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Von den eigenen Kameraden verfolgt. U-Boot-Kommandant Johannes von Reinhartz (Clemens Schick) soll mit seiner U-822 drei Saboteure an der US-Ostküste absetzen. Weil seine Loyalität infrage gestellt wird, schickt ihm die Admiralität U-612 hinterher.

© Sky

Zweite Staffel von „Das Boot“: Hitlers amerikanische Helfer

Die zweite Staffel der Sky-Serie „Das Boot“ ist deutlich besser als vor zwei Jahren. Umso mehr irritiert es, wie gut das Tätervolk im Umfeld alliierter Komplizen wegkommt.

Ach Deutschland, du und deine dunklen zwölf Jahre. Zwischen Schuldkultpropaganda von rechts und Revisionismusvorwürfen von links füttern deine Film- und Fernsehkameras seit Kriegsende den Streit um die Deutungshoheit übers Tätervolk und seine(n) Führer mit bunten Bildern – wenngleich sie lange Zeit am Rande politischer Diskurse liefen. Kurz jedoch nachdem ihnen der Historikerstreit 1986 ins Feuilleton verholfen hatte, begann ein gewisser Guido Knopp das Täterland mit der Mär vom Opfervolk zu mästen, und alle machten mit. Bis heute zählt das Historytainment pro Mehrteiler maximal drei Faschisten im Millionenheer der Widerstandskämpfer. Faschisten wie Hagen Forster.

Als Andreas Prochaska 2017 beauftragt wurde, Lothar-Günther Buchheims Tatsachenroman „Das Boot“ zur TV-Serie aufzublasen, stand der fiktive Gestapochef von La Rochelle dramaturgisch im Zentrum. Und damit ging das achtteilige Hochglanzprodukt zwar weiter als Wolfang Petersen, dessen Besetzungsliste 36 Jahre zuvor nur einen Nazi aufwies. Trotzdem traute sich Sky nicht, die linientreue Bevölkerungsmehrheit auch nur annähernd im Serienpersonal abzubilden.

[„Das Boot“, Staffel zwei, auf Sky One HD immer freitags um 20 Uhr 15 in Doppelfolgen, auf Abruf ab Freitag als komplette Staffel]

Hagen Forster, herrenmenschlich sinister gespielt von Tom Wlaschiha, war also nicht allein unter Regimegegnern, aber doch klar ersichtlich in der Minderheit, während die Wehrmacht abgesehen von ein paar Betonköpfen meist unpolitisch daherkam. So weit, so abstrus. Doch als die Story um arglose Marinesoldaten und schöne Résistance-Amazonen im Ringen mit einer Handvoll SS-Schergen im besetzten Frankreich bildgewaltig zu eskalieren begann, insinuierte die lockere Fortschreibung von Petersens Original auch noch, Hitlers Angriffskrieg sei Resultat amerikanischer Finanzinteressen.

Alles halb so schlimm?

Da waren nicht nur Historiker irritiert über Prochaskas Subtext, andere seien doch alle genauso schlimm gewesen wie Opa. Und das dürfte sich in der zweiten Staffel kaum ändern. Während U-612 unter Führung von Korvettenkapitän Wrangel (Stefan Konarske) ab heute auf Sky Jagd auf ein Schwesterboot mit Ziel USA macht, lernt der abgesetzte Kaleu Hoffmann (Rick Okon) dort nämlich nicht nur die sexy Jazzsängerin Cassandra (Rochelle Neill) kennen und lieben. Um seine Heimkehr einzuleiten, gerät er unter Vermittlung des dubiosen Anwalts Berger (Thomas Kretschmann) an den Kriegsgewinnler Sam Greenwald (Vincent Kartheiser).

Warum der nun trotz der Gefahr historischer Missverständnisse so ins Zentrum rückt, hätte man da gern vom neuen Regiegespann Matthias Glasner und Rick Ostermann erfahren. Mit ihrem Headautor waren sie nach der Vorpremiere in Hamburg schließlich zum Interview versammelt. Allein: Auf Fragen zum Vorwurf dubioser Schwerpunktsetzung hatten sie spürbar wenig Lust. „Hier ist die Greenwald-Frage“, gab der (reaktionärer Gedanken unverdächtige) Glasner („Blochin“) genervt an den irischen Dramatiker Colin Teevan („Rebellion“) weiter.

Alle drei versuchten danach zwar übellaunig, den Einwand der Geschichtsklitterung zu entkräften. Nur: Im Freigabeprozess haben sie alle Antworten – und Fragen – dazu gestrichen. Nur der vieldeutige Satz, Kriege seien „hochkomplexe Ausflüge in die Hölle“, fiel nicht ihrer Zensur zum Opfer. Schade eigentlich. Denn verglichen mit der ersten Staffel hätte die zweite durchaus mehr Rückgrat der Hauptverantwortlichen verdient. Anders als in Prochaskas Serie ist sie schließlich dichter, besser, schlüssiger, letztlich also unterhaltsamer inszeniert.

Nackte Matrosen beim Wettschwimmen

Die Randepisode französischer Juden im Kirchenasyl zum Beispiel wirkt ebenso eindrücklich wie Hoffmanns Versuch, in der Ferne Fuß zu fassen. Sobald die Klaustrophobie an Bord zum Kammerspiel wird, erinnert „Das Boot“ 2020 zaghaft ans Original anno 1981. Und wenn nackte Matrosen beim befreiten Wettschwimmen bombardiert werden, knüpft es ohne viel Pathos an Buchheims Schilderung vom Krieg an. Umso anstößiger ist da eine Art von Effekthascherei, die Frauen nur als wohlgeformte Models duldet, deren Brüste selbst auf dem Seziertisch noch präsentabel sind. Die Darstellung gewöhnlicher Soldaten gerät derweil ähnlich zur Karikatur wie Forsters nazipornografischer Sadismus.

Überhaupt – die Bösen. Ein französischer Kollaborateur muss sich dauernd schmierig grinsend ums Häusereck stehlen, während der windige Meuterer Wrangel im Disput mit dem prinzipientreuen Offizier Gluck (Rainer Bock) agiert, als spiele er den Mephisto. Wenn amerikanischer Rassismus dann auch noch permanent auf französischen Opportunismus trifft und Clemens Schick als ehrbaren Kapitän mit dem sprechenden Namen Reinhertz, äh -hartz gleich zu Beginn beim Versenken eines Passagierschiffs das schlechte Gewissen packt, dann wähnt man sich trotz guter Unterhaltung irgendwie im falschen Film. Sein Regisseur? Guido Knopp.

Jan Freitag

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