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Aids: HIV-Infektionen in Deutschland nehmen drastisch zu

Es sind alarmierende Zahlen: Nach Angaben der Deutschen Aids-Stiftung haben sich in diesem Jahr in Deutschland rund 30 Prozent mehr Menschen mit HIV infiziert als im vergangenen Jahr. Auch weltweit stieg die Zahl der Infektionen an.

Bonn/Berlin/New York - Das Berliner Robert Koch-Institut (RKI) schätzt die Zahl der HIV-Neuinfektionen für 2005 auf bundesweit etwa 2600. Die Deutsche Aids-Stiftung sprach am Montag in Bonn von einem dramatischen Anstieg um bis zu 30 Prozent in diesem Jahr. Zum Weltaidstag am 1. Dezember mahnte UN-Generalsekretär Kofi Annan die internationale Gemeinschaft, den Kampf gegen die globale Epidemie der Immunschwäche zu verstärken. «HIV/Aids ist weltweit gesehen die größte medizinische Katastrophe der Neuzeit seit Auftreten der Pest im 14. Jahrhundert», sagte auch RKI-Präsident Reinhard Kurth. Die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen und die Kindernothilfe forderten speziell auf Kinder zugeschnittene Aidsmedikamente.

Weltweit hat die Aidsepidemie mit erstmals mehr als 40 Millionen Infizierten einen neuen Höchststand erreicht, wie aus dem kürzlich veröffentlichten Weltaidsbericht 2005 hervorgeht. Während der Schwerpunkt in Afrika liegt, ist Deutschland wie die übrigen Industrienationen zwar weniger stark betroffen. Doch durch wachsende Sorglosigkeit steigen die Infektionszahlen in vielen Industrieländern zurzeit Besorgnis erregend an. In Deutschland leben nach RKI-Angaben inzwischen rund 49 000 HIV-Infizierte. Etwa 31 000 davon sind Männer mit homosexuellen Kontakten. Auf diese Gruppe entfallen auch etwa 70 Prozent der Neuinfektionen dieses Jahres.

Heterosexuelle Kontakte hatten in Deutschland dem RKI zufolge einen Anteil von 20 Prozent an den HIV-Infektionen im laufenden Jahr, verseuchte Drogen-Spritzen 9 Prozent. In einem Prozent aller Fälle steckten Schwangere ihre Kinder an. Jede 5. neue Ansteckung wird nach Informationen der Aids-Stiftung bei Menschen festgestellt, die aus besonders von HIV betroffenen Regionen der Welt nach Deutschland gekommen sind.

Im vergangenen Jahre wurden nach RKI-Daten 2058 neue HIV- Infektionen gemeldet, 2003 waren es 1827. Ein direkter Vergleich mit den geschätzten Infektionen für dieses Jahr ist nach Institutsangaben nicht möglich, weil zwischen Infektion und Test ein unterschiedlich langer Zeitraum liegen kann. Das günstige deutsche Abschneiden im internationalen Vergleich zeigt nach Darstellung der Aids-Stiftung zwar, dass die Prävention in Deutschland insgesamt erfolgreich ist. Der beobachtete Zuwachs stützte aber die Forderung nach einer verstärkten Aufklärung der breiten Öffentlichkeit, sagte Stiftungsvorstand Ulrich Heide.

Nach Annans Worten hat die Welt große Fortschritte im Kampf gegen die Immunschwäche gemacht. «Wir sehen Zeichen des Fortschritts in fast allen Regionen der Welt», sagte der UN-Generalsekretär in New York. Heute stünden jährlich rund 8 Milliarden US-Dollar (6,8 Milliarden Euro) für die Aids-Bekämpfung in den Entwicklungsländern zur Verfügung. Vor zehn Jahren seien es nur 300 Millionen US-Dollar gewesen. Um die Verbreitung von Aids bis zum Jahre 2015 zu stoppen, müsse allerdings noch sehr viel mehr getan werden. «Aids zu stoppen, ist nicht nur ein Millenniums-Entwicklungsziel für sich, sondern eine Voraussetzung für die meisten anderen Ziele», betonte Annan.

«Jeder sechste Mensch, der an Aids stirbt, ist ein Kind. Trotzdem gibt es immer noch keine Aids-Medikamente speziell für Kinder, deren Körper einfach anders funktionieren», bemängelte die Schauspielerin Natalia Wörner zum Start der Aids-Kampagne der Kindernothilfe. Dazu berichtete die medizinische Koordinatorin von Ärzte ohne Grenzen in Kenias Hauptstadt Nairobi, Rachel Thomas: «Da wir keine für Kinder dosierten Kombinationspräparate haben, müssen wir die Erwachsenentabletten mit Mörsern zerkleinern.» Damit sei jedoch keine genaue Dosierung möglich.

Weltweit sterben nach Angaben der Hilfsorganisation Millionen HIV- infizierte Kinder vor ihrem zweiten Geburtstag, weil lebensverlängernde Medikamente fehlen. Weil in armen Ländern kaum Gewinn zu erwarten sei, investierten jedoch nur wenige Pharmaunternehmen in entsprechende Medikamente und Tests. (tso/dpa)

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