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Flasche (Peter Trabner, links) und Tobias (Heiko Pinkowski) sind vermeintlich beste Freunde. High sein, frei sein, alles muss leicht sein. Der Film "Alki Alki" führt vor, wie das Leben zur Schussfahrt werden kann.

© ZDF und Dennis Pauls

Zuneigung, Zuwendung, Zuspitzung: Das Leben und seine Möglichkeiten

Tragikomödie, Romantic Comedy, Drama, Agentenkomödie: Das „Kleine Fernsehspiel“ zeigt vier Filme in seiner Reihe "Shooting Stars"

Liebes, verehrtes Publikum des Zweiten Deutschen Fernsehens. Das ZDF ist Marktführer, auch deswegen, weil die Zuschauer das Zweite so häufig einschalten wie kein zweites Programm. Das ZDF belohnt sein Publikum dafür mit guter Information und einer Fiktion, in der der Krimi alle anderen Genres gnadenlos dominiert, vom Herz-Schmerz-Kino mal abgesehen.

Aber das Zweite Deutsche Fernsehen kann mehr, umgekehrt, vielleicht will das Publikum mehr als das Regelprogramm? Vom 2. bis zum 12. August gibt es im Rahmen des „Kleinen Fernsehspiels“ die vierte Ausgabe der Kino-Reihe „Shooting Stars“. Vier bemerkenswerte Filme werden gezeigt: „Alki Alki“ (2. August, 23 Uhr 30), „Treffen sich zwei“ (3. August, 23 Uhr 15), „Töchter“ (8. August, 0 Uhr 30), schließlich „Die Einsamkeit des Killers vor dem Schuss“ (12. August, 22 Uhr 30).

Angekündigt ist eine Berg-und-Talfahrt: Tragikomödie, Romantic Comedy, Drama, Agentenkomödie. Berg und Tal meint da nicht ein Auf und Ab in der Qualität, gemeint ist eine bewusste Abwechslung bei den Formaten, bei den Stoffen, bei den Regiehandschriften, die vier Filme sind vier Unikate, entwickelt und betreut von der „Kleine Fernsehspiel“-Redaktion um Claudia Tronnier. Das ZDF ist im Schnitt mit bis zu 330 000 Euro in jeder Produktion engagiert, durch Film- und Fernsehförderung plus Produzentengelder schwanken die Etats zwischen 800 000 und zwei Millionen Euro.

Das „Kleine Fernsehspiel“, 1963 mit Produktionen von höchstens 20 Minuten Länge gestartet, ist unverändert das Markenzeichen für den filmischen Nachwuchs, in Sonderheit für Autorinnen und Regisseurinnen, nirgendwo sonst in der Welt der Fiktion ist der weibliche Regieanteil mit 50 Prozent so hoch. Diese Talentschmiede kennt, des gewollten Freiraums wegen, wenige Grundregeln; jene sticht hervor, dass die Zusammenarbeit auf maximal drei Filme begrenzt sein soll.

"Alki Alki" ist mehr als nur ein Filmtitel

„Alki Alki“ markiert den Startpunkt in die diesjährige Sommersession. Eine Buddy-Produktion. Buch: Heiko Pinkowski, Axel Ranisch, Peter Trabner; Regie: Axel Ranisch; Tobias: Heiko Pinkowski; Flasche: Peter Trabner. Flasche? Richtig, Flasche ist die personifizierte Sucht, eine eigenständige Figur. Und Tobias ist wie beim Faust-Mephistopheles-Pakt mit Flasche verknüpft. Sie rocken das Leben und dabei das Leben von Tobias. Der verliert auf seiner Schussfahrt nach unten Aufträge, das Liebesleben mit seiner Frau, die Freude an seinen Kindern. Das alles hat inszenatorischen Drive, das dreht sich in eine mörderische Spirale hinein. Der Zuschauer ist gebannt wie abgestoßen.

 Agnes (Corinna Kirchhoff) sucht ihre verschwundene Tochter in Berlin. „Töchter“ heißt der Film aus der „Shooting Stars“-Reihe des ZDF.
Agnes (Corinna Kirchhoff) sucht ihre verschwundene Tochter in Berlin. „Töchter“ heißt der Film aus der „Shooting Stars“-Reihe des ZDF.

