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Medien: Zu viel des Guten?

Für seine Sat 1-Show führt Harald Schmidt die Fünf-Tage-Woche ein

Man feierte kürzlich auf Sat 1 „den letzten Dienstag der Viertagewoche". Der morgige Dienstag wird schon „danach" sein - nach Harald Schmidt am Montag, der Sensation dieses Sommers. Aufgeräumt und erwartungsfroh wieseln Schmidt und seine Leute um dieses Datum, lassen die historischen Leipziger Montagsdemos für die Show werben und preisen die Entdeckung des ersten Wochentags durch Schmidt als Wendepunkt der Weltgeschichte. Manchmal auch spricht der Entertainer nur trocken beiseite: „Andere arbeiten doch auch die ganze Woche", und zwar, ganz wie er, „aus Liebe zu Deutschland". Oder es gibt eine Umfrage in Berlin: „Die Harald Schmidt Show am Montag. Was sagen Sie dazu?" „Toll. Man kann gar nicht genug bekommen." – „Guck ich nie. Von daher isses mir relativ egal."

Das Fernsehvolk zappt. Und ob es nun am Montag oder Freitag bei Schmidt hängen bleibt, das ist dem Volk schnurz, den Machern auch und selbst den Werbefuzzis. Quote ist Quote, kommt sie heute nicht, kommt sie morgen. Die Medienkritiker indes pflegen Bedenken. Sie wissen aus Erfahrung: Es gibt diese verdammte und unumstößliche Grenznutzentheorie. Vereinfacht besagt sie: Man kann auch des Guten zu viel kriegen. Schon so manche Programmperle ist in dem Moment zerbröselt, wo sie sich aufpumpen wollte, um größer, schwerer und ubiquitärer zu werden. Erfolg haben heißt nicht immer: noch mehr Erfolg haben können. Es gibt ein Gleichgewicht von Angebot und Nachfrage. Ob Schmidt das nun gerade mit der Montagsfreiheit erreicht hatte? Ob dieses sanfte Hinhalten der Fans, die ihn zum Wochenanfang noch entbehren mussten, für jene Extraspannung gut war, die am Dienstag dazu führte, dass alle einschalteten, um das Wiedersehen zu feiern? Schmidt ist ja als Beckett-Interpret hervorgetreten. Vielleicht fand er die Erfahrung zwiespältig. Jedenfalls heißt es montags jetzt nicht mehr: Warten auf Schmidt. Er ist schon da.

Die Ware, die Schmidt auf dem Unterhaltungsmarkt anbietet, ist keine Massenware, sie ist ausgesucht, stets frisch, manchmal überraschend, aber auch schnell verderblich. Sie bekommt nicht jedem. Das Pointenfeuerwerk der ersten Jahre war echt witzig, aber konventionell. Inzwischen ist Schmidt beim Nonsense angelangt, und da wird es schwerer, ein wachsendes Publikum bei der Stange zu halten. Zum Beispiel: Er sitzt mit Assi Andrack und Kapellmeister Zerlett und pokert. Nichts passiert. Keine tollen Blätter. Gemurmelte Ansagen: „Du bluffst doch." Und es ist saukomisch. Oder Schmidt liest seitenweise aus einem Lexikon vor - natürlich ist es langweilig, aber doch ulkig. Warum? Eben weil nichts passiert und daran etwas Wahres ist. Die Pokerrunde, die Lesestunde, sie zeigen im Negativabdruck, dass Fernsehshows meist deshalb so blöd sind, weil immer was los ist, während ja eigentlich doch nichts geschieht. Man muss aber keine Interpretationsarbeit leisten, um Schmidt zu goutieren, wenn er sozusagen Antifernsehen macht. Man lacht als Mensch am besten über puren Quatsch, über Dinge und Situationen, die nichts (mehr) bedeuten. Die berühmte Entlastung, die den Geist zum Lachen bringt, kommt am leichtesten zu Stande, wenn in unserer Welt der Bedeutungshuberei und des krampfhaften Aufspürens verborgener Zusammenhänge mal explizit gar nichts dahinter ist.

Allerdings ist jedes Publikum undankbar, inkonsequent und von doppelter Moral geleitet. Hat es gestern noch begeistert Harald Schmidts Albernheiten beklatscht, verlangt es heute nach Sinn und straft den Entertainer mit Verachtung, wenn er – total infantil – mit Perücke als Beckenbauer „Dem Franz sein Mutterl hat Geburtstag" spielt und minutenlang rhythmische Klingelzeichen übt. Sowas finden viele einfach doof, und es könnten mehr werden, wenn diese absurden Späße nun auch noch den Montag erobern.

Andererseits: Eine Spitzenchance, sich parodierend auf den Sonntagabend im Fernsehen zu stürzen, hat Schmidt nur am Montag. Sein Feiertagsstreichkonzert zusammen mit Andrack war schon mal sehr viel pfiffiger als das „ernste" Nachdenken zum selben Thema bei „Sabine Christiansen". Deutschlands wichtigste Polit-Talkshow hat allen Grund, sich vor dem Angriff des Montags auf die Wochenendzeit zu fürchten.

„Die Harald Schmidt Show“: Sat 1, 23 Uhr 15

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