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In Budapest demonstrierten tausende Menschen gegen die geplante Internet-Steuer.

© dpa

Zu PAPIER gebracht: Die Nutzer sind das Volk

Das Internet kann stolz auf sich sein: Es ist eine Plattform der Freiheit. Analogen Protest auf der Straße ersetzt es aber nicht.

Das Internet kann stolz auf sich sein. Es wird als Plattform der Freiheit begriffen, die es gegen alle Besatzer zu verteidigen gilt. Die Ungarn haben es vorgemacht. Massenhaft haben sie gegen die geplante Internet-Steuer der Regierung von Ministerpräsident Viktor Orbán protestiert. Offiziell wurde die Parole ausgegeben, den Datenverkehr mit rund 50 Cent pro Gigabyte zu belasten, damit der Staatshaushalt neue Einnahmen bekommt. Die Demonstranten haben dem rechtskonservativen Politiker nicht geglaubt. In dem EU-Land sollen die traditionellen Medien wenn nicht eingeschüchtert, so doch gegängelt werden. Das Internet ist auch der Versammlungsort der Opposition. Erst hat sie im Netz protestiert, dann sind die Menschen auf die Straße gegangen. Das hat Viktor Orbán erst einmal beeindruckt, aber schon hat er für 2015 einen neuen Anlauf angekündigt. Die Menschen in Budapest sind wachsam.

Der Vorgang ist bemerkenswert, in zweierlei Hinsicht. Entschlossener, vielköpfiger Protest kann sich über das Internet organisieren, bleibt als bloßer Online-Protest jedoch weitgehend unsichtbar. Erst die Demonstration auf der Straße macht in einer bildergetriebenen Medienwelt Eindruck und beeindruckt die Mächtigen. „Wir sind das Volk“ – vor den Fernsehkameras wird’s zum Ereignis mit Folgen. Das Internet ist eine Macht mit Ohnmacht.

Orbán gibt nicht auf: 2015 will er erneut versuchen, eine Netz-Steuer einzuführen

Zudem zeigt sich: Das Netz hat sich längst über seinen Technik-Status hinausentwickelt. Nicht wenige, die sich online jene Freiheit holen, die sie außerhalb der Bits und Bytes nicht mehr erleben zu können glauben. Jede Menge Irrungen und Wirrungen inkludiert. Empfindlich wird reagiert, wenn selbst die Freiheit zum kapitalen Irrtum beschnitten wird.

Kontrolle geht direkt wie in China, wo die kommunistische Regierung das Netz eisenhart zensieren lässt. Sie funktioniert wie in Ungarn, wo über die feinere Spielart der Steuer Einfluss auf die Nutzung genommen werden soll. In Spanien wird gerade heftig über die „Google-Gebühr“ gestritten: Für die Verwendung von Texten werden Suchmaschinenbetreiber ab 2015 zur Kasse gebeten. Das erinnert stark an das gescheiterte Leistungsschutzrecht in Deutschland.

Im und vom Netz will jeder profitieren, kommerziell, gesellschaftlich, politisch, individuell, die Bewegungsfreiheit als Befreiungsbewegung muss stets aufs Neue erkämpft werden.

Ist es da ein großes Glück, dass die schwarz-rote Koalition eine Maut für die Pkw-Fahrer in Deutschland einführt? Die Lenkung des Straßenverkehrs lenkt sofort von der Normierung des Datenverkehrs ab, wie er in der holprigen, löchrigen Online-Infrastruktur zum Ausdruck kommt. Auch das eine Freiheitsfrage.

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