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Zeitungskrise: Epidemie im Blätterwald

Zeitungskrise in den USA: Große Zeitungen wie die "New York Times" oder "Washington Post" sind zu harten Einschnitten gezwungen, einige Regionalblätter verschwinden komplett ins Netz. San Francisco könnte bald die erste Großstadt ohne gedruckte Zeitung sein.

Am Freitag war die letzte Chance, den „Christian Science Monitor“ noch einmal in die Hände zu nehmen. Die kleine, aber feine Zeitung aus Boston stellte im 101. Jahr ihres Erscheinens ihre gedruckte Ausgabe ein. Doch die Redaktion arbeitet weiter – ausschließlich fürs Internet. Der „Monitor“, ist nur ein Beispiel in einer langen Reihe von Sterbefällen, die die amerikanische Zeitungsindustrie zurzeit heimsucht. Vor zwei Wochen schloss „The Seattle Post Intelligencer“ die Tore, Ende Februar ereilte „The Rocky Mountain News“ in Denver dasselbe Schicksal. Ein Ende der Epidemie ist nicht in Sicht.

Noch gibt es in jeder größeren amerikanischen Stadt eine gedruckte Tageszeitungen, aber das kann sich schnell ändern. Wetten besagen, dass es San Francisco als Erstes treffen wird. Dort sucht der Herausgeber des „Chronicle“ händeringend nach einem Käufer. Allerdings sind die in der aktuellen Rezession schwierig zu finden.

Die Anzeigenerlöse der US-Blätter schrumpfen ebenso wie die verkauften Auflagen. Zwar erwirtschaftet die Mehrzahl der Verlage noch zweistellige Gewinne, gleichzeitig sind viele aber stark überschuldet. In dieser Situation hilft auch die Konzentration auf das Internet wenig. Dort sanken ebenfalls die Anzeigenerlöse und machen weiter weniger als zehn Prozent der Gesamterlöse aus. Die Medienwissenschaftler des PEW-Instituts schlussfolgern: „Sich ganz auf eine Digitalausgabe zu konzentrieren, wird sich in absehbarer Zeit kaum weit verbreiten, die Rechnung geht einfach nicht auf.“

Längst sind nicht nur die kleinen Zeitungen von der Krise betroffen. Die „New York Times“ musste 2008 erstmals in ihrer 158-jährigen Geschichte Redakteure entlassen. Seitdem hat sich die Lage nicht gebessert. Die 2007 errichtete Zentralredaktion im Herzen Manhattans verkaufte sie, um Schulden abzustottern und wohnt dort nun zur Miete. Der mexikanische Milliardär Carlos Slim lieh der Zeitung 250 Millionen Dollar zum stattlichen Zinssatz von 14 Prozent. Trotzdem strich die „NYT“ im ersten Quartal dieses Jahres die Dividende, schrumpfte den Umfang der Zeitung ein, rang ihren leitenden Redakteuren eine fünfprozentige Gehaltskürzung ab und kündigte weitere 100 Entlassungen an.

Die Gewinne der Konkurrentin „Washington Post“ fielen im letzten Quartal 2008 um 77 Prozent. Rupert Murdoch, der 2007 das „Wall Street Journal“ seinem News Corp.-Konzern einverleibte, musste seitdem in seiner Zeitungssparte drei Milliarden Dollar abschreiben. Das PEW-Institut schätzt, dass 2008 zehn Prozent der Redakteursstellen bei US-Tageszeitungen wegfielen, rund 5000. Die Webseite „Paper Cuts“, die den rapiden Niedergang der Branche verfolgt, kommt auf fast 15 000 verlorene Arbeitsplätze.

Wie die Wende gelingen kann, weiß niemand. Eine Idee sind „Micro payments“, mit denen Lesern im Netz Centbeträge für die Nutzung einzelner Artikel zahlen könnten. Ein demokratischer Senator in Washington brachte derweil einen Gesetzentwurf ein, der aus Zeitungsverlagen Non-Profit-Organisationen machen soll, die der Staat dann steuerlich begünstigt. Bislang konnte er nicht einen einzigen Kollegen für seine Idee gewinnen. Matthias B. Krause, New York

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