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26. Januar 2010: Tag 9: Aufräumarbeiten in Haiti: Als kämen sie frisch aus der Dusche

Die Haitianer bemühen sich auch in bitterster Not um Sauberkeit und Würde – die ersten Banken haben geöffnet.

Auf jedem freien Flecken, den die Hauptstadt Haitis zu bieten hat, sind inzwischen ihre Überlebenden zu Hause. Ein Tuch, wenn es gut geht, auch eine Plane – und die meisten Menschen sind trotz des Chaos um sie herum erstaunlich ruhig.

Auf dem St. Peters Square ist kein Fleckchen Erde mehr zu sehen. Am Rand des kleinen Parks steht ein provisorisches Häuschen aus blauen Planen. Ein Kunsthändler hat eine Mauer mit Beschlag belegt und bietet auf vielen Metern naive Bilder an. Wo sollen die Menschen ohne Wohnung diesen Schmuck jetzt aufhängen? In dieser Gegend der Stadt stehen recht viele Häuser sogar noch – drinnen ist trotzdem niemand.

Ein paar Ecken weiter haben die Leute die ganze Straße gesperrt – sie ist jetzt ihr Zuhause. Auf der Hauptstraße legen Menschen vor dem Dunkelwerden ein Laken auf den Asphalt, ihr Bett für die Nacht. Hier in der breiten Hauptstraße ist es sicherer als in einer engen Gasse, wo die Gefahr droht, bei einem Nachbeben vom Rest der eigenen Bleibe doch noch erschlagen zu werden.

Schaut man all die Leute an, die geschäftig auf den Straßen unterwegs sind, möchte man meinen, sie kämen frisch aus einer Dusche. Die haben sie definitiv nicht. Aber im größten Chaos ist Würde ein hohes Gut. Wie schaffen es diese Menschen, Tag für Tag ohne Habe so ordentlich zu wirken? Viele haben nur das eine Hemd und die eine Hose.

Am Rande des Platzes haben, wie überall an den Straßenrändern, längst kleine Händler Stände eingerichtet. Eine Kiste, eine Zeitung als Unterlage – oder einfach ein kleines Bündel in der Hand, Zuckerrohr bieten sie aus Schubkarren an. Obst gibt es, Toastbrot, Baguette, Reis, Spaghetti, Kekse, Handykarten, Ladestationen, Medikamente in allen Farben.

Toiletten gibt es rund um den St. Peters Square allerdings nicht, das sagt jedenfalls die Nase. Wie hält man es aus, auf der allgemeinen Toilette zu wohnen?

Himmel und Menschen sind unterwegs, zu Fuß, mit dem Tap Tap, wie die Sammeltaxen hier heißen, mit dem Auto. In vielen Straßen herrscht Stau. Es gibt wieder Benzin zu kaufen. An einigen Banken und den leuchtend gelben Geldtransferstellen stehen Menschen wieder Schlange. Sie hoffen, dass ihre Bank heute offen hat und es endlich wieder Gourdes, ihre heimische Währung, gibt. Seit dem Beben haben Banken wie große Supermärkte zu. Aber die ersten machen seit ein paar Tagen wieder auf. Die Scotiabank, die Sogebank, Western Union haben ihre Geschäfte in einigen Filialen wieder aufgenommen. Übers Radio sind die Mitarbeiter aufgefordert worden, zur Arbeit zu kommen. Von neun bis zwölf gibt es an einigen Stellen wieder Geld. Abends leuchtet vor einer Bankfiliale der Computerschirm eines Geldautomaten aufreizend in die Dunkelheit hinaus. Keine Schlange. Kein Geld.

Dollar, ein in der Karibik sonst gern gesehenes Zahlungsmittel, nehmen die Haitianer zurzeit nicht so gern – der Wert hat in den vergangenen Tagen stetig abgenommen, die Schwarzmarkthändler machen gute Geschäfte. Auch Bierhändler machen ihren Schnitt. Binnen Tagen ist bei ihnen der Preis für eine kleine Flasche Prestige um 100 Prozent gestiegen. Wer etwas zu verkaufen hat, ist unterwegs, jeden Tag scheinen es mehr Händler zu werden. Shirts, Schuhe, Videos. Ein Mädchen bietet im Schatten eines Baumes Lauchzwiebeln an.

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