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Abschied von Bernd Eichinger: Eine Handvoll Magnolien

Der Abschied von Bernd Eichinger in München wird zur großen Inszenierung – die Filmwelt zeigt Gefühl. Freunde und Weggefährten erweisen Eichinger die letzte Ehre.

„Bernds Tod wirkt wie ein falscher Schnitt.“ Regisseur Tom Tykwer spricht an diesem strahlenden Februarmorgen aus, was wohl alle Trauergäste in der voll besetzten Münchner St.-Michael-Kirche bis zuletzt insgeheim gehofft hatten. Dass Bernd Eichingers plötzlicher Herztod bei einem Abendessen in Los Angeles vielleicht doch nur ein Versehen war, ein handwerklicher Patzer in dreißig Jahren Filmgeschäft. Doch jener Cutter, der das Leben des 61-Jährigen so jäh beendete, pflegt seine Entscheidungen nicht zu korrigieren. Die katholische Jesuitenkirche St. Michael, zu der an diesem Vormittag alles strebt, was in der Film- und Fernsehbranche Rang und Namen hat, liegt in der Münchner Innenstadt, vis-à-vis dem mächtigen Polizeipräsidiums in der Ettstraße. Angesichts der überwältigenden öffentlichen Anteilnahme hatten das Erzbistum München-Freising und die Constantin Film kurzfristig beschlossen, die Trauerfeier nach draußen zu übertragen. Die geladenen Gäste, unter ihnen Hannelore Elsner, Katja Flint, Iris Berben und Sohn Oliver, Christiane Paul, Doris Dörrie, Thomas Kretschmann, Bruno Ganz, Wim Wenders, Sönke Wortmann, Blacky Fuchsberger, Uwe Ochsenknecht und viele andere werden über einen 70 Meter langen schwarzen Teppich geleitet.

Von Los Angeles, der Stadt der Engel, führte Bernd Eichingers letzter Weg in eine Kirche voller Engel zurück. Sankt Michael, ein mächtiger Bau zwischen Renaissance und Barock, galt jahrhundertelang als Hort der Gegenreformation und birgt die Fürstengruft der Wittelsbacher. An diesem Vormittag scheint die Sonne diagonal auf das Altarbild. Es zeigt den Erzengel Michael im Kampf mit dem Teufel. Auch neben und über den zahlreichen Seitenaltären streben Engelsscharen in die Höhe. Und mittendrin steht auf einem schwarz umhüllten Steinsockel die Urne des Mannes, der mit seinen Firmen Solaris und Neue Constantin die westdeutsche Filmgeschichte seit dem Millionenerfolg „Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“ anno 1981 bis zu „Der Untergang“ maßgeblich prägte. Letztes Jahr hatte er mit dem Berliner Rapper Bushido die Dokumentation „Zeiten ändern dich“ gedreht, nun schleicht sich das Enfant terrible etwas betreten in eine der vorderen Kirchenbänke. Sie sind mit langen, von Efeu und Trauerflor umwundenen weißen Rosen geschmückt. Zu Füßen der Urne liegen ein Strauß roter Rosen und viele Kränze. Von Eichingers kalifornischem Freund und Regiekollegen Wolfgang Petersen („Die unendliche Geschichte“) und dessen Frau Maria stammt gar ein ganzer Ball aus weißen Rosen. Auch zwei andere Kalifornien-Enthusiasten, Thomas Gottschalk mit Frau Thea, erweisen Eichinger die letzte Ehre.

