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Jean-Paul Belmondo starb im Alter von 88 Jahren.

© JOEL SAGET / AFP

Nachruf auf französische Schauspiellegende: Belmondo spielte immer nur Belmondo

Jean-Paul Belmondo hat in seiner Rolle als Draufgänger und Gangster Filmgeschichte geschrieben. Nun ist der Franzose im Alter von 88 Jahren gestorben.

Wenn das Neue nicht attraktiv ist, kann man es gleich vergessen. Dann ist es nur neu. Die Sogkraft, die nötig ist, die Welt mit sich zu reißen, wohin auch immer, muss mehr haben.

Der Kerl, der 1959 gleich mit seiner ersten Hauptrolle weltberühmt wird, obwohl er dabei meistens im Bett liegt oder über die Champs-Élysées stromert, hat mehr. Mehr als einen muskulösen Brustkorb, den allerdings auch. Mehr als bloß Wünsche, wenn auch zuviele. Von Jean-Paul Belmondo geht in „Außer Atem“ eine Wirkung aus, die den gesellschaftlichen Aufbruch kurz vor dem sozialen Ausbruch verkörpert.

Er, der Tag-für-Tag-Ganove, ist der Individualist, der mehr aus sich machen will, als ihm zugestanden wird, und der sich das Recht nimmt, eine Naturkraft zu sein. „Eigentlich bin ich ja ein Schwein“, sagt er, „es muss sein.“ Und weil es Belmondo ist gleich noch einmal: „Es muss sein.“

Mit seiner Art, das Leben leicht zu nehmen und Probleme mit dem Charme eines Bauernjungen breit wegzulächeln, steht Belmondo Anfang der 60er Jahre an der Spitze jener Erneuerung im französischen Kino, die als Nouvelle Vague legendär werden und die Unruhen der 68er vorbereiten soll.

„Eigentlich bin ich ja ein Schwein“

Der sympathische Taugenichts, der Humphrey Bogart imitiert, Zigarette im Mundwinkel, und aus seiner Rolle als Kleinkrimineller aussteigen will, ausgerechnet, indem er sich in eine amerikanische Studentin verliebt, dieser Taugenichts vereint die Sehnsucht vieler Zeitgenossen nach wirklicher Freiheit auf sich. Und es ist einfach zu schön, wie er tödlich verletzt durch eine Seitenstraße taumelt, stürzt und auf die unbeantwortet bleibende Frage Jean Sebergs, ob sie ihn liebe, sagt: „Du bist zum Kotzen.“

Der Ästhetik des Rebellischen gibt Belmondo einen Witz und eine verspielte Nonchalance, die sich nur wirklich ihrer selbst sichere Männer leisten können. Ein solcher war er. Leider zu sicher, wie sein nach1968 zusehends verflachendes Werk zeigt, da er sich hauptsächlich auf seine Wirkung als Star verlässt und nur noch in Filmen auftritt, die ganz auf ihn zugeschnitten sind.

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Belmondo spielte immer nur Belmondo. Innerhalb einer Zeitspanne von zehn Jahren entsteht daraus Großes. Angefangen mit „Außer Atem“ und „Dennoch leben sie“ (1961) über „Der Teufel mit der weißen Weste“ (1963), „Pierrot le Fou“ (1965) bis „Das Geheimnis der falschen Braut“ und „Borsalino“ (1969), wo er nicht zum ersten Mal an der Seite Alain Delons zu sehen ist, seines französischen Antipoden.

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Während Delon cool und melancholisch ist, ein kultivierter Franzose nach Maß, wortkarg und betörend, etabliert sich „Bébel“, wie Belmondo bald liebevoll genannt wird, als ein Akteur des physischen Kinos, als einer, der sich raus- und reinhängt und ständig in Bewegung ist. Der Delon aus dem Nichts eine krachende Rechte verpasst, der an Hubschraubern hängt, über Baugerüste balanciert und immer irgendwas Dringendes zu erledigen hat, weshalb die Dialoge immer kürzer werden. Ein Film, über dem nicht „Belmondo rennt“ geschrieben stand, war wenig wert.

In ihm rumorte ein wilder Geist

Dass er zunächst Außenseiter spielte, Kleinkriminelle, Herumtreiber, lag daran, dass er mit seiner frivolen, grobkörnigen Visage an etwas Anderes gar nicht herangekommen wäre. Aber es drückte auch den wilden Geist in ihm, dem 1933 geborenen Sohn eines Bildhauers und einer Tänzerin, aus. Wuchs er doch in einem Haushalt voller Intellektueller und Künstler auf, die sich um seinen berühmten Vater scharten. Das bescherte ihm früh große Freiheiten. Er galt in der Schule als schwierig, weil undiszipliniert, boxte zum Spaß, wusste nicht, wohin mit sich. Als er sich der Schauspielerei zuwandte, tat er es gegen den dringenden Rat von berufener Seite, es nicht zu versuchen, da ihm das Talent fehlen würde.

