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Die Oper , vor zehn Jahren eröffnet, steht schon unter Denkmalschutz.

© Visit Oslo/Tord Baklund

Norwegen: 48 Stunden spritziges Oslo

Abkühlung gefällig? Im Gratis-Freibad am Fjord, in der Badebucht hinterm Museum ... Norwegens Hauptstadt hat das Wasser entdeckt.

10 Uhr

Summer in the city: Was anderswo nur noch erhitztes Stöhnen hervorruft, erzeugt in Oslo weiterhin Schreie des Vergnügens. Verschwitzt von der Reise rollt man den Koffer zum Pool. Vom Hauptbahnhof sind es nur ein paar Schritte zum Fjord, durchs neue Wohnviertel Sørenga bis zum Ende der Landzunge, zum Meerwasserfreibad (Sørengkaia 69). Das wirklich frei ist, Eintritt muss niemand zahlen. Die Kleinen planschen im seichten Gewässer, die Jugend springt vom Turm, die Pärchen sonnen sich auf Decks. Wer es im Sommer nicht nach Oslo schafft – das Sørenga hat den ganzen Winter über geöffnet. Unbeheizt. Aufwärmen kann man sich in der Sauna.

11.30 Uhr

Eine Kugel Eis, fünf Euro. Der erste Preisschock der Reise. Es folgen noch einige. Ein Bier kostet selbst in der nahe gelegenen Streetfoodmarkthalle „Vippa“ acht Euro, in der „Pappabuene“, einem Gartenlokal, zahlt man 28 Euro für einen Gin Tonic und ein Glas Wein. Immerhin: mit Fjordblick. Und Trinkwasser gibt’s dort, wie überall, gratis. Am besten hört man auf, umzurechnen, sind ja nur zwei Tage. Norwegen ist selbst für skandinavische Verhältnisse ein atemberaubend teures Land, die Mehrwertsteuer liegt bei 25 Prozent. Aber der Staat tut viel Gutes damit. Wovon auch der Reisende profitiert.

13 Uhr

Die neue Hafenpromenade zum Beispiel: Neun Kilometer am Stück kann man inzwischen am Wasser entlangspazieren, im Zickzack der Topografie folgend, immer wieder neue Aussichten, auf Inseln, Leuchttürme, Hochhäuser, leider auch auf Kreuzfahrtschiffe, die fett mittendrin ankern. Dazwischen verlockende Plätze, auf denen man sich niederlässt, Holzdecks, Bänke und Treppen, so breit, dass man sich drauflegen kann. Summer in the city! Im einstigen Niemandsland.

Der Eintritt fürs Sørenga-Freibad ist gratis.
Der Eintritt fürs Sørenga-Freibad ist gratis.

© Visit Oslo/Thomas Johannessen

14 Uhr

Das Wasser liegt im Zentrum Oslos so nah – und war früher doch unerreichbar. Schnellstraße und Bahngleise schnitten die Innenstadt vom Fjord ab, den Hafen, Werft und Industrieanlagen für sich behielten. Betreten verboten. Dann ging es mit der Industrie bergab, Mitte der 80er Jahre war der Tiefpunkt erreicht. Bis die Stadt die Öffnung zum Wasser beschloss und 2000 den Masterplan für die Fjord City entwickelte. Knallorange leuchten nun die Pavillons an der Hafenpromenade dem Spaziergänger entgegen, geben geografisch, historisch und olfaktorisch Orientierung. Am Infopunkt Nummer 4 etwa erfährt man, dass dort der norwegische Ölboom begann. An einigen Türmen hängen Dosen zum Riechen, etwas, was mit dem Ort zu tun hat. Zum Beispiel der Gestank der mittelalterlichen Stadt.

15.45 Uhr

Im nächsten Jahr wird Oslo „Grüne Hauptstadt Europas“. Schon 1990 hat man hier eine Innenstadtmaut eingeführt, bald sollen die Autos ganz aus dem Zentrum verschwinden. Die Schnellstraße zwischen diesem und dem Fjord wurde in einen Tunnel gesteckt. Das macht die Metropole zum Paradies für Flaneure und Radler. Mit der Fjord City soll nicht nur die Lebensqualität, sondern auch die Gesundheit gefördert werden: mehr Bewegung! Städtische Leihräder stehen an mehr als 200 Ecken bereit. Mit einem der blau-weißen Räder fährt man schnell zum Museum.

