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Medien: Zwischen Lifestyle und Laufwegen

Viele Fußball-Magazine tun sich schwer, den WM-Boom in den Bundesligaalltag mitzunehmen

Die Bundesliga-Saison ist vorbei, der VfB Stuttgart und seine Fans jubeln – doch bei aller Überraschung in der Meisterschaftsfrage, ein Jahr nach dem „Sommermärchen“ ist in den Stadien nach durchwachsenem Sport der Liga-Alltag eingekehrt. Das gilt auch für den Markt der Fußballmagazine. Künftig gibt es hier drei Mitspieler weniger. Nach dem Medien-Hype um die Fußball-WM in Deutschland 2006, vor der viele Verlage glaubten, noch schnell einige Sport- und Zeitgeistmagazine für Millionen alte und neue Fußballfans zu positionieren, setzte das große Titelsterben ein. Jüngstes Opfer der Platzverweise: das Monatsmagazin „Rund“. Weil sich das Heft anstatt der gewünschten 40 000 Mal nur 25 000 Mal verkaufte, wurde es vom Olympia-Verlag eingestellt, die produzierte Mai-Ausgabe nicht einmal mehr ausgeliefert. „Der Markt für monatliche Fußballtitel ist vor der Weltmeisterschaft überschätzt worden“, sagte Toni Schnell, Verlagsleiter vom Olympia-Verlag.

Neben „Rund“ haben zwei weitere Sport-Magazine aufgeben müssen. „Champ“ erschien im vergangenen Sommer nur einmal. Und auch der hochglänzende „Player“, der im Herbst 2005 mit viel Aufwand und Ex-„Max“-Chefredakteur Oliver Wurm ins Rennen geworfen wurde, wird eingestellt. Einen Brückenschlag zwischen der „Faszination Fußball“ und dem „inspirierenden Lifestyle der neuen Spielergeneration“ hatte Wurm damals angekündigt. Davon ist nach der WM nicht viel übrig geblieben. „Player“ klebte am Kiosk, wenn es dort überhaupt hinkam. Noch zu Beginn des Jahres hatte der Verlag b&d den Titel retten wollen und verpasste ihm den neuen Chefredakteur Thomas Friemel und das Outfit eines Lifestyle-Magazins. Doch weil sich das Potenzial der deutschen Spieler mit Glamour-Faktor um Ballack, Kahn und Podolski nach der WM offenbar erschöpft hat und Männer für echte Nacktheit lieber zu „Playboy“ und „FHM“ greifen, hat der Relaunch mit Fotostrecken und sexy Girls nichts genützt. Lediglich 54 889 Exemplare wurden laut IVW-Liste im ersten Quartal 2007 verkauft – zu wenig für den Verlag, der zwischen 70 000 und 100 000 Stück angepeilt hatte. Die letzte „Player“-Ausgabe liegt am 31. Mai am Kiosk.

Ist das das große Aussortieren nach der WM: zu viele Titel, zu wenig Profil? Oder greifen im Sport-Segment ähnliche Mechanismen wie bei anderen Zeitschriften-Sparten? Neue Medien, neue Konkurrenten. Die spannungsarme ARD-„Sportschau“ mit dem letzten Bundesliga-Spieltag haben am Sonnabend noch einmal 6,13 Millionen Zuschauer gesehen. „Zeitungen und Magazine haben in der Fußballberichterstattung drei starke Gegner: das Fernsehen, das wesentlich schnellere Medium Internet mit den Möglichkeiten des Web2.0 sowie die veränderte Einstellung der Fans zum Spiel. Fußball hat heute Eventcharakter“, sagt Oliver Wurm. Demnach haben es auch arrivierte Titel schwer. Die wöchentlich erscheinenden Branchenführer „Kicker“ und „Sportbild“ erreichen mit Spielanalysen, Berichten über Laufwege, Neuzugänge und Spielertransfers eine stabile Auflage von über 227 000 beziehungsweise 452 000 verkauften Heften. Das allgemeine Schwächeln auf dem Markt der Sportmagazine hat laut „kicker“-Chefredakteur Rainer Holzschuh eher sportliche Gründe. „Dass sich die deutschen Vereine früh in den europäischen Wettbewerben verabschiedet haben, macht sich im Heftverkauf am Kiosk bemerkbar.“ Motto: Geht es seinem Verein besser, kauft der Fan den „Kicker“.

Das scheint die „11 Freunde“ nicht zu betreffen. Das Fußball-Magazin aus Berlin fühlt sich fast ausschließlich für die Fan-Perspektive zuständig. Mit Reportagen über historische Ereignisse und Figuren wie Trainer-Legende Ernst Happel, Essays über den modernen Fußball oder Texten über das Phänomen Auswärtsspiel grenzt sich das Magazin deutlich von den beiden großen Titeln ab. „Wir sind der kleine, pickelige Bruder von ,Kicker‘ und ,Sportbild‘ “, sagte Philipp Köster, Chefredakteur bei „11 Freunde“. Vor sieben Jahren erschien sein Blatt zum ersten Mal. Bis andere Verlage im Zuge der WM-Euphorie ihre Kassen klingeln sahen, hatte Köster fünf konkurrenzlose Jahre Zeit, um seinem Blatt ein klares Profil zu verpassen – und damit die Eigenschaft, die Magazinen wie „Rund“ anscheinend zum Überleben auf dem engen Markt fehlte.

Zwar beleuchtete „Rund“ mit einem Titel über schwule Fußballer ein Thema, das bei den Marktführern noch nicht zu lesen war. Aber mit Hintergrundberichten und einem eher natürlichen Image konnte sich das Hamburger Magazin nicht durchsetzen. „Im Sportbereich decken die Tageszeitungen außerdem viel vom Informationsbedürfnis ab“, sagt Toni Schnell vom Olympia-Verlag. Weil „Rund“ nicht genügend Abnehmer fand, blieben die Anzeigenkunden weg.

Mit einem gewissen WM-Blues hatten auch die „11 Freunde“ zu kämpfen. „Alle Leute waren auf das Event getrimmt. Der Bundesligaalltag hatte am Anfang einen schalen Beigeschmack, wir mussten uns erst wieder einfinden“, sagte Köster. Sein Magazin brach im vierten Quartal auf 38 469 verkaufte Exemplare ein. Nun ist es auf 54 142 verkaufte Hefte gestiegen. Dass „Rund“ eingestellt wurde, freut Köster nicht: „Es tut gut, sich an einem Konkurrenten reiben zu können.“ Immerhin, einen Neuzugang hat es nach der WM gegeben. „Four-Four-Two“ erscheint seit August bei der BPA Sportpresse und ist eine deutsche Version des gleichnamigen englischen Titels. Am Kiosk wirbt es mit internationalen Hintergrundgeschichten und knalliger Aufmachung um Käufer – und ähnelt damit optisch der „Bravo Sport“. Fraglich, ob sich das durchsetzen wird.

Zumindest für seine „11 Freunde“ blickt Köster optimistisch in die Zukunft. Bis zur Europameisterschaft 2008 will er am Online-Auftritt arbeiten und die Bekanntheit bei Fans und Spielern weiter steigern. Vielleicht fordern die Fußballstars dann auch keine Ansichtsexemplare mehr, bevor sie „11 Freunde“ ein Interview zusagen.

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