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Amoklauf in Virginia: Versagte die Campuspolizei?

Eine unabhängