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Fette Wumme, dicke Quoten? Til Schweiger will es im „Tatort: Fegefeuer“ (ARD, 20 Uhr 15) wissen. Die Fernsehforscher hingegen wissen, dass Streaming-Angebote wie „House of Cards“ und „Game of Thrones“ dem klassischen TV heftig Konkurrenz machen.

© NDR/Gordon Timpen

Zuschauer im Visier: Wie sehen wir fern?: TV-Sender machen immer weniger Quote

„Tatort“ und Fußball waren 2015 die Quotenhits. Für die Branche noch interessanter: Was wollen die Deutschen in Zukunft sehen?

„Die Vielfalt an medialen Angeboten wächst kontinuierlich und dennoch: Obwohl das vergangene Jahr nicht mit TV-Großereignissen wie einer Fußball-Europa- oder Weltmeisterschaft oder Olympischen Spielen aufwarten konnte, lag die TV-Nutzung auf Rekordhöhe. Dies ist ein eindeutiger Beweis für die Funktion und die Bedeutung, die das Fernsehen in der Bevölkerung hat. Weitere Medienangebote, vor allem über das Internet und an mobilen Geräten, werden ergänzend genutzt. Auch hierbei kommt Video-Inhalten eine stetig wachsende Bedeutung zu. Gute Aussichten also für Nutzer und Anbieter“, frohlockt die Chefin der Arbeitsgemeinschaft Fernsehforschung, Karin Hollerbach-Zenz, beim Blick auf das zurückliegende Fernsehjahr. Im Ganzen betrachtet hat sie sicherlich recht: Die durchschnittliche Sehdauer in der Gesamtzuschauerschaft blieb mit 223 Minuten pro Tag (2014: 221 Minuten) stabil. Doch wer genauer hinsieht, entdeckt die eine oder andere unerfreuliche Delle in der Bilanz.

Die 20- bis 29-Jährigen schauen ein Sechstel weniger fern

Tatsächlich sind die Zahlen für die Verantwortlichen sowohl der öffentlich-rechtlichen als auch der privaten TV-Sender alles andere als zufriedenstellend oder gar beruhigend. Die Nutzung des klassischen Fernsehens wird immer stärker zu einer Frage des Alters (siehe Grafik Mitte). Besonders drastisch fällt das einerseits in der Gruppe der 60- bis 69-Jährigen aus. Dort ist die tägliche Sehdauer in den vergangenen zehn Jahren von 282 auf 323 gestiegen. Dem steht ein herber Rückgang in der Gruppe der 20- bis 29-Jährigen gegenüber, wo die Sehdauer seit 2005 von 162 auf 135 Minuten zurückging – das entspricht einem Minus von immerhin 16 Prozent! Dahinter steht zwar keine TV-Totalverweigerung, aber die Verlagerung vom klassischen Fernsehen zu den neuen Angeboten im Internet in einer der für die Zukunft des Mediums wichtigsten Altersgruppen ist mehr als ein Alarmzeichen. Bereits jetzt nutzen 27,1 Prozent der Deutschen kostenpflichtige Streamingdienste wie Maxdome, Netflix, Amazon oder Watchever. Unter den Besitzern von Smart-TVs, die die neuen Dienste besonders bequem nutzen können, liegt die Rate sogar noch höher bei 61,8 Prozent, wie die Medienanstalten herausgefunden haben.

Wie viele Fernsehgeräte bereits smart ans Internet angeschlossen sind, darüber gibt es hingegen keine genauen Zahlen, wie die Programmzeitschrift „TV Spielfilm“ ermittelt hat. Je nach Quelle liegen die Zahlen zwischen 20 bis 30 Prozent. Werden die Settop-Boxen hinzugerechnet, mit denen man das TV-Programm ebenfalls um Streamingdienste, Mediatheken oder Youtube erweitern kann, steigt die Quote auf 28 bis 42 Prozent.

Immer mehr Sender machen immer weniger Quote

Einen Teil der Probleme haben die klassischen TV-Sender mit der Gründung immer neuer Ableger selbst verursacht. In dem Bestreben, die unterschiedlichen Zielgruppen möglichst genau anzusprechen, stieg zwar die Zahl vor allem der Privatsender, zugleich sind die Quoten der Flaggschiffe deutlich gesunken. Bei den Privaten kam 2015 kein Sender mehr auf einen zweistelligen Marktanteil (siehe Grafik rechts). Selbst RTL blieb mit 9,9 Prozent unter dieser Latte. Der Trend hat somit eine klare Richtung. Doch bereits den Abgesang auf das klassische Fernsehen einzustimmen, wäre verfrüht. Denn obwohl in vielen Haushalten längst die technischen Voraussetzungen für die Alternativangebote vorhanden sind und häufig sogar bereits ein Streamingabo abgeschlossen wurde, ist das klassische lineare Fernsehen noch immer mit großem Abstand das dominierende Angebot. Nach Erkenntnissen der Werbevermarkter entfallen auf das lineare Fernsehen 86 Prozent der Nutzung. Internetstreams kommen hingegen gerade einmal auf sechs Prozent, jedenfalls in der Gruppe der 15- bis 59-Jährigen. Etwas anders sieht es bei den Jüngeren aus. Bei den 14- bis 25-Jährigen kommt das Internetfernsehen in der Gesamtnutzung schon auf 15 Prozent, das lineare Fernsehen liegt bei 76 Prozent.

Doch nicht immer handelt es sich um eine echte Konkurrenz, in vielen Fällen ergänzen sich Fernsehen – egal ob klassisch und neu – und Internet. Und nicht nur die Jungen nutzen den Second Screen während des Fernsehens (87 Prozent der 14- bis 29-Jährigen). Auch den älteren Semestern (61 Prozent der 50- bis 59-Jährigen) ist das Fernsehprogramm ohne Zusatzinfos aus dem Netz oder einer Instand Message inzwischen offenbar zu langweilig. Welcher Bildschirm im Wohnzimmer der wichtigste ist, zeigt indes die reine Größe – die immer stärker zunimmt. Zwei Drittel aller neuen Fernseher hat eine Diagonale von mehr als 37 Zoll, mehr als ein Drittel ist sogar größer als 42 Zoll. Darauf sehen Action-Filme wie der „Tatort“ mit Til Schweiger besonders spektakulär aus.

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