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ZENSUR WAR GESTERN: Kontrolle 2.0

Chinas Regierung sucht die Berichterstattung der Medien weniger zu verhindern als zu lenken

Die Pressereise startete bereits am ersten Tag nach den Unruhen in Urumqi. Auf Einladung der chinesischen Regierung brachen Journalisten von rund 60 Medien aus Peking in die Hauptstadt der westchinesischen Provinz Xinjiang auf. Dort wohnten sie im besten Hotel der Stadt, erhielten Sonderakkreditierungen und arbeiteten in einem eigens eingerichteten Pressezentrum, dem einzigen Ort der Stadt, an dem das Internet noch nicht abgeschaltet war. Ist das noch das China der Zensur und Medienbehinderung?

„Sie sind raffinierter geworden im Umgang mit der in- und ausländischen Krisenberichterstattung“, sagt Rebecca MacKinnon, Journalistik-Professorin an der Universität Hongkong, der Agentur AP, „jetzt gibt es den Versuch, den Standpunkt der Regierung rüberzubringen.“ Statt Berichterstattung zu verhindern, versucht die chinesische Regierung nun, sie aktiv zu beeinflussen und zu lenken.

Nach den tödlichen Unruhen in Tibet im März 2008 hatte die chinesische Regierung noch ein striktes Einreiseverbot für Journalisten verhängt. Mit der Folge, dass die ausländischen Medien verstärkt auf Informationen der exiltibetischen Organisationen angewiesen waren. Die Reiseerlaubnis für Xinjiang erklärte die chinesische Regierung damit, „den Auslandsmedien zu helfen, objektiver, fairer und freundlicher zu berichten“.

Ausdruck einer neuen Offenheit und Transparenz ist diese neue Medienpolitik allerdings nicht. Der Klub der Auslandskorrespondenten in China (FCCC) dokumentiert auf seiner Internetseite vier Fälle, in denen Journalisten seit den Unruhen bei ihrer Berichterstattung aus Xinjiang behindert und bedroht worden sind. Zuletzt ist die AP-Fotografin Elizabeth Dalziel in Kashgar festgenommen und zur Abreise gezwungen worden, nachdem sie einen Konvoi fotografiert hatte, der in die Stadt im äußersten Westen Xinjiangs einfuhr. Am Samstag wandte sich der FCCC an die Öffentlichkeit: „Während es der Klub der Auslandskorrespondenten in China begrüßt, dass Journalisten aus Urumqi berichten dürfen, ist er besorgt über die wachsende Zahl von Reportern, die bei dem Versuch, ihren Berufs auszuüben, verhaftet worden sind.“

„Kontrolle 2.0“ nennt David Bandurski vom China-Medien-Projekt der Universität Hongkong diese neue, aktivere Lenkung der öffentlichen Meinung bei Krisenereignissen durch die chinesische Regierung. Auch einige andere kritische Vorfälle wie zuletzt in Shishou sind von den staatlich kontrollierten chinesischen Medien berichtet worden. In einem Editorial der „Volkszeitung“ hatte Staatschef Hu Jintao im Juni 2008 die Umrisse einer neuen Medienpolitik im Zeitalter des Internets skizziert. Kanalisierung lautet nun das neue Stichwort der Medienpolitik. „Der Unterschied bei Kontrolle 2.0 ist, dass sich die Partei von einer defensiven Position als passiver Kontrolleur und Zensor zu einer aktiveren Position bewegt“, schreibt Bandurski, „sie ist jetzt in der Offensive.“

Für die Auslandsjournalisten ist es trotzdem ein Fortschritt. Bei der offiziellen Reise nach Urumqi gab es zwar Versuche, Interviews und Fotoaufnahmen uigurischer Proteste zu verhindern. „Ich habe zahlreiche Vorfälle gesehen, bei denen die Polizei die Fernsehcrews davon abhalten wollte zu filmen“, berichtet ein asiatischer Reporter auf der Internetseite des FCCC, „doch obwohl die Journalisten und Kameramänner sie wiederholt ignoriert haben, sind die Beamten freundlich geblieben.“ Benedikt Voigt

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