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Zweifeln an Medien? Ein Radiofeature über den Machtverlust des Journalismus, zu finden in der ARD Audiothek.

© WDR/picture alliance/dpa/AP/Andr

Zehn Jahre „ARD Radiofeature“: Bolero, Nazis, Fake News

Wenn Judith Rakers aus der Maske kommt: Das „ARD Radiofeature“ feiert Jubiläum und hinterfragt dabei auch die Rolle des Journalisten.

Was hat Ravels Bolero mit Fake News zu tun? Was eine Putzfrau morgens früh um vier Uhr in Hamburg-Lokstedt mit Sprecherin Judith Rakers, die gleich aus der Maske kommt? Es geht um das Thema „Der Wahrheit verpflichtet – Ein Feature über den Machtverlust des Journalismus“.

Autor Tom Schimmeck hat für die Eröffnung seines Radiofeatures die News-„Nachtwache der Nation“ ausgesucht, die Redaktionsräume von „Tagesschau“ & Co. Viel Atmo, beschwingte Musik, zwei Redakteure, die den PC anschmeißen, die Stimme von ARD-aktuell-Chef Marcus Bornheim, der von „großer Verantwortung“ und „objektiven Wahrheiten“ spricht.

Es ist ein geschmeidiger Zugang zu einem hehren Thema, welches den gesellschaftspolitischen Diskurs der vergangenen Monate und Jahre bestimmte – und der Start zum zehnten Geburtstag des „ARD Radiofeatures.“

Radiofeature – das ist ja nicht unbedingt das, was Gelegenheitshörer mit dem Radio verbinden. Kein Bericht, kein Hörspiel, keine Reportage, ein nicht-fiktionales Hörfunk-Genre, ein eigenständiges Stilelement, dem nicht nur wegen der Länge (zwischen 50 und 60 Minuten) öfters der Ruf vorauseilt, recht schwer konsumierbar zu sein.

„Wir können nicht bestätigen, dass ein Radiofeature Hör- und Rezeptionsgewohnheiten widerstrebt“, sagt Dorothea Runge, fürs „ARD-Radiofeature“ verantwortliche Redakteurin beim WDR. Der Podcast-Boom der letzten Jahre zeige das Gegenteil. „Vor allem lange Stücke, auch Features, werden gern gehört und aus den Mediatheken abgerufen.“

Die ARD Audiothek habe gezeigt, dass lange Formen häufiger abgerufen werden als kurze. In dieser steht auch die Arbeit von Tom Schimmeck, die zudem auf diversen Sendern wie WDR5 linear ausgestrahlt wird.

Sehr aufwändige Arbeit der Recherche

Zu den aktuellen Beiträgen hat die ARD ein „Best-of“ aus dem vergangenen Jahrzehnt in die Audiothek gestellt, darunter Radiofeatures zu den Themen „Nazi-Netzwerk NSU“ (BR) oder „Inside Al-Qaida“ (SWR).

Qualitätsjournalismus, der dem widersteht, was man öffentlich-rechtlichem Rundfunk in Legitimationsdebatten immer wieder vorwirft: Beliebigkeit, Seichtheit.

Das „ARD Radiofeature“ ist ein Gemeinschaftsprojekt von sieben Landesrundfunkanstalten, ein Modell, Autoren für ihre oft sehr aufwändige Arbeit der Recherche finanziell gut auszustatten und gleichzeitig Synergien zu schaffen, sagt Runge.

Dass nur neun „ARD radiofeatures“ pro Jahr gesendet werden, habe auch mit anderen Programmangeboten zu tun, zum Beispiel dem ARD Radiofestival der Kulturwellen im Sommer.

Die Themen haben sich über die Jahre nicht grundsätzlich geändert. „Von Anfang an wollten wir zeigen, was hinter bestimmten Phänomenen steckt, die Einfluss haben auf Politik und Gesellschaft in Deutschland und/oder die EU“, so Runge.

Das Themenspektrum reiche von Korruption, Flüchtlingsproblematik, Terrorismus, Recherchen aus Kriegs- und Krisengebieten wie Mali oder Syrien, über wirtschafts- und sozialpolitische Fragen wie moderne Sklaverei in Deutschland und Europa, bis hin zur Übertherapie am Lebensende.

Was sich durch Angriffe auf öffentlich-rechtliche Sender und die Unterstellung von Fake-News verändert habe, ist, „dass wir unsere Rolle als Journalisten noch stärker hinterfragen, dass wir unsere Glaubwürdigkeit dadurch versuchen zu unterstreichen, dass wir in den Features oft die Recherche mit zum Thema machen.“

Manche Themen blieben erhalten: Terror, Zeugenschutz, Flüchtlingsproblematik, auch in den Jubiläums-Radiofeatures. Nach Schimmecks Journalisten-Stück analysiert Marc Thörner in „Assads neues syrisches Reich – Über Gläubige, Märtyrer und Nazis“ den Pakt Assads mit einer Partei, die im deutschen Nationalsozialismus verwurzelt ist (ab 26. Februar). Bei dem Stück würde der Bolero Hörer auch überraschen.

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