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Ägypten: Der mysteriöse Tunnel

Im ägyptischen Tal der Könige legten Archäologen einen Schacht frei – doch der Fels der Pharaonen gibt sein Geheimnis nicht preis.

Schatzsuche im Tal der Könige: Drei Jahre schufteten ägyptische Archäologen und Ingenieure in dem über 3000 Jahre alten Felsentunnel, der unter der prunkvollen Grabkammer von Pharao Sethos I. in die Tiefe führt. Stück für Stück musste die Decke abgestützt und der Schutt in kleinen Loren ins Freie geschafft werden. In teilweise lebensgefährlicher Arbeit drangen die Forscher schließlich 174 Meter in den fragilen Schacht vor in der Hoffnung, er werde sie zu einem bislang unentdeckten – und vielleicht noch unversehrten – Königsschatz führen. Unterwegs fanden sie kleine Figuren, Tonscherben und Steinfragmente mit dem Namen des Grabbesitzers. Die freigelegten Felswände waren voller Skizzen für opulente Reliefs und Wandmalereien, die allerdings nie verwirklicht wurden.

Am Ende allerdings war die Enttäuschung groß. Die mysteriösen Korridore und Treppen des so genannten Schacht K enden im Nichts. Eine dekorierte Fläche mit Inschrift erwies sich als Scheintür. Wieder einmal hatte der weltberühmte Fels der Pharaonen sein Geheimnis nicht preisgegeben. „Die letzte Treppenstufe blieb unvollendet, der Tunnel endet abrupt“, erläuterte der umtriebige Chef der ägyptischen Altertümerverwaltung, Zahi Hawass, die Bilanz der aufwändigen Arbeiten. Offenbar habe Sethos I., der um 1279 v. Chr. nach einer zwölfjährigen Regierungszeit gestorben war, seine Baupläne nicht komplett verwirklichen können. Als zweiter Herrscher der 19. Dynastie ist er der Vater von Ramses II., der bis heute zu den bedeutendsten Staatsmännern Ägyptens zählt.

1817 entdeckte der Italiener Giovanni Battista Belzoni die zehnräumige prächtig ausgemalte Ruhestätte im Südosten des Königstals, die heute den wissenschaftlichen Kurztitel KV 17 trägt. Schon damals drang Belzoni 90 Meter in den mysteriösen Schacht vor. Der ägyptische Hobbyarchäologe Scheich Ali Abdel Rassoul kämpfte sich 1960 bis zu Meter 136 vor. Dann musste er aufgeben, weil seine Männer unter Atemnot litten. Von 2007 an wurden schließlich unter Regie der ägyptischen Antikenverwaltung die letzten 38 Meter mit weiteren 54 Treppenstufen freigelegt. Schon im Vorfeld des riskanten Tunnelaushubs allerdings hatten andere Forscher die Spekulationen über eine mögliche zweite versteckte Grabkammer als Wunschdenken abgetan. Der Schacht habe keine praktische, sondern eher eine symbolische Bedeutung, argumentierten sie. Zahi Hawass jedoch ließ sich nicht beirren: „174 Meter für ein Symbol, ist das nicht sehr viel Aufwand?“, fragte er damals und gab die Grabungen in Auftrag.

Denn für den ehrgeizigen ägyptischen Antikenchef, der vor Ort stets mit einem Indiana-Jones-Hut auftritt, ist das Tunnelprojekt erst der Anfang. „63 Gräber wurden im Tal der Könige gefunden – kein einziges durch einem Ägypter entdeckt“, sagt er im Gespräch mit dem Tagesspiegel. Seit drei Jahren gebe es nun dieses erste Grabungsvorhaben, bei dem nur ägyptische Wissenschaftler mitarbeiten. „Darauf bin ich sehr stolz.“ Ob das pharaonische Felsental neben dem berühmten Grab des Tutanchamun, das 1923 von dem Briten Howard Carter aufgespürt wurde, demnächst noch einen weiteren unversehrten Schatz freigeben könnte, darauf will er sich nicht festlegen. „Soweit sind wir noch nicht“, wehrt er ab. „Aber wir wissen, dass es noch unentdeckte Königsgräber gibt – wie das von Thutmosis II. oder Ramses VIII.“ Auch alle Gräber der Königinnen der achtzehnten Dynastie seien noch nicht lokalisiert, die letzte Ruhestätte der Nofretete unbekannt. Natürlich hoffe er auf einen zweiten Goldschatz, sagt der 63-Jährige lachend beim Gespräch in seinem Kairoer Büro. „Das wäre der krönende Abschluss meiner Karriere. Dann würde ich meinen Posten hier sofort aufgeben und bis zur Rente in dem neu entdeckten Königsgrab arbeiten. Aber dazu braucht es schon sehr viel Glück.“

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