In Los Angeles, sagt Eichingers Weggefährte Uli Edel aus Studententagen an der Münchner Hochschule für Fernsehen und Film, habe sein Freund mit zwei Oscar-Nominierungen beglückt die Anerkennung genießen können, die er in Deutschland vermisst habe. Lange Haare, Koteletten und einen grünen Cordanzug trug „Bernie“ damals in den frühen Siebzigern, und er nannte sich Johnny, erinnert sich Edel, dem das „unverschämte Selbstbewusstsein“ Eichingers damals gar nicht gefiel. Doch auf jeden Streit folgten „bacchantische Versöhnungsrituale“. Durch sein visionäres Talent und seine grenzenlose Energie bei seinem lebenslangen Vorhaben, aus Filmen Ereignisse zu machen, sei Bernd Eichinger selber zum Ereignis geworden. Sein Schlachtruf „Keine Gefangenen, Alter!“ habe nicht nur beim Drehen signalisiert: keine Kompromisse. Uli Edel, Regisseur unter anderem der viel diskutierten Constantin-Produktion „Der Baader Meinhof Komplex“, ruft seinem Freund „Johnny Boy, Goodbye!“ nach.

Seitlich vom Altar ist ein großes Bild des lächelnden Bernd Eichinger aufgebaut – mit der linken Hand fasst er sich ans Herz, in der rechten hält er den Ehrenpreis, den ihm im vergangenen April die Deutsche Filmakademie für sein Lebenswerk verlieh – und sich gefragt hatte, ob dieser vitale Mann, dieser leidenschaftliche Verfechter des Illusionären, mit sechzig nicht zu jung für eine solche Ehrung sei. Jesuitenpfarrer Karl Kern hält die Predigt und spricht den Verstorbenen ganz direkt mit „Bernd“ an – es ist ein Abschied unter Freunden. Im Kreise von Eichingers Regie- und Produzentenkollegen wie Wim Wenders, Sönke Wortmann, Nico Hofmann oder Günter Rohrbach vergleicht der Pater ihn mit einem Zeus auf dem deutschen Filmolymp. Ein Freund war Bernd Eichinger, dieses groß denkende Genie der Geselligkeit, der als nächstes Projekt die Verfilmung des Lebens von Natascha Kampusch plante (auch sie war zur Trauerfeier gekommen), ebenso für den Münchner Oberbürgermeister Christian Ude. „Glamour allein bringt eine Stadt nicht zum Leuchten“, sagt Ude über den „München leuchtet“-Preisträger Bernd Eichinger. Zwar wurde Bernd Eichinger am 11. April 1949 in Neuburg an der Donau geboren, besuchte in München aber das Gymnasium und fühlte sich der Stadt immer verbunden. Und sie sich ihm: Seit Eichingers Tod sind Litfaßsäulen in der Leopoldstraße und vor seinem Lieblingslokal „Schumann’s“ mit einem Porträt des lächelnden Tycoons in Jeansjacke tapeziert. Überall in der Filmstadt München war „der Bernd“ präsent. Als seine Filmfirma aus allen Nähten zu platzen drohte, setzten Eichinger und Ude alle Hebel in Bewegung, damit die Constantin ein neues Domizil in Schwabing beziehen konnte, unweit ihrer Gründungsstätte.

„Weite Arme, strahlende Augen und ein großes Herz, von dem wir mit Entsetzen lernen müssen, dass es zu groß war“ – dieses Fazit zog der 82-jährige Produzent Günter Rohrbach, Aufsichtsratsmitglied der Constantin Film. „Bernd, musste das sein?“, fragte er mehrfach in tiefer Ratlosigkeit ins Kirchenschiff hinein. Er, der zwanzig Jahre Ältere, habe fest damit gerechnet, dass Eichinger eines Tages seine Grabrede halten würde. „Dein Tod, Bernd, das sind wir. Das sind Millionen Menschen, die dein Kino liebten.“ Tom Tykwer, Eichingers Trauzeuge und Regisseur der von Eichinger produzierten Verfilmung von Patrick Süskinds Bestseller „Das Parfum“, wandte sich an die Witwe Katja. An ihrer Seite habe Bernd Eichinger gelernt, seine Getriebenheit abzulegen.

Martina Gedeck, die mit so unheimlicher Kraft im „Baader Meinhof Komplex“ Ulrike Meinhof verkörpert hatte, wirft als letzte Trauerrednerin Bernd Eichinger eine Handvoll Magnolien nach – „für dein wundervolles Lächeln“.

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