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Panorama: Abgesang auf den alten Grand Prix

Die ARD erwägt nach dem Quotendebakel eine „Superstarisierung“ des Wettbewerbs

„Man kann sich vieles überlegen – auch das Ende der deutschen Vorausscheidung für den Grand Prix d’Eurovision.“ Tatsächlich wird und will es NDR-Unterhaltungschef Jürgen Meier-Beer so weit nicht kommen lassen. Aber nach dem Quoteneinbruch – am vergangenen Freitag schalteten nur mehr 5,9 Millionen die ARD ein, 2003 waren es 8,7 Millionen – beginnt für Meier-Beer die Analyse. Deren „heiße Phase“ wird nach dem Grand-Prix-Finale am 24. Mai in Riga starten, wie Meier-Beer dem Tagesspiegel am Montag sagte. Für ihn gehören beide Wettbewerbe zusammen: „Sollte Lou in Riga gewinnen oder sich sehr gut platzieren, dann ist die Diskussion doch beendet.“ Er erinnerte zum Beispiel an die Konkurrenz 1999, damals gewann die Ralph-Siegel-Kreation „Surprise“ die Vorausscheidung und landete beim internationalen Finale auf Platz drei. „Die Einschaltquote war aber nur leicht überdurchschnittlich.“ Anders im vergangenen Jahr, als der ewige Siegel die blinde Sängerin Corinna May an die Bühnenrampe schob: Herausragender Zuschauerzuspruch bei beiden Veranstaltungen, Corinna May international allerdings ganz weit hinten.

Der ARD-Programmdirektor Günter Struve machte gestern Druck. „Bei diesem Konzept kann es nicht bleiben. Dies war allerdings schon vorher bekannt. Dazu hätte es nicht des vergangenen Freitags bedurft“, sagte Struve gegenüber dpa. „Solch ein Wettbewerb braucht seine Ecken und Kanten“, sagte er weiter. „In den vergangenen Jahren hatten wir Teilnehmer wie Stefan Raab, Guildo Horn oder Rudolph Moshammer, die den Grand Prix emotional nach vorne gebracht haben. Die Kraft der Songs reicht nicht allein zum Gelingen.“ Es müsse außerdem überlegt werden, in welcher Form das Auswahlverfahren „dramatischer auf den Punkt“ gebracht werden könne.

Für den NDR-Unterhaltungschef sind die „Zuschauer-Voten verlässlicher als die Entscheidungen der Experten“. Das mitbestimmende Fernsehpublikum würde sehr wohl das internationale Finale im Hinterkopf haben, der deutsche Vertreter werde quasi für die deutsche Außendarstellung mit in die Pflicht genommen. „Ein Elmar Brandt kann mit einer Gerhard-Schröder-Verballhornung nicht landen, jetzt, wo die deutsche Außenpolitik, die deutsche Position in der Irakfrage so viel Anerkennung in Europa finden.“ Da ist Lou mit ihrem Song „Let’s get happy“ doch unverfänglicher. Das sind nun fast schon intellektuelle Überlegungen, bei einer Veranstaltung, die klar auf den Bauch abzielt. „Corinna May konnte“, sagt Meier-Beer, „sehr, sehr viel Emotionalität vermitteln, wie übrigens die ,Superstar-Show’ bei RTL in diesem Jahr.“ Diese Emotionalität vermochte die Vorausscheidung 2003 nicht zu mobilisieren. Meier-Beer sieht für die Zukunft mehrere Optionen: Die erste und unwahrscheinlichste ist die Abschaffung der Vorauswahl. Die zweite „ist die Anpassung der Erwartungen an die Realität – vielleicht sind rund sechs Millionen Zuschauer in der ARD realistischer als beinahe neun Millionen.“ Die letztjährige Quote war übrigend der größte Erfolg, den eine ARD-Unterhaltungsshow während des ganzen Jahres einfahren konnte. Zum Dritten wäre die „Superstarisierung“ eine Denkfigur – die Einmal-Veranstaltung des deutschen Grand Prix in eine „Show-Reihe“ zu übersetzen. Der NDR-Unterhaltungschef sagt nicht, welche Option ihm die liebste wäre, aber ein deutscher Grand Prix in Serie, dieser Gedanke lässt ihn nicht los.

Wo größte Gefahr droht, da naht das Rettende auch schon: Der internationale Grand Prix d’Eurovision de la Chanson findet in jedem Falle statt. Ob die Deutschen teilnehmen oder nicht, ob eine deutsche Ausscheidung vorgeschaltet ist oder nicht. Und der Andrang ist bereits enorm. „2004 wird es ein zweitägiges Finale geben“, sagt Meier-Beer. Am Freitag geht es in die Qualifikation, am Samstag in die Endrunde. Laut Meier-Beer ist „Deutschland fürs Finale gesetzt“. Sollte Lou Ende Mai in Riga gewinnen, ist Deutschland als Siegerland auch Austragungsort 2004. Dann werde der NDR eine Ausschreibung vornehmen, „bei der sich jede Stadt bewerben kann“. „Let’s get happy“, Germany.

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