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Dasselbe bekamen Filmemacher wie Francois Truffaut und Jean-Luc Godard damals vom französischen Establishment zu hören. Godard konnte sich nicht mal Filmmaterial leisten, als er nach einem Skript seines Freundes Truffaut einen kurzen Sketch in einem Hotelzimmer drehen wollte. Claude Chabrol, der ebenfalls zu der kleinen Gang Filmbesessener gehörte, überließ ihm, was er an Resten noch besaß.

In „Charlotte et son Jules“ betritt ein Mädchen das Zimmer und bevor es ein Wort sagen kann, quasselt Belmondo los und hört nicht wieder auf. „Ich weiß, ich bin ein Dreckskerl … Aber das gefällt dir ja … Deshalb bist du ja schließlich wiedergekommen“, sagt er. Und weil das ohne Reaktion bleibt, wird er wütend, beleidigend.

Jean-Paul Belmondo in dem Film „Cartouche, der Bandit“ 1962.
Jean-Paul Belmondo in dem Film „Cartouche, der Bandit“ 1962.

© Imago / Prod.DB

Auch sein Urteil über ihren Wunsch, Kinostar zu werden, steht fest. Was das Kino sei? „Ein Maulaffengesicht, das in einem kleinen Saal Grimassen schneidet.“

Dass der Kurzfilm später nachsynchronisiert wurde, und zwar von Godard selbst, so dass Belmondos Redeschwall nur aus Gesten bestand, war dem Umstand zu verdanken, dass der Schauspieler 1958 seinen Militärdienst hatte antreten müssen.

Für Godard war die Trennung von Bild und Ton der Beginn einer Methode. Aber es passte nur zu gut zu einer Szenerie, in der ein junger Mann so sehr auf sich fixiert ist, dass er in seiner rastlosen Tirade gar nicht mitbekommt, worum es dem Mädchen eigentlich geht: Sie hat ihre Zahnbürste vergessen. Nimmt sie und geht. Unten im Auto wartet der Neue.

Jean-Paul Belmondos Lächeln ist legendär.
Jean-Paul Belmondos Lächeln ist legendär.

© AFP

Der gequälte Sonnyboy als Egomane ist Belmondos Paraderolle von Beginn an. Die besseren Regisseure wie Godard, Chabrol und Jean-Pierre Melville wissen ihn in dieser Zerrissenheit fast wie einen Heiligen zu inszenieren, dessen Versuche, Selbstbild und Anerkennung in Deckung zu bringen, glühende Kraft besitzen. Doch der Grat zum ironischen Klamauk ist schmal. In „Cartouche, der Bandit“ geht es schon 1962 los mit der tänzelnden Lust, Gegner zu verhöhnen. Held ist Belmondo von da an oft auf Kosten der Nebenleute, die in seine Degen oder Fäuste rennen. Später, ins solidere Fach der Kino-Kommissare gewechselt, stellt er Ordnung her, indem viel Kulisse zu Bruch geht.

Sein Credo: ein Maulaffengesicht zu sein

In den 70er und 80er Jahren erobert sich Belmondo einen festen Platz im Kino mit einer Flut von Actionfiguren, die sein Haudrauf-Repertoire nur um Nuancen erweitern. Titel wie „Der Unverbesserliche“, „Ein irrer Typ“, „Der Windhund“, „Der Profi“, „Der Boss“ oder „Der Löwe“ belegen das eindrücklich. Da ist der betont unintellektuelle Star längst zum Volksschauspieler in dem Sinn geworden, dass er in Lammfelllederjacke und Jeans noch immer dem Credo seines Anfangs folgt – ein Maulaffengesicht zu sein.

Mit dem beträchtlichen Unterschied, Grimassen nun nicht mehr in kleinen Kinosälen, sondern in den größten zu schneiden. Und darum ging es immer. Vielleicht gibt keine Rolle Belmondos so sehr Einblick in sein Selbstverständnis wie die des erfolglosen Groschenheft-Autors in Philippe de Brocas „Le Magnifique“.

In dieser komödiantischen Version einer Walter-Mitty-Geschichte verwandelt sich der frustrierte Schriftsteller in seiner Fantasie in einen Topspion, dem alles gelingt. Und Belmondo nimmt den Glanz des Superhelden, um ihn mit dem Elend des Tagelöhners zu versöhnen. Als sich beide Ebenen zusehends vermischen, macht Belmondo aus der Parodie des Agentengenres ein Drama über verborgene Sehnsüchte. So viel Mensch war er geblieben.

Nach einem Schlaganfall 2001 reduziert der stattlich ergraute Star sein Pensum. Erst mit der rührenden Geschichte von einem Mann und seinem Hund kehrt er 2008 nochmal ins Kino zurück. Nun ist der Kerl, dessen Leben kaum Skandale kannte, im Alter von 88 Jahren gestorben.

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