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Zwei für "Wetten, dass..?": Raufarbeiter, Runterfaller

Ist das ZDF der richtige Steigbügel für Joko & Klaas? Nicht einmal im Zielgruppen-Programm von Pro7 hagelt es Erfolge.

Das Zweite Deutsche Fernsehen steht nicht im Verdacht, in seinen Sendungen zur Revolution aufzurufen. Fernsehen wird als langer, ruhiger Programmfluss gemacht. Das hat dem ZDF ein Publikum eingebracht, das mit durchschnittlich 60 Jahren kurz vor oder bereits in der Blüte seines Ruhestands steht. Man darf von einem Generationenabriss sprechen – das jüngere Publikum denkt bei „ZDF“ mehr an ein Zentrum der Freuden und weniger an aufregendes Krachmacher-Fernsehen.

Damit will sich die öffentlich-rechtliche Fernsehanstalt, die ihre Gebühreneinnahmen in jedem Alterssegment rechtfertigen muss, nicht abfinden. Die drei Digitalkanäle ZDFneo, ZDFinfo und ZDFkultur sind auf strammem Freibeuter-Kurs, und bei ZDFneo agiert die vielleicht größte Hoffnung: Die Sendung heißt „neoParadise“, gestaltet und moderiert von Joachim „Joko“ Winterscheidt und Klaas Heufer-Umlauf. Dieses Lounge-Fernsehen hat Kraft, das hat Witz, die Coolen-Säue-Moderatoren überraschen mit situationistischer Schlagfertigkeit; in den besten Momenten mit Gästen ist das Realitätsverarbeitung ohne bewusstseinserweiternde Drogen, Fernsehen zur Zeit, serviert ohne billiges Bad-Guy-Good-Guy-Gehabe. Mit „neoParadise“ zeigt das Duo, dass es, obwohl Joko als abgebrochener Werbekaufmann aus Mönchengladbach und Klaas als gelernter Friseur aus Oldenburg ins Fernsehen reingescheitert sind, unbedingt ins Fernsehen gehört.

Aber in welches nur? 2011 war ein Joko-und-Klaas-Jahr. Bei ZDFneo haben sie mit ihrem neu aufgelegten „MTV Home“ Erfolg vor sehr wenig Zuschauern, aber das gilt für die ganze ZDF-Programm-Novität. Skeptischer muss stimmen, dass bei Pro7, dem Paradekanal für den 32-jährigen Winterscheidt und den 28-jährigen Heufer-Umlauf, die Erfolge mit den zahlreichen Auftritten nicht Schritt halten, als da wären „17 Meter“, „Die Rechnung geht auf uns“, dann das fortlaufende Comedyquiz „Ahnungslos“, das als Jahresrückblick am Dienstag in der Zielgruppe nur 810 000 Zuschauer und im Gesamtpublikum eine Million interessierte – mit Marktanteilen weit weg vom Pro7-Schnitt.

Trotz und alledem wollen avancierte Fernsehbeobachter Joko & Klaas für „Wetten, dass..?“ anempfehlen. Das wäre so mutig wie einstmals die ARD war, als sie Harald Schmidt den TV-Schwank „Verstehen Sie Spaß?“ in aller Unschuld anvertraut hatte. Schmidt begriff die Chance als die seine: Er dekonstruierte mit Fleiß die versteckte Kamera, konnte dann aber als dekonstruktuvistischer Weltenzerstörer in eine andere Umlaufbahn wechseln. Also nein zu Joko & Klaas als Gottschalk-Adepten. Sie müssen erst mal im Joko-und-Klaas-Publikum nachhaltig reüssieren, zeigen, dass sie nicht nur Phänomene des Loft-Fernsehens, sondern Könner des großen Formates sind. An Silvester ist wieder Gelegenheit. Während Andy Borg im Ersten den „Silvesterstadl“ zum Kochen bringt, grüßen im ZDF ab 21 Uhr 45 Klaas, Joko und Mirjam Weichselbraun live vom Brandenburger Tor. Das ZDF ist von der Erwartung beseelt, dass a) junges Publikum das Zweite einschaltet, b) junges Publikum nicht wegschaltet. Die Bewährungschancen von Joko & Klaas im Zweiten werden größer, die Risiken auch. Joachim Huber

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