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Medien: Zum Bügeln geeignet

Wie Hans Meiser 48 Stunden lang Schröder und Stoiber begleitete

Von Désirée Bethge

Das kennen Sie, wenn Sie in der vergangenen Woche die 48 Stunden mit Schröder gesehen haben: Erst kommt ein Trailer, dann Hans Meiser mit schwarzer Sonnenbrille. Wozu die Brille? Ein Mafioso? Erblindet? Symbolisch nur – alles ist vor seinem Auge gleich, der Kanzler wie sein Kandidat?

Nach Schröder gab es am Sonntagabend Stoiber. Angekündigt waren: Einblicke in „Sperrgebiete“ (da kommen Sie sonst nie rein!), in den Arbeitsalltag, damit wir endlich wissen, was ein Kanzler so treibt (von unseren Steuergeldern). Es sollte um Emotionen gehen, und dies alles „jenseits des üblichen Buhlens um Wählerstimmen“.

Das ist natürlich Quatsch. Beide, der Kanzler wie der Kandidat, sprachen via Meiser zu den Wählern und Wählerinnen. Und entsprechend gerierten sich beide – als Profis, jeder nach seiner Fasson.

Nach dem Motto „Hätten Sie’s gewusst?“ ist der Zuschauer nach einer Stunde Meiser unter anderem darüber informiert: dass Schröder ohne Wasserwaage beim Basteln im Haushalt mäßig ist; dass der Mann Termine hat, dass er geht, winkt, redet und immer umgeben ist von Sicherheit und grauen Männern; dass Doris ihn für uns beim Outfit betreut, dass er mit Protesten inzwischen umzugehen gelernt hat (wie denn, bitte sehr?); und dass der Regierungssprecher ein osmotisches Verhältnis zu seinem Chef hat – leider möchte Meiser nicht wissen, wie das aussieht, dieses osmotische Verhältnis.

Alles ist Schröder seins

Was Schröder die ganze Zeit signalisiert: Dies hier, das ist alles meins. Das Kanzleramt, mein Lieber, das alles davor, das dahinter und die Veranstaltungen auch. Und ich bewege mich da drin und tue das gerne. Und du, Meiser, bist hier von meinen Gnaden, ich lasse dich hier in genau definierten Räumen und Zeiten zu, du darfst dich in meinem Revier ein bisschen bewegen (unter Aufsicht, versteht sich) – mehr aber auch nicht. Und das sieht man Meiser an – wenn er beim Fragen an seinem Finger dreht, wenn er auf seine Fragekarten schaut und wenn er sich mit dem Finger zwischen Hals und Kragen fährt, mit dieser Geste, die man von Männern kennt, wenn’s ihnen unbehaglich ist. An den Fragen kann’s nicht liegen, die sind gerade bei Schröder von unübertroffener Harmlosigkeit.

Stoiber wurde anders behandelt – da ging’s plötzlich um Inhalte: Schwangerschaftsabbruch, Homosexualität, Zuwanderung. Doch es kommt nicht wirklich zu einem Schlagabtausch, aber man hat das Gefühl, der Meiser, der könnte, wenn er wollte, tut es aber nicht. Stattdessen lässt er Gattin Karin vorkommen. (Wieso das? Doris hatten wir auch nicht.) Und in einer Grundsatzrede lässt er den Kandidaten länglich reden, und nach der Autogrammszene, die wie drangepappt wirkt, ist man schon etwas verstimmt.

Offen bleibt – wieso gibt Meiser plötzlich und unerwartet bei Stoiber den Politik-Journalisten? Hatte er nicht genug Material, um die Sendung rund zu kriegen? Müssen wir deshalb eine längliche Grundsatzrede und den Auftritt von Karin S. anschauen?

Lächeln und wackeln

Stoiber gibt den Dauerlächler und signalisiert mit schiefgelegtem Kopf: keine Konfrontation! Da will einer gemocht werden: Wählt mich, ich bin gar nicht so dröge! Wenn die Fragen unangenehm sind, ruckelt er mit seinem Kopf vogelartig immer wieder nach vorn, bei Wichtigem wackelt der ganze Mann, und wenn er unfallfrei geantwortet hat, freut er sich und lächelt. Wenn er nicht lächelt, zieht er den Mund so breit, dass es zumindest aussieht, als ob er lächeln würde.

Schröder und Stoiber haben von sich geboten, was sie für opportun im Wahlkampf halten. Ein harmloses, gefälliges Kondensat: Herkunft, Entwicklung, da gibt’s eine Ehefrau, liebend, den Rücken und die Hemden stärkend; Parteifreunde, sie arbeiten viel – für Deutschland, respektive Bayern –, schlafen wenig, haben wenige, aber gute Freunde, und die Mutter ist was ganz Besonderes für sie.

Es menschelt zwar, aber wirkliche Menschen sind das nicht, es sind Homunkuli, ein bisschen Mensch also. Glatt gestylt, für jedes Problem die fertige Formulierung. Stoiber hat gegen Überraschungen was Amtsdeutsches parat „…das müsste ich dann zur Kenntnis nehmen“, um dann Formulierungen zu bringen, die so abgenutzt, leblos und steril wirken, als hätte er sie tausendfach benutzt.

Also, wenn’s schon menschelt, hätte man gern gewusst: Wie stecken die das weg, dass sie eigentlich wenig mitkriegen von Frau und Kindern? Wie gehen sie um mit Krisen, mit Zweifeln an sich, ihren Entscheidungen?

48 Stunden mit Schröder, das war Alltag des Kanzlers mit Kanzleramt, Sitzungen, aber auch Jugend und Frauen – kein Muss, aber unterhaltsames Fernsehen. Stoiber bot Staatskanzlei, viel Gespräch, wenig Spannung – störte auf keinen Fall beim Bügeln. Aber wer bügelt schon bei schönem Wetter am Sonntag um 19 Uhr 10?

Die Autorin bildet Moderatoren aus. Für den Tagesspiegel beobachtet sie Wahlsendungen.

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