16 Uhr

„I Still Believe in Miracles“ heißt die diesjährige Sommerausstellung im Astrup Fearnley Museum für moderne Kunst, ein geschwungener Bau von Renzo Piano. Das verwitterte Holz des Daches tut gut zwischen den glatten Neubauten drum herum, das Ganze erinnert an ein großes Bootshaus. Zu sehen sind Werke der hochkarätigen Privatsammlung, Louise Bourgeois, Richard Serra & Co. Anschließend ein Drink auf der Terrasse des Museumscafés, mit Blick auf den Skulpturenpark. Die Vingen Bar, deren Inneres mit klarem, warmem norwegischen Design besticht, hat bis 22 Uhr geöffnet. Der perfekte Rückzugsort am Abend, denn im benachbarten Aker-Brygge-Viertel geht es ziemlich rummelig zu. Am Wochenende schieben sich Osloer und Touristen softeisschleckend über die Promenade, füllen die riesigen Restaurantterrassen von Ketten wie „Jamie’s Italian“ oder „TGI Friday’s“ bis auf den letzten Platz. Früher eher als Provinzhauptstadt ignoriert, steht Oslo inzwischen auf sämtlichen Reisehitlisten.

23 Uhr

Zeit für die Oper. Noch so ein Wunder, das sichtbarste von allen: ein Bau wie ein Gletscher, halb Berg, halb Meer. Snøhetta, das die norwegische Botschaft in Berlin entworfen hat, heißt das verantwortliche Architekturbüro, so wie ein berühmter norwegischer Berg. Auch den Kulturbau haben sie als Landschaft geplant, als großzügige Geste gegenüber dem Volk. Einfach ist das Bauen hier am Wasser, teilweise sogar darauf, nirgendwo. In diesem Fall wurde das Gebäude in eine Art unterirdische Badewanne gesetzt. Die Oper ist zum Wahrzeichen der Stadt geworden, steht, als jüngstes Gebäude Europas, unter Denkmalschutz. Selbst wer nie „Aida“ hört, steigt der Kulturstätte aufs Dach und das rund um die Uhr, anderthalb Millionen Menschen im Jahr, damit hatte niemand gerechnet. Es ist, als klettere man einen Eisberg hoch und laufe hinterher die Piste runter, eine Piste aus Carrara-Marmor. Dort oben hat man man eine fantastische Aussicht, auf den Fjord, die Stadt und ihre Baustellen. Gleich nebenan zur Linken entsteht die große Zentralbibliothek, zur Rechten das Munch-Museum, in zwei Jahren sollen beide eröffnet werden, zusammen mit der neuen Nationalgalerie am Rathaus.

Bettler passen nicht ins Bild

Orangefarbene Info-Pavillons stehen an der Hafenpromenade.
Orangefarbene Info-Pavillons stehen an der Hafenpromenade.

© Visit Oslo/Didrick Stenersen

7 Uhr

Der Blick aus dem Hotelfenster des „Thief“, auf glitzernde Kanäle und das Museum für moderne Kunst, ist herrlich, das Frühstück eine Wucht, aber das Geld für den Spa kann man sich sparen. Man schnappt sich einfach ein Handtuch, wirft ein Kleidchen über und geht runter zur Badebucht hinter Renzo Pianos Museum. Selig dreht man seine Runde, nur im ersten Moment wirkt das Wasser kalt. Die Morgensonne scheint ins Gesicht, hell klingt das Glockenspiel vom Rathaus. Die Fjord City ist kein Sozialbauprojekt, man sieht den Häusern in 1-a-Lage ihren Preis an. Und doch profitieren alle davon. Denn die Immobilienentwickler mussten für die Infrastruktur zahlen. Damit wurden zum Beispiel die Badebuchten finanziert, die Plätze, die Bänke, der Straßentunnel. Und die Eigentümer sind verpflichtet, den Zugang zu ihren Flächen offen zu halten. In einer Ecke hatten vom Vergnügungslärm genervte Anwohner der Luxusapartements ein Schild aufgestellt: Baden nach acht verboten. Das ließen die Osloer sich nicht gefallen. Nach Protesten mussten die Schilder wieder abmontiert werden.

7.30 Uhr

Die Immobilienbesitzer sind auch verpflichtet, die Flächen sauber zu halten. Was sie offenbar noch gewissenhafter als die Stadtreinigung tun. Als man glücklich aus dem Wasser steigt, sind Kleidchen, Handtuch, Zimmerkarte und Flipflops verschwunden. Der Strand soll ja wieder sauber aussehen! In der Ferne ist der Straßenkehrer mit seinem Wagen noch zu erblicken, also im Badeanzug und bloßen Füßen hinter ihm hergerannt, er wühlt in den Mülltüten, fischt schließlich die Sachen heraus. Die Clean City hat auch ihre Schattenseiten. Bettler passen nicht ins Bild, sind nicht erlaubt. Anders als von den Vergnügungssuchenden ist von ihnen kein Protest zu erwarten.

Heiß und kalt. Die schwimmende Sauna kann jeder mieten.
Heiß und kalt. Die schwimmende Sauna kann jeder mieten.

