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Der Musiker Nissim Black hat eine besonders strenge Form des Judentums gewählt.

© Marko Dashev

Afroamerikanischer Musiker in Israel: Nissim Black rappt im Auftrag Gottes

Die Songs von Nissim Black waren hart und schmutzig. Dann fand er zum orthodoxen Judentum.

Mit gesenktem Kopf betritt Nissim Black das kleine Café in einem ultraorthodoxen Viertel von Jerusalem. Der Rapmusiker kommt von Studioaufnahmen. Er trägt einen langen schwarzen Mantel, einen großen schwarzen Hut und Schläfenlocken, den Blick richtet er zum Boden. Die fremde Frau gegenüber sieht er nicht an. Das würde gegen seine strengen Glaubensvorschriften verstoßen.

Nissim Black, der 31-jährige Afroamerikaner aus Seattle, rappte einst hart und schmutzig. Er zeigte sich in seinen Videoclips mit viel Bling-Bling um Hals und Armgelenk neben kaum bekleideten Frauen und vor aufgemotzten SUVs. Heute lebt er züchtig und gottesfürchtig in Jerusalem.

„Ich stehe auf und gehe zum Morgengebet"

Er ist zum Judentum konvertiert, die strengreligiösen Regeln der Charedim bestimmen seinen Tagesablauf: „Ich stehe auf und gehe zum Morgengebet. Einen großen Teil meines Tages verbringe ich im persönlichen Gebet, bitte Gott, mich ihm näher zu bringen. Ich habe Lernpartner, mit denen ich die religiösen Schriften studiere. Abends höre ich Vorträge von Rabbinern. Meist komme ich dann erst sehr spät nach Hause“, erzählt er.

Zwischendurch arbeitet er an seinem neusten, dem dritten religiösen Album. Die Rapmusik hat Nissim Black trotz des Lebenswandels nicht aufgegeben. Doch sein Sprechgesang ist sanfter geworden, die Töne poppiger. Auch die Texte haben sich verändert. Heute rappt er von und zu Gott: „Deine Herrlichkeit ist ein Licht, heller als die Sonne“, heißt es in dem Song „King of the World“. „Aber ich kann es nicht sehen, ich habe ein Bauchgefühl. Ich bin dein Diener, bitte nutze mich, nimm mich, wähle mich.“

An der Theke bestellt der rundliche Rapper eine Zimtschnecke. Eigentlich sei er auf Diät, sagt er, doch er könne nicht widerstehen. Er lacht kurz. Nissim ist öfter hier, eine ältere Dame am Tisch nebenan kennt ihn, fragt, wie es seinen Kindern geht. „Baruch Hashem (Gott sei Dank)“, sagt Nissim, der mit seiner Frau fünf Kinder großzieht. „Allen geht es gut.“

Nissim stammt aus einer Rapperfamilie in Seattle

Nissim Black hat lange gesucht, nach Gott, nach der Wahrheit, bis er hier in der heiligen Stadt gelandet ist. Im Video zu seinem alten Song „Get Loose“ zeigte er sich noch mit einem goldenen Kreuz um den Hals. Nissim war Christ – und davor auch Muslim: „Ich war noch sehr jung, als ich den Islam durch meinen Großvater kennenlernte. Er war sunnitischer Muslim, ging dann aber zurück ins Gefängnis. Als ich so um die 13 Jahre alt war, brachte mich ein Onkel dem Islam näher.“

Nissim stammt aus einer Rapperfamilie in Seattle. Auch seine Eltern machten Musik – und vertickten nebenher Drogen. Sein Weg war vorgezeichnet. Doch die Sache mit Gott ließ ihn nicht los. Ein Freund nahm in mit in eine christliche Gemeinde, die ein Hiphop-Programm hatte, das sprach ihn an.

