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Will eigentlich ein neues Leben beginnen. Der Polizist Martin Manz (Albrecht Schuch) hat etwas zu verbergen.

© ZDF und Marco Nagel

ZDF-Psycho-Krimi mit Albrecht Schuch: Der Böse

Wem folgt er, wem vertraut er? Der ZDF-Krimi „Der Polizist und das Mädchen“ schickt den Zuschauer in einen Gewissenskonflikt.

Ab der ersten Kamera-Einstellung liegt da ein spürbarer Druck unter den Bildern. Der junge Mann macht das Scheunentor auf, deckt den beschädigten Wagen darin ab, macht das Scheunentor zu und geht auf dem Hof, zum Vater, der vor dem Fernseher eingeschlafen ist und sich alte Hörspiele vom Sohn anhört. Der Sohn geht ins Bad, wäscht und schrubbt sich die verschmutzten Hände. Dann blickt er auf in den Spiegel über dem Waschbecken. Verhärtet, streng, gehetzt.

Es ist das Gesicht des Dorfpolizisten Martin Manz (Albrecht Schuch). Später, viel später, wenn Manz einen Menschen umgebracht haben wird, steht er wieder an dieser Stelle im Bad des Vaters, und der Vater, Klaus Manz (Friedrich von Thun), ist nebenan wieder eingeschlafen mit den Hörspielen, und wieder schrubbt und wäscht sich Martin seine Hände, um all die Schuld, mit der er sich mehr und mehr belädt, abzuwaschen.

Wie er das nur aushält, fragt sich der Zuschauer, der bald schon weiß, dass der Täter, nach dem das ganze bayerische Dorf sucht, der Polizist ist. Jener Polizist zugleich der einzige vor Ort, der die Ermittlungen leitet. Beliebt ist er im Dorf, ist ehrenamtlich im Handballverein aktiv, hat eine junge, schöne Frau, Anja Manz (Aylin Tezel), die hochschwanger ist, kümmert sich um den nörgelnden Vater, und ist der beste Freund von Frank Eberhardt (Johannes Allmayer). Franks Tochter Miriam wurde am Waldrand überfahren. Nur Polizist Manz kennt den Täter, der Fahrerflucht beging: er ist es selbst.

Einen „Heimat Noir“ nennt Drehbuchautor Frédéric Hambalek den Stoff, den Rainer Kaufmann gekonnt in Szene gesetzt und Kameramann Armin Golisano in atmosphärisch beklemmenden Bildern fotografiert hat. Tatsächlich ist „Der Polizist und das Mädchen“ ein farbiger, moderner Film Noir, der auf dem Land spielt, im Hier und Heute. Ein Film, der von hoher Suggestionskraft ist und von einem seltenen Manipulationspotenzial.

Das ersehnte Glück könnte perfekt sein

Recht schnell gerät der Zuschauer in einen Gewissenskonflikt: wem folgt er, wem vertraut er? Entwickelt er Sympathie für einen, der ein Mädchen umfährt? Schließlich ist Manz gerade dabei, sich mit seiner zweiten Frau ein neues Leben aufzubauen, stehen sie gemeinsam vor der Entscheidung, ein Haus zu kaufen, und kommt schließlich das Kind zur Welt. Es ist, ausgerechnet, wie bei seinem guten Freund Frank, ein Mädchen. Das ersehnte Glück könnte perfekt sein.

Alfred Hitchcock hat die Manipulation seines Publikums geliebt und formvollendet perfektioniert: In „Psycho“ etwa wird Janet Leigh nach einer Dreiviertelstunde unter der Dusche umgebracht, sodass der hilflose Zuschauer, seiner Protagonistin beraubt, tatsächlich Sympathien mit Anthony Perkins entwickelt und diesem fortan folgt.

Nicht ganz unähnlich ist das Prinzip hier. Von Beginn an ist klar, dass der vermeintlich Gute, der Polizist, der für Ruhe und Ordnung sorgt und sich überall positiv einbringt, der Täter ist, nach gesellschaftlicher und moralischer Norm also „der Böse“. Doch genau der ist es, der den Zuschauer letztlich an die Hand nimmt und durch diesen Heimat Film Noir führt. Im Subtext der Bilder werden die Dinge austariert zwischen Schuld und Sühne, Reue und schlechtem Gewissen, zwischen Egoismus und Altruismus. Der Zuschauer steckt in der Bredouille, in einem veritablen Dilemma. Zumal: das Ende ist offen.

Es bleibt dem Zuschauer überlassen, zu entscheiden. Mit „Der Polizist und das Mädchen“ ist ein kleines Meisterstück des zeitgenössischen deutschen Fernsehfilms gelungen.

„Der Polizist und das Mädchen“, Montag, ZDF, 20 Uhr 15

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