© Benjamin Steil

10 Uhr

So faszinierend die Hafencity ist, so abwechslungsreich die Architektur im Vergleich zu Berlin – fast alles entlang der Promenade ist nagelneu. Was einem bald fehlt, sind die Patina, das Gewachsene, Atmosphärische, das Grün. Also läuft man ins Landesinnere, wieder am Wasser lang. Kilometerlang führen lauschige Wege am Fluss Akerselva bergauf, überall Büsche und Bäume, Enten quaken, ein 30. Geburtstag wird mit Picknick und Luftballons gefeiert, Anwohner führen ihre Dackel aus, hoch im Norden könnte man sogar ins Flussbad steigen. Da blinzelt ein rotes Häuschen aus den Büschen hervor, ein idyllisches Café mit Waffeln und Kulturangebot, das Hønse-Lovisas hus direkt am Wasserfall, einem von vielen. Am Akerselva war früher die Industrie zu Hause, deren alte Backsteingebäude sich jetzt mit neuem Leben füllen, von der Markthalle, die etwas zu luxuriös geraten ist, bis zum Architektur- und Designzentrum. Im Blå stärkt man sich im verwunschenen Biergarten bei Pizza und Livemusik. „Always look at the bride side of life, hej, hej!“, singt der Bandleader. Als müsse man noch daran erinnert werden. Eine Kettenbrücke, mehr als 150 Jahre alt, führt über den Fluss, der inzwischen so sauber ist, dass man darin Lachse angeln kann. Das hat ein paar Jahrzehnte gedauert.

14 Uhr

Am Akerselva liegt auch Grünerløkka, wahlweise als Prenzlauer Berg oder Greenwich Village von Oslo bezeichnet. Die Häuser sind alt, die Menschen jung, Arbeiter wohnen hier wohl nur noch wenige. Die trifft man eher als Ausstellungsstücke im Arbeitermuseum auf der anderen Seite des Flusses. Dafür umso mehr Hipsterbabys, ein Kinderladen reiht sich an den anderen, dazwischen verlockende Bars wie das Bass Oslo, schöne Designerläden oder Cafés wie das Supreme Roastworks. Es duftet nach warmen Zimtbrötchen. Im World-Happiness-Report landeten die Norweger in diesem Jahr an zweiter Stelle.

16 Uhr

32 Grad. Raus aus der Stadt! Ohne sie zu verlassen. Man stellt sich einfach in die Schlange am Rathauskai und zückt seinen Busfahrschein – Inselhopping zum Nahverkehrstarif, mit den Linien B1, B2 oder B3. Gressholmen ist ein skandinavischer Kinderbuchtraum. Im alten roten Gasthof, dem Gressholmen Kro, stehen heute junge Bärtige an der Theke. Die Shrimps, mit Zitrone und Salz in der Blechschale serviert, kräftiges Brot dazu, sind nach dem Baden genau das Richtige. Auf dem Rückweg: Rushhour. Erst auf dem zweiten Schiff findet man einen Platz. Alle sind ermattet.

Mit dem Schiff kommt man zum Bustarif auf die Insel Gressholmen mit ihrem alten Gasthof.
Mit dem Schiff kommt man zum Bustarif auf die Insel Gressholmen mit ihrem alten Gasthof.

© Benjamin Steil

23 Uhr

Zeit für den Sundowner, nur ohne Sonnenuntergang. Noch immer ist es hell, man badet im Licht. Aperol Spritz im „SALT“, einem Kunst-Sauna-Pizza-Bar-Projekt mit Opernblick. Eines von diversen Pop-up-Etablissements, die als lebendige Platzhalter dienen im Entwicklungsprozess der Fjord City. Oslo ist die am stärksten wachsende Hauptstadt Europas – allerdings bei derzeit erst 688 000 Einwohnern. Aber immerhin, 1984 waren es nur 445 000, und in 20 Jahren sollen es eine Million sein. Bis dahin wird die komplette Fjord City wohl stehen.

Reisetipps für Oslo

Hinkommen

Mit Norwegian Air ab Berlin Schönefeld, einfache Strecke ab 39,90 Euro, norwegian.com/de.

Seit einer Woche fliegt Easyjet von Tegel nach Oslo, ab 36,20 Euro. easyjet.com.

Unterkommen

Das Fünf-Sterne-Haus „The Thief“ ist das einzige Hotel der Innenstadt, das so nah am Wasser liegt. Doppelzimmer ab 315 Euro, inklusive großem Frühstück und Eintritt ins benachbarte Astrup Fearnley Museum, thethief.com.

Deutlich günstiger, aber ebenfalls mit Fjordblick, schläft man auf der Insel Langøyene. Dort darf jeder sein Zelt aufstellen – gratis. Am Kiosk gibt’s Kaffee. Die Schiffslinie B4 fährt vom Rathauskai aus nach Langøyene. Mehr unter: visitoslo.com/de.

Rumkommen

Oslo hat ein gutes öffentliches Nahverkehrssystem. Achtung: Die Fahrkarten für Bus, Straßenbahn, U-Bahn und Schiffe vorher am Automaten oder Kiosk kaufen. Im Oslo Pass (41 Euro für 24 Stunden) sind sie enthalten.

Ein Tagespass für die Stadtfahrräder kostet circa fünf Euro: oslobysykkel.no.

Mehr unter: visitnorway.de.

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