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Karl Kress (Manfred Zapatka, l.) und sein Sohn Mark (Kai Wiesinger) auf dem Weg zum Gipfel.

© ZDF

ZDF-Montagsfilm: Bergauf und bergab

Das ZDF ist mit seinen Montagsfilmen höchst erfolgreich. Zu Pfingsten hat sich Niki Stein besonders viel vorgenommen. Doch diesmal verhebt sich der Sender am Alpendrama „Der Tote im Eis“.

Einsame Bergwelten und tödliche Dramen scheinen im Fernsehen genauso eng zusammenzuhängen wie das Rotlichtmilieu und die organisierte Kriminalität. „Mord in den Bergen“ oder „Tod am Engelstein“ heißen die Filme oder jetzt am Pfingstmontag „Der Tote im Eis“. Es geht um eine brisante Familienaufstellung in den Alpen und schon die ersten Szenen machen deutlich: Hier dreht es sich um gefährliche Gratwanderungen, finstere Abgründe und verschüttete Erinnerungen.

Der alte Firmenpatriarch Karl Kress (Manfred Zapatka) will die letzten Dinge ordnen und lässt seinen Sohn Mark (lustig blondiert: Kai Wiesinger), das schwarze Schaf der Familie, und seinen Schwiegersohn Gregor (Benjamin Sadler), der zusammen mit Tochter Verena (Aglaia Szyskowitz) das väterliche Unternehmen leitet, auf das edle Familienchalet in die Tiroler Alpen mit dem Hubschrauber einfliegen. Mark bringt eine junge Frau mit, Cecilia (Marie Rönnebeck), die er zwei Wochen zuvor geheiratet hat und die von ihm schwanger ist. Was sie wiederum noch nicht weiß, ist, dass ihr Mann vor 20 Jahren bei einer Bergtour seinen Bruder verloren hat, der seither als verschollen gilt. Der Vater will noch einmal die Tour abgehen, um sich von dem Toten, der sein Lieblingssohn war, zu verabschieden.

Bereits am ersten Abend werden sämtliche Konfliktlinien zwischen den Anwesenden aufgerissen, so dass sich am nächsten Tag eine spannungsgeladene Gruppe auf den Weg zum Gipfel macht. Ein ungeklärter Todesfall, eine Abrechnung zwischen Vater und Sohn, ein eifersüchtiger Zweikampf zwischen Sohn und Schwiegersohn und die ersten Verletzungen, die sich ein junges Paar zufügt, wären mehr als genug für ein abendfüllendes Alpendrama. Doch das Drehbuch des renommierten „Tatort“-Regisseurs Niki Stein, der hier auch Regie führte, wartet noch mit weiteren Bedrohungsszenarien und Enthüllungen auf. Die väterliche Kress AG ist in einen Bestechungsskandal verwickelt und wird von einem Ministerialdirektor (Ulrich Tukur) deswegen erpresst. Als jovialer Karrierist pflügt sich Tukur durch das Familiengewirr und wiederholt durch einen merkwürdig motivationslosen Übergriff das Trauma aus Verenas Jugendzeit. Die ist inzwischen auch auf der Hütte angelangt, um Klarheit über den Firmenskandal zu bekommen. Verena hasst die Berge, denn nicht nur der Bruder ist hier verschwunden, sondern auch die Mutter bei einem Autounfall umgekommen.

Irgendwer blickt immer sorgenvoll zum Gipfel

Die vielen Auseinandersetzungen korrespondieren mit einem ständigen Hin- und Hergerenne. Es geht zu dramatischer Musikuntermalung den Berg hinauf und hinunter. Irgendwer blickt immer gerade sorgenvoll zum Gipfel oder eiert mit einem Rollkoffer über die Wanderwege. Spätestens beim abstrusen Schluss fährt die Geschichte vollends an die Steilwand.

Manchmal sehen die Figuren so aus, als wären sie selbst von den vielen Drehbuchwendungen überrascht. Das hochkarätige Schauspielerensemble arbeitet sich brav an Themen wie Wahrheit, Lüge und Verrat ab. Doch keinem gelingt es, den Handlungen eine innere Notwendigkeit zu verleihen. Auch Sätze wie „Ich glaube, der Tod seines Bruders hat ihn ziemlich mitgenommen“ oder „Eine halbe Million und sie sehen mich nie wieder“ zeugen nicht von großer Gedankentiefe.

Erstaunlich, dass jemand wie Niki Stein, der mit „Rommel“ oder dem Scientologyfilm „Bis nichts mehr bleibt“ für Furore sorgte, sich hier an den großen Gefühlen verhebt. Wollte man in der Bergmetaphorik bleiben, könnte man sagen, dass hier jemand mit zu viel Gepäck losgezogen ist. Erstaunlich auch, dass der zumeist sehr gute ZDF-Fernsehfilm der Woche hier einen solchen Ausreißer hat. Mit 120 Minuten ist das „TV-Event“ auch noch eine halbe Stunde länger als sonst. Die fünf bis sechs Millionen Zuschauer, die den Montagsfilm im Durchschnitt sehen, wird „Der Tote im Eis“ sicherlich dennoch erreichen. Simone Schellhammer

„Der Tote im Eis“, ZDF, Montag um 20 Uhr 15

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