Er blieb, leitete später Bibelgruppen. Doch die dunklen Seiten des Rap-Business holten ihn ein. Bis der Punkt kam, an dem es für ihn nicht mehr weiterging. „Ich geriet in eine Auseinandersetzung mit einem anderen Künstler, er hatte meinen Namen in einer seiner Aufnahmen in einem äußerst despektierlichen Zusammenhang genannt. Das führte zu einem Streit in einem Nachtclub. Ein Freund von mir versuchte, ihn zu töten. Seine Leute wollten daraufhin mich kriegen – und ich rief zu Gott.“

Dass er zum Judentum fand, war eher Zufall. „Es waren kleine Schritte. Am Anfang suchte ich einfach nur Gott, die Wahrheit, nicht eine andere Religion. Und ich war bereit, mein ganzes Leben dieser Wahrheit zu unterwerfen und Dinge zu ändern, die meine Wut, meine Kindheit betrafen.“ Er suchte die Wurzeln des Christentums – und kam zum Judentum. Von da war der Weg zur Einwanderung nach Israel nicht mehr weit. Er wollte nach Jerusalem.

Er hat sich den Bratzlawer Juden angeschlossen

Seine Erfahrungen hat Nissim in seiner Musik verarbeitet, wie in „A Million Years“. Darin rappt er: „Ich war von Melancholie umhüllt, bis du kamst und abgestaubt hast, meinen Glanz enthüllt hast. Ich habe nach dem Kern der Existenz gesucht, wollte dich finden, aber konnte den Eingang nicht sehen. Ich kam aus der Ferne, wo alles anders war. Ich habe dich gerufen, und du hast mir gezeigt, dass du zuhörst.“

Nun ist das Judentum vielfältig: Es gibt vor allem in den USA zahlreiche reformierte Gemeinden, die es mit den Regeln nicht ganz so ernst nehmen, deren Mitglieder im Vergleich zu orthodoxen Juden auch am Schabbat Auto fahren und den Herd einschalten, die ab und an Schweinefleisch essen und nicht jeden Tag drei Mal beten.

Nissim Black aber entschied sich für die strenge Variante. Er hat sich den Bratzlawer Juden angeschlossen, die den Lehren des 1810 verstorbenen Rabbiners Nachman folgen. Neben dem Studium der Thora setzen sie auf religiöses Erleben. „Wir sind bekannt dafür, dass wir jedes Jahr zum jüdischen Neujahresfest an das Grab von Rabbi Nachman in Uman in der Ukraine pilgern. Für ihn war es wichtig, dass seine Anhänger an diesem Feiertag bei ihm sind, und deshalb fahren wir, manchmal sind wir 50.000.“

Fremde Frauen schaut der Rapper nicht an

An 613 Mitzwot, religiöse Regeln, muss sich Nissim Black halten. Doch auch innerhalb der Welt der Strengreligiösen gibt es Abstufungen. Nissim hat sich entschieden, den besonders strengen Auslegungen zu folgen. Deshalb schaut er fremde Frauen nicht an, selbst wenn sie ihm nur auf der Straße entgegenkommen. Er gibt ihnen nicht die Hand und würde sich nie allein mit ihnen in einen Raum setzen und die Tür hinter sich schließen.

Rappen aber ist für ihn in Ordnung. Er sieht da keinen Widerspruch, eben weil er seinen Musikstil geändert hat: „Ich denke nicht so viel über diese beiden Dinge nach. Ich spreche, ich singe aus dem Herzen. Meine Lieder handeln von Gott, von der Einheit, von innerer Stärke, diese Dinge sind mir wichtig. Definitiv haben die sich auf meine Musik, deren Inhalt und meine Botschaft ausgewirkt.“

Das sehen nicht alle Gottesfürchtigen so. Nissim Black, der vor allem im Ausland auftritt und bei Studenten in Thoraschulen beliebt ist, hört immer wieder von Rabbinern, die ihn zunächst ablehnen. „Aber ich denke, es ist oft besser, dass die Kinder meine Musik hören als andere Sachen“, sagt er. „Ich habe mit meiner Musik die Fähigkeit, eine ganze Menge Menschen anzusprechen, mehr Menschen, als ein Rabbiner das heutzutage kann.“

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