© ZDF und Reinhold Vorschneider

Männer können trinken, Frauen können Gefühl? Ist ein bisschen schlicht formuliert, schlichter als dieser Satz aus der Romantic Comedy „Treffen sich zwei“: „Ich heule beim Duschen. Dann verbraucht man nicht so viele Taschentücher.“ Sagt Senta (Nicolette Krebitz), die kurz vor ihrem Geburtstag von Rainer verlassen wird. Senta hat die Schnauze voll: von den Männern, von ihrer Arbeit in der Galerie, vom Leben. Titel und Geschichte kommen bekannt vor? Der Film (Buch: Ulrike von Ribbeck, Ruth Rehmet; Regie: Ulrike von Ribbeck) basiert auf Iris Hanikas gleichnamigem Roman. Also kommt auch Thomas (Clemens Schick) vor: der ist Systemberater und ganz und gar nicht Sentas Typ. Über Liebe und Gefühle reden kann er nicht. Senta und er laufen ineinander, da geht was, trotzdem wollen beide sehr vernünftig miteinander umgehen, erwachsen, angstfrei. Das geht gar nicht. Die Komödie über die Beziehungsarbeit der Thirtysomethings ist feine Amüsement-Arbeit der Darsteller und der Regisseurin. Ein besonderer Clou ist die Aside-Ebene: Senta und Thomas k treten immer wieder aus ihren Rollen heraus und sprechen direkt zum Zuschauer. Das Durchbrechen der vierten Wand vermehrt das Zuschauervergnügen, weil das Publikum ständig Zeuge wird, wie die Protagonisten sich, ihr Verhalten und ihre Unzulänglichkeiten permanent hinterfragen.

"Töchter": Lehrerin trifft Obdachlose

„Töchter“ ist aus Hartholz geschnitzt. Agnes (Corinna Kirchhoff), eine Lehrerin aus der hessischen Provinz, sucht in Berlin ihre verschwundene Tochter und trifft auf die obdachlose Ines (Kathleen Morgeneyer), die nicht mehr von ihrer Seite weicht. Was Maria Speth nach dem gemeinsam mit Reinhold Vorschneider geschriebenen Drehbuch inszeniert, ist das eigentümliche Verhältnis von Anziehung und Abstoßung zwischen den beiden Frauen – vor der Folie eines Berlin aus Bahnhofsmission, Drogentreff und Kontaktstelle für Obdachlose. Es ist die offene Situation zwischen den beiden Frauen und den von ihnen vertretenen Lebensentwürfen, die den Film treibt. „Die Erzählung ergibt sich aus den Figuren“, sagt Maria Speth. Manches ist möglich, vieles ist nicht möglich, manches ist nicht möglich, vieles ist möglich. Spannung ohne Kausalität.

Killer wird Mensch

Finale der „Shooting Stars“ ist am 12. August mit der Agentenkomödie „Die Einsamkeit des Killers vor dem Schuss“ von Florian Mischa Böder; das Drehbuch für diesen Genrefilm stammt von ihm und Clemente Fernandez-Gil. Koralnik (Benno Fürmann) arbeitet als Auftragskiller für ein geheimes EU-Programm. Arbeitet? Na ja, Koralnik hat bis heute, acht Jahre nach seiner Ausbildung, noch keinen einzigen Auftrag erhalten. Ein merkwürdiges Leben, langweilig, ohne Kontakte, ohne Freunde, in ständiger Tarnung. Dann kommt Rosa (Mavie Hörbiger), dann kommt der Auftrag – dann kommt das Chaos. Fürmann nannte Koralnik beim Pressegespräch „eine seiner schrägsten Rollen“. Ein Killer wird Mensch, das Nicht-Funktionieren wird Prinzip, Eitelkeiten und andere angebliche Stärken werden demontiert. Übergröße wird übergroßes Versagen. Und zu Rosas Leben gehört ganz eigentlich eine andere Farbe.

„Alki Alki“, ZDF, Dienstag, 23 Uhr 30

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