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Jan Hofer, Chefsprecher der „Tagesschau“, stellte den Exkollegen öffentlich bloß.

© dpa

Medien: Zickenkrieg der Diven

Marc Bator und Jan Hofer bezichtigen sich gegenseitig der Lüge – das kann ihnen und der „Tagesschau“ nur schaden.

Marc Bator kann die Aufregung gut gebrauchen. Möglicherweise steigert sein Streit mit Jan Hofer die Aufmerksamkeit für seine aktuelle, seine neue Aufgabe. Der frühere „Tagesschau“-Sprecher Bator präsentiert seit 10. Mai die „Sat-1Nachrichten“. Er hat die Position von Peter Limbourg übernommen, nachdem dieser zum Intendanten der Deutschen Welle gewählt worden war. Im Vergleich mit Limbourg sieht Bator schlecht aus. Seit 10. Mai hat die Newssendung des Privatsenders – sie startet um 19 Uhr 55 und damit fünf Minuten früher als die „Tagesschau“ in der ARD – durchschnittlich 1,55 Millionen Zuschauer erreicht. Mit Anchorman Peter Limbourg konnten die „Sat-1-Nachrichten“ bis zu Bators Start und seit Jahresbeginn 1,92 Millionen Zuschauer für sich gewinnen. Das ist ein sehr deutlicher Verlust, selbst wenn angemerkt werden muss, dass Limbourgs Werte teilweise den Ausstrahlungsterminen in den zuschauerstärkeren Wintermonaten geschuldet ist; allerdings liegt der frühere „Anchor“ auch beim Marktanteil vor Marc Bator. Wenn es das Kalkül von Sat 1 und seines Neuzugangs gewesen ist, den Bekanntheitsgrad des „Tagesschau“-Sprechers auf die Newssendung des Privatsenders zu übertragen – dann ist diese Spekulation nicht aufgegangen. Es gibt noch keinen „Marc-Bator-Effekt“ zu vermelden.

Erstaunlich an dem „Zickenkrieg“ zwischen dem Exsprecher und dem Chefsprecher Jan Hofer ist doch, dass sich Hofer darauf überhaupt eingelassen hat. Die „Tagesschau“ reklamiert seit Jahresbeginn durchschnittlich fünf Millionen Zuschauer, nimmt man die parallelen Ausstrahlungen in den Dritten Programmen, bei Phoenix und 3sat hinzu, sind es 9,09 Millionen Menschen, die sich um 20 Uhr über das nationale und das Weltgeschehen informieren lassen. Eine solche Zahl, ein derartiger Abstand zu den „Sat-1-Nachrichten“ müsste Hofer cool bleiben lassen.

Wollte er aber nicht. Die Klage von Marc Bator, er habe sich bei seinem letzten Auftritt in der „Tagesschau“ Ende April nicht von den Zuschauern verabschieden dürfen, hat Hofer in dem Stars-und-Sternchen-Magazin „Closer“ scharf gekontert. „Über Marc Bator habe ich mich sehr geärgert, weil er gelogen hat.“ Caren Miosga habe Bators Verabschiedung in den „Tagesthemen“ am selben Abend toll moderiert. „Dass er dabei keinen vernünftigen Satz rausgebracht hat, ist wohl kaum unsere Schuld. Dann stellt er sich anschließend hin und behauptet, wir hätten ihm in der 20-Uhr-Sendung davor seine Abschiedsworte verwehrt, und das war wissentlich falsch, also eine Lüge.“

Marc Bator reagierte prompt: „Ich kann viel Kritik vertragen, aber der Lüge lasse ich mich nicht bezichtigen. Ich bin an meinem letzten Tag von unserem Chef vom Dienst angewiesen worden, auf Wunsch des Senders jegliche Abschiedsworte zu unterlassen. Wenn Jan Hofer jetzt etwas anderes behauptet, dann ist er der Lügner, nicht ich“, sagte Bator der „Bild“-Zeitung. Und dann das: „Jan Hofer ist nicht nur ein Lügner, sondern auch ein Heuchler! Er hat mir damals zum Senderwechsel gratuliert und gesagt, dass er meine Entscheidung total versteht. Und jetzt tritt er fies nach.“

Nachrichtensprecher sollten sich besser nicht der Lüge bezichtigen, sie leben ja davon, dass sie in ihren Sendungen die Wahrheit und nichts als die Wahrheit transportieren. Aus dem Image der Glaubwürdigkeit erwachsen der eigene und der Ruf der Sendungen. Das haben Bator und Hofer mal eben vergessen. Unklar, ob Marc Bator über den Sturm in seinem Wasserglas Tantiemen für die „Sat-1-Nachrichten“ erlösen kann. Der Journalist sollte sich mal an seine ruhigen Jahre bei der „Tagesschau“ erinnern und am Erfolg von „RTL aktuell“ orientieren. Die Nachrichten des mit Sat 1 konkurrierenden Privatsenders werden durchschnittlich von 3,62 Millionen Zuschauern eingeschaltet, auch deswegen, weil der durch und durch seriöse Peter Kloeppel für sie einsteht.

Insofern ist der Ratschlag von Jo Brauner, Ex-Chefsprecher der „Tagesschau“, nur richtig: „Die beiden sollten sich vertragen. Solche Streitigkeiten gehören nicht in die Öffentlichkeit.“ Wenn schmutzige Wäsche gewaschen werde, bleibe immer auch etwas an der „Tagesschau“ hängen.

Die zuschauerstärkste Nachrichtensendung wird offiziell seit dem 26. Dezember 1952 ausgestrahlt. Ihre Liturgie ist über die Jahrzehnte beinahe unverändert, dito das Prinzip der Nachrichtenverlesung durch professionelle Sprecherinnen und Sprecher; jeder Kritik wie zuletzt durch „heute-journal“-Mann Claus Kleber, dass die Nachrichten endlich moderiert und damit eingeordnet werden sollten, halten die Verantwortlichen von ARD-aktuell die stabilen hohen Quoten entgegen.

Die Vorleserinnen und Vorleser der Nation sind sehr bekannt, vielleicht sogar Stars, was den freien festen Mitarbeitern lukrative Nebenverdienste eröffnet. Weil die Aufgabe darin besteht, unauffällig, unaufgeregt und weit hinter den Nachrichten zurückzustehen, sind irgendwelche Auffälligkeiten sogleich Sensationen und Skandale. Dabei ist über mehr als sechs Jahrzehnte so gut wie nichts passiert.

Karl-Heinz Köpcke kam mal mit einem Schnauzbart aus dem Urlaub zurück, einmal raschelte er laut mit den Zetteln, Dagmar Berghoff ließ sich in Strapsen fotografieren, Wilhelm Wieben und Werner Veigel bekannten sich freimütig zu ihrer Homosexualität, Jens Riewa pries den Schlagerstar Michelle als „Bett-Granate“.

Sie alle taten gut daran, sich einzugestehen, dass die Prominenz eng mit der „Tagesschau“-Präsenz verzahnt ist. Susan Stahnke übertrat diese Regel. Sie meinte, dass sie statt in Hamburg in Hollywood zu Ruhm und Reichtum kommen sollte. Das klappte nicht. Sie kam in den „Playboy“, zur Darmspiegelung und ins „Dschungelcamp“. Welch eine Mahnung.

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