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Lothar Poll

© Björn Kietzmann

zum 80. Geburtstag von Lothar C. Poll: Das alte West-Berlin

Ein Mann des Kunst- und Kulturbetriebs: Lothar C. Poll, Mitgründer der „Pressestiftung Tagesspiegel“, wird 80.

Eigentlich ist er ja Rechtsanwalt, seit einem halben Jahrhundert, mit eigener Kanzlei. Aber wer Lothar C. Poll kennt, weiß, dass damit über ihn nur das wenigste gesagt ist. Er gehört zu der Spezies, die unverdrossen daran mitwirken und mitwirken will, dass die Gesellschaft ein freier, dynamischer Raum bleibt – zumal im Leben der Stadt, zumal in Kultur und Kunst, denen seine passionierte Neigung gilt. Poll ist Teil des kulturellen Milieus der Stadt, angefangen damit, dass er sein Berufsleben als Geschäftsführer der Künstlergenossenschaft „Großgörschen 35“ begann, einer Selbsthilfegalerie, die seinerzeit, in den sechziger Jahren, einen Schritt in die Zukunft zu sein versprach. Stolz hieß vor drei Jahren die Jubiläumsausstellung „Großgörschen 35. Aufbruch zur Kunststadt Berlin 1964“. Seither steckt sein Engagement zum Beispiel in einem halben Dutzend Preisen und Gründungen, die Berlins Kulturleben schmückten und inspirierten. Was alles nur den sichtbaren Teil einer fruchtbaren, höchst ernsthaften Umtriebigkeit bildet.

Allerdings muss man ein wenig zurückdenken, um auf diesen Poll zu stoßen. Seine Zeit waren die siebziger und achtziger Jahre, es war West-Berlin, dieses untergegangene Biotop, zu dessen Lebendigkeit er beitrug. Ihm ist es nicht zuletzt zu verdanken, dass im Rahmen der Berlinale der Staudte-Preis vergeben wird, dass beim Theatertreffen ein Alfred-Kerr-Darstellerpreis verliehen wird und dass die FU eine Erik-Reger-Professur bekam.

Mit ihm verbunden bleibt die Gründung etlicher Freundeskreise, und zwar bevor die Konjunktur dieser inzwischen verbreiteten Einrichtung einsetzte: so für das jüdische Nationaltheater Habima und die Villa Aurora, den amerikanischen Wohnsitz von Lion Feuchtwanger, der zur Künstlerresidenz wurde. Auch an dem größten und folgenreichsten Unternehmen dieses zivilgesellschaftlichen Engagements, dem Förderkreis für das Denkmal für die ermordeten Juden Europas, war er beteiligt.

Später wurde er Geschäftsführer, Herausgeber und Verleger

Ermöglicht wurden diese und andere Initiativen oft durch die „Pressestiftung Tagesspiegel“, zu deren Gründungsgesellschaftern Poll zählte. Für ein Vierteljahrhundert gehörte er dieser Zeitung an. Der legendäre Verleger Franz Karl Maier, der dem Blatt in den fünfziger Jahren das Überleben sicherte, hatte den jungen Juristen, der beim Tagesspiegel volontierte, in den Verlag gezogen, zunächst als Justitiar. Später wurde er Geschäftsführer, Herausgeber und Verleger. Auch in dieser Rolle blieb Lothar C. Poll ein Mann des Kunst- und Kulturbetriebs.

Selbstbewusst trug er die edelproletarische Ledermütze und Brechtfrisur. Vor allem gehörte zu seinem Lebensumfeld die Galerie seiner Frau Eva Poll, eine gemeinsame Gründung, herausgewachsen aus der Galerie Großgörschen. Inzwischen ist sie von ihrem alten West-Berliner Standort am Lützowplatz in den Osten der Stadt umgezogen, mitten hinein in das alte Berlin, in die Gipsstraße. Das Programm, das Eintreten für die figurative Kunst, zog mit, ebenso Polls Anwaltskanzlei.

Heinz Ohff, der unvergessene Feuilletonchef und Kunstkritiker dieser Zeitung, hat kurz nach der Wende darüber sinniert, dass das alte West-Berlin bald so weit zurückliegen werde wie Fontanes Effi-Briest- und Frau-Jenny-Treibel-Berlin. Längst ist es so weit, vieles von der kulturellen Bewegtheit des alten West-Berlin ist verflogen. Anderes ist geblieben und hat gezeigt, dass es auf der Höhe der Zeit ist. Lothar C. Poll, der am ersten Weihnachtsfeiertag 80 Jahre alt wird, gehört dazu.

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