko auf Hicks an: Wenn sie Beweise dafür findet, dass Charlie den Mord an Alex Butler begangen hat, muss ihr Sohn nicht ins Gefängnis.

Also Dystopie, wohin der Zuschauer schaut. Ermittler, die sich wie in einem Ballett im Dunklen umtanzen, gefährdet von zerstörerischer Geheimdienstmaterie, getrieben von der Aufgabe, die Straßen Londons wieder sicherer zu machen. Die haben das bitter nötig, da ist zum Beispiel Thom Blackwood (Richard Coyle). Er hatte im Ausland Flüchtlingen geholfen. Deren Leid und die durchs Internet geisternde Meldung über einen bevorstehenden Weltuntergang, den die Regierung angeblich verheimlicht, lassen ihn nun an Gott zweifeln. Also fordert er Gott heraus. Er ermordet besonders hilfsbereite Menschen. Wenn es wirklich einen Gott gibt, wird der ihn stoppen.

Die Mörder sind unter uns

In jeden der drei Teile ist so ein mörderischer Mensch eingebaut und damit eine osmotische Dramaturgie implantiert: Mordermittlung, Fahnder in der Gefangenschaft gegenseitigen Misstrauens, zugleich bedrängt von interner Ermittlung und familiärem Stress, von mordlustigem Geheimdienst und einer Sonne, die nicht nur wärmen will.

Action, Thriller, Apokalypse – ist das nicht ein bisschen viel, zu viel für drei Mal 103 Minuten? Ist es. „Hard Sun“ ist nicht schlecht/nicht gut für eine sinnstiftende wie spannende Verarbeitung ihrer Aspekte. Rauh, neon-beleuchtet, zutiefst gewalttätig und blutrot, wie man es von Neil Cross erwarten kann. Mehr überzogener Comic als feinporiges Erzählfernsehen, massig Substanzen und massiver Mangel an Substanz.

Der große Bogen, wie ihn der drohende Weltuntergang spannt, wird zu oft durchschossen von Family-Business, Bullen-Klein-Klein und einer MI-5-Domina. Die große Bedrohung bleibt eine Behauptung, Cross' Serie gelingt im Kern nur eine flackernde Jagd-um-Leben-und-Tod-Abhandlung. Wer sich an Unwahrscheinlichem, Unglaubwürdigem, Unglaublichem berauschen will, der kann hier Vollgas genießen. Weniger Exzesse und mehr Nachdenklichkeit, das wäre ein Gewinn, Antworten auf die Frage, ob sich der Einzelne, verhärtet durch die Gewissheit seiner nahen Endlichkeit, auf Wesentliches und nicht auf Alltägliches konzentrieren würde. Da wäre Trost zu finden. Eine Ahnung davon gibt es. Renko und Hicks, kompromittiert und moralisch fragwürdig, lassen sich auf harte Proben stellen für Menschen, die sie lieben.

Eine Ebene drunter ist was zu haben: Familiendrama, Cop-Show und Sci-Fi. Von den drei Regisseuren Brian Kirk, Nick Rowland und Richard Senior ins Spektakel übersetzt, von Agyness Deyn, Jim Sturgess und Nikki Amuka-Bird in format- und figurengerechtes Schauspiel übersetzt. Mehr fremde als nahe Menschen, mehr Plaste und Elaste, überagierend wie die Serie hyperventilierend.

David Bowie, „Five Years“: „We've got five years, what a surprise. We've got five years, my brain hurts a lot. We've got five years, that's all we've got.“ „Hard Sun“ hat diese Botschaft nicht.

„Hard Sun“, ZDF,, Montag ,22 Uhr 15, 22. April, 22 Uhr, 23. April, 22 Uhr 15

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