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Mediengigant Rupert Murdoch mit einem Exemplar der "Sun".

© dpa

Zeitung: Familienspaß und Ethik

„Lasst uns den Neuanfang wagen“: Rupert Murdoch trommelt seine Redakteure zusammen und geht, nach dem Abhörskandal bei seiner "News of the World", mit der Sonntagsausgabe der „Sun“ wieder in die Offensive.

Mit dem Blitzstart einer Sonntagsausgabe der „Sun“ nahm der 81-jährige australische Medienmogul Rupert Murdoch am Sonntag den Überlebenskampf um sein britisches Zeitungsimperium auf. Medienberichten zufolge ist das ein Befreiungsschlag, um neuen Entwicklungen im britischen Medienskandal zuvorzukommen. Fünf „Sun“-Journalisten wurden in den vergangenen Wochen wegen möglicher Beamtenbestechung verhaftet. Diese Woche beginnt die Levenson Kommission, die Großbritanniens Presse und ihre ethischen Grundlagen untersucht, mit Anhörungen zum Verhältnis zwischen Presse und Polizei. Nach einem Bericht des „Independent“ hat Murdoch den Zeitungsstart vorgezogen, weil neue Enthüllungen ihn später unmöglich machen könnten.

Die Sonntagsausgabe der „Sun“ kam mit einer Druckauflage von drei Millionen Exemplaren und einem Kampfpreis von nur 50 Pence (60 Cents) an die Kioske – drei andere Sonntags-Tabloids senkten ebenfalls den Preis. Eine Millionen Pfund teure Werbekampagne versprach: „In Großbritannien ist nun jeder Tag ein Sonnen („sun“)-Tag“. In der Titelstory „Mein Herz hörte 40 Sekunden auf zu schlagen“ geht es um die dramatische Entbindung des TV-Stars Amanda Holden. Die neue „Sun on Sunday“ steuert einen familiennahen Kurs und will besonders für Frauen attraktiv sein. Im Portfolio von Murdochs Zeitungsverlag News International soll die neue Zeitung die Lücke schließen, die durch die Schließung der lukrativen Sonntagszeitung „News of the World“ („NotW“) gerissen wurde. Murdoch sah sich dazu wegen der Enthüllungen von illegalen Lauschattacken der Zeitung auf Politiker, Prominente und private Opfer von Verbrechen gezwungen.

Ein Leitartikel der „Sun on Sunday“ macht klar, dass die neue Zeitung weniger als Nachfolgerin der „NotW“ gedacht sei, sondern den „Sun“-Rezepten folge. Die Zeitung werde „furchtlos, unverblümt, verschmitzt und spaßig bleiben“. Als zusätzliches Ingredienz wird ethischer Journalismus versprochen. „Unsere Journalisten halten sich an den Kodex des Presserates und die Geschäftsstandards, die für News International gelten.“ In der 120 Seiten starken Zeitung kommen neue Promi-Kommentatoren zu Wort. Der Erzbischof von York, John Sentamu, läutet mit der Schlagzeile „Lasst uns den Neuanfang wagen“ die Fastenzeit ein. Ein Drittel ist dem Sport und Promi-Geschichten um Stars wie David Beckham gewidmet. Die Kolumnistin Katie Price, Fotomodell und Unternehmerin, empfiehlt: „Kids brauchen Liebe, nicht exklusive Schulen“. In der einzigen politischen Geschichte geht es um britische Vorbereitungen für einen von Generälen als „unvermeidlich“ bezeichneten Krieg gegen den Iran.

Die Empörung über dubiose Praktiken weicht der Sorge um das Überleben der Zeitungen

Murdoch stellt sich mit dem Launch schützend vor die Zeitung, mit der vor 43 Jahren seine internationale Unternehmerkarriere begann. Eigenhändig entwarf er Layouts und regte Themen an. Er versprach der Redaktion auch die Wiedereinstellung von – nach Polizeiermittlungen – suspendierten „Sun“-Journalisten und will ihre Gerichtskosten bezahlen. Sogar der „Guardian“, dessen hartnäckiger Journalismus zur Wiederaufnahme von Polizeiermittlungen gegen Murdoch-Journalisten und der Schließung der „News of the World“ führte, lobte Murdoch: Der „Erzzauberer der Druckmedien“ überrasche seine Kritiker, motiviere seine Redakteure und verblüffe die Konkurrenz mit Schnelligkeit und Wagemut.

In Großbritannien ist die Phase der Empörung über dubiose Praktiken der Zeitungen nun der Sorge um die Presse und ihre Freiheit gewichen. In Murdoch sieht man sogar einen Verteidiger bester Zeitungstraditionen. Zeitungsmacher und Medienkommentatoren fürchten, dass die britische Presse ähnlich wie in Frankreich unter eine gesetzliche und damit auch politische Aufsicht gestellt werden könnte.

Sogar Bildungsminister Michael Gove, ein ehemaliger Journalist, warnte in einer Rede ausdrücklich vor der „fröstelnden Atmosphäre“, die von der Leveson-Untersuchung ausgehe. Die Krise der „Sun“ bedroht die britische Zeitungslandschaft ganz unmittelbar. Murdochs News International gibt auch die „Times“ und die „Sunday Times“ heraus. Diese defizitären Zeitungen sind zum Überleben auf die Gewinne der „Sun“ und einer starken Sonntagszeitung angewiesen.

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