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Panorama: Am Strand spaltet sich die Nation

ROSTOCK . Die Nackten sind an der Ostsee auf dem Vormarsch.

ROSTOCK . Die Nackten sind an der Ostsee auf dem Vormarsch. Anhänger der Freikörperkultur zeigen immer häufiger blanken Busen und Po am Textilstrand, was vielerorts zu einem empörten Aufschrei der Badehosenträger führt. Zehn Jahre nach dem Mauerfall ist die Nation gespalten: in eine nackte und in eine zugeknöpfte Republik - jedenfalls aus ostdeutscher Sicht.Doch nun macht sich ein neues Wir-Gefühl zwischen Elbe und Oder breit. Die Ostdeutschen erobern Zoll für Zoll ihre Freiheiten an Stränden und in Freibädern zurück. Nackte mischen sich - wie zu DDR-Zeiten üblich - wieder völlig ungeniert unter die züchtig Bedeckten.Das Nacktbaden an fast allen Stränden bezeichnen Ostdeutsche als "eine der wenigen Freiheiten, die wir hatten". Sie wollen sich nicht in FKK-Reservate abseits der Edelstrände abschieben lassen. Das aber war der Trend nach der Wende - angeblich aus den alten Bundesländern importiert. Soviel Freizügigkeit habe den Wessis die Schamesröte ins Gesicht getrieben, meint eine Frau. Jetzt aber habe die Wende nach der Wende eingesetzt. Das zeigt auch eine nicht repräsentative Umfrage des Privatsenders Ostseewelle in Rostock: 99,9 Prozent der Zuhörer meinten, jeder solle am Strand zeigen, was er denn wolle. Der Ahrenshooper Kurdirektor Hartmut Schmidt findet das Durcheinander ganz nett. Von den Gästen erwartet er Toleranz. Schilder, die Textil- und FKK-Strand trennen, kämen nicht in Frage. Im übrigen sei dies ein Gemeindebeschluß. "Für manchen älteren Urlauber aus den alten Bundesländern ist die Mischung zugegebenermaßen gewöhnungsbedürftig", räumt Schmidt ein. Da sich aber höchstens ein Viertel aller Strandgäste oben und unten ohne tummelten, sei das wohl zumutbar.Warum sich Nackte immer häufiger am Textilstrand zeigen, ist für die "Bild"-Zeitung klar: Dahinter stecke der Drang zum Aufsehenerregen, wird ein Psychologe zitiert. "Absoluter Quatsch", meint dagegen Susanne Schulze. Das sieht auch der Kurdirektor von Warnemünde, Lutz Grüder, so: "Unter solchen Massen, wie wir sie hier in Warnemünde haben, mag es hin und wieder einen geben, der sich selbst darstellen möchte. In der Regel aber geht es nur um das körperliche Wohlbefinden." Bisher seien ihm erst vier mündliche und eine schriftliche Beschwerde von Textilanhängern auf den Tisch geflattert. "Bei 22 000 bis 24 000 Badegästen an sonnigen Wochenenden ist das unverhältnismäßig."Gänzlich gegen den Trend geht es im Rügener Ostseebad Göhren zu. Hier stürmen die Bedeckten die Sandburgen der Nudisten. "Weil immer mehr ältere Leute aus Westdeutschland herkommen und der Platz am Textilstrand nicht mehr ausreicht", erklärt Kurdirektor Paul Bolle. Er war es auch, der 1992 als erster in einem Ostseebad Mecklenburg-Vorpommerns "aus ökonomischen Gründen" eine scharfe Trennung zwischen "mit und ohne" vollzog.

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