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Nach dem Erdbeben stehen zwei Männer neben einem beschädigten Gebäude.

© Hektor Pustina/dpa

Mindestens 20 Tote: Starkes Erdbeben erschüttert Albanien

Mehre Tote, viele Verschüttete und zerstörte Häuser: Der Balkanstaat ist im Ausnahmezustand – die EU sagt Hilfe zu.

Albaniens Erde bebte noch vor dem Morgengrauen. Ein gewaltiger Erdstoß in einer Stärke von 6,4 riss die Bewohner der Region zwischen der Küstenstadt Durrës und der Hauptstadt Tirana am Dienstagfrüh um 3.54 Uhr aus dem Schlaf. In Sekundenschnelle brachen vor allem in Durrës und der Landgemeinde Thumane Mietshäuser und Bürogebäude wie Kartenhäuser in sich zusammen.

Mindestens 20 Menschen fanden in den Trümmern den Tod, über 600 wurden verletzt: Albaniens schwerstes Erdbeben seit 30 Jahren war nicht nur in den Nachbarländen Kosovo, Montenegro, Nordmazedonien und Griechenland, sondern auch in Süditalien noch zu verspüren.

In Panik hasteten viele der vom Beben überraschten Anwohner im Schlafanzug auf die Straßen: In der nördlich von Durrës gelegenen Provinzstadt Kurbin verstarb ein 50-Jähriger, der sich mit einem verzweifelten Sprung aus dem Fenster zu retten versuchte. In Durrës konnte hingegen ein Junge geborgen werden, den seine ums Leben gekommene Großmutter mit ihrem Körper vor den herabfallenden Trümmerteilen geschützt hatte.

Vor allem das nur zehn Kilometer vom Epizentrum in der Adria entfernte Durrës wurde von dem Erdbeben hart getroffen: In Albaniens zweitgrößter Stadt fielen selbst Teile der venezianischen Stadtmauer aus dem 15. Jahrhundert ein. Premier Edi Rama informierte sich am Dienstag in Durrës über den Fortgang der Rettungsarbeiten. Staatschef Ilir Meta sprach im Krankenhaus von Tirana mit verwundeten Erdbebenopfern.

Verzweifelt und weinend suchten schon unmittelbar nach dem ersten Beben Überlebende in den Trümmern nach ihren Angehörigen. Trotz mehrerer Nachbeben fahndeten Rettungskräfte und Freiwillige den ganzen Tag fieberhaft nach Verschütteten. Im Internet waren unzählige Aufnahmen und Filme von zerstörten Häusern, beschädigten Fassaden, von durch Trümmer verschütteten Autos und den hektischen Bergungsarbeiten zu sehen.

Die Zahl der Erdbebenopfer könnte noch weiter steigen: Albanische Medien berichteten von zahlreichen Vermissten, die noch unter den Trümmern vermutet werden. Allein bis Dienstagmittag wurden in den Krankenhäusern der Region über 600 verletzte Erdbebenopfer eingeliefert – fast ein Drittel davon in Durrës. Wegen starker Beschädigung des Terminals blieb am Dienstag der Mutter-Theresa-Flughafen in Tirana zunächst geschlossen.

Ein heftiges Beben mit der Stärke von 5,4 wurde am Dienstag auch im Süden von Bosnien und Herzegowina registriert. Bereits am 21. September war Albanien von einem Erdbeben der Stärke 5,8 erschüttert worden. 105 Personen waren dabei verletzt und unzählige Gebäude beschädigt worden. Wie durch ein Wunder wurde damals niemand getötet.

Obwohl vor kurzem verstoßen, bietet die EU trotzdem ihre Hilfe an

Seismologen hatten in den letzten Wochen angesichts vermehrter tektonischer Aktivitäten vor der Gefahr eines neuen großen Erdbebens auf dem Westbalkan gewarnt. 1963 wurden bei einem Erdbeben der Stärke 6,1 im mazedonischen Skopje 1070 Menschen getötet und über 3000 Personen verletzt. Ein Beben der Stärke 6,4 forderte im Oktober 1969 im bosnischen Banja Luka über 1000 Verletzte und 15 Menschenleben.

Im April 1979 kamen bei einem Erdbeben der Stärke 7,0 in Montenegro und im angrenzenden Albanien insgesamt 135 Menschen ums Leben: Das gewaltige Beben machte damals von Nordalbanien bis ins kroatische Süddalmatien über 100.000 Menschen obdachlos.

Die EU hat ihren Katastrophenschutzmechanismus aktiviert. Such- und Rettungsmannschaften aus Italien, Griechenland und Ungarn seien bereits auf dem Weg, teilte die EU-Kommission am Dienstag mit. Zudem hätten auch Länder wie Deutschland, Kroatien, Frankreich und die Türkei über den Mechanismus der Union Unterstützung angeboten.

Ein Katastrophenschutzteam soll den albanischen Behörden nun bei der Koordinierung der Hilfen zur Seite stehen. Zur Beurteilung der Schäden werden zudem Satellitenbilder des Copernicus-Dienstes genutzt werden können. „Die Europäische Union steht Albanien in dieser schwierigen Zeit zur Seite“, teilte der der zuständige EU-Kommissar Christos Stylianides mit.

Weitere Hilfen stünden abrufbereit, wenn sie gebraucht würden. Albanien ist, obwohl geografisch in Europa gelegen, nicht Mitglied der Europäischen Union, strebt den Beitritt jedoch seit Jahren an. Erst im Oktober hatte Frankreich die Verhandlungen der EU mit Albanien und Nordmazedonien blockiert. Paris verlangt, zunächst das EU-Beitrittsverfahren komplett zu überarbeiten und an strengere Bedingungen zu knüpfen. Die EU-Kommission ist nun formell damit beauftragt worden, bis Januar 2020 konkrete Vorschläge für eine Überarbeitung des Beitrittsprozesses auszuarbeiten. mit dpa/AFP

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