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Zu meinem ÄRGER: Sozial-Pornos im Privatfernsehen

Thomas Leif resümiert die Medienwoche.

Herr Leif, worüber haben Sie sich in dieser Woche in den Medien am meisten geärgert?

Eine besonders perfide Art von Quotenbeschaffungs-Kriminalität liefert die tägliche (!) RTL-Nachmittagsleiste. Unter dem Tarnnamen einer „Doku-Soap“ werden „Familien im Brennpunkt“ gnadenlos vorgeführt und die menschliche Verrohung zum Programm-Prinzip erhoben. Die „Scripted-Reality-Macher“ dieser „Sozial-Pornos“ legen ihren Protagonisten die brachialen Dialoge in den Mund, verpacken das Ganze aber im „echten Look“ der klassischen Dokumentation. Wenn es Kontroll-Gremien für diese Art von „Privatfernsehen“ gäbe, müssten sich die kommerziellen Warlords mit dieser einmaligen Form von TV-Verwahrlosung beschäftigen. Sie reden aber lieber sonntags über den „Werteverlust“, den sie werktags kultivieren.

Gab es auch etwas, worüber Sie sich freuen konnten?

„Capriccio“, das Kulturmagazin des Bayerischen Rundfunks, zeigt jeden Donnerstagabend hochkarätiges Hochglanz-Fernsehen, das selbst die Grimme-Juroren übersehen. Präzise Autorenhandschriften, professionelle Kameraleistung und kompetente Themenauswahl sind die Kennziffern für den Münchner Qualitäts-Leuchtturm. Im Kontrast zu den Konkurrenten fällt auf, dass sich die Macher von den Einflüsterungen der Marketingabteilungen der Kulturindustrie freimachen und eigene Programm-Akzente setzen. Intendanten und Direktoren suchen ja immer nach einer „benchmark“ für erstklassigen Magazin-Journalismus. Bei „Capriccio“ sind sie an der richtigen Adresse. Und – natürlich Freitagabend – die „heute show“ mit Oliver Welke, die wichtigste Erfindung, seit es das ZDF gibt.

Welche Website können Sie empfehlen?

Unbedingt: www.dradio.de Hier öffnet sich ein inspirierendes Informationsuniversum gleich im Triumvirat: Deutschlandfunk, Deutschlandradio Kultur, Deutschlandradio Wissen. Das gesamte Angebot – von den überragenden Features bis zu den exzellenten Interviews – ist die gelebte Antithese zum grassierenden Schnipseljournalismus. Der heute im Medien-Manager-Milieu übliche Lehrsatz „Informationsverdünnung ist gleich Quotensteigerung“ wird hier in fast jedem Programmangebot dementiert. Diese Website ist ein Klugmacher in der sogenannten Wissensgesellschaft. Hoffentlich wird dieses öffentliche Ausnahmeangebot nicht so bald von den Gremien-Warlords mit ihrer „Drei-Stufen-Zensur“ heimgesucht.

Thomas Leif ist Moderator der Berliner

Talkshow „2+Leif“, am Montag im SWR-Fernsehen um 23 Uhr. Thema der Sendung am 14.2.

ist der „Machtkampf um Hartz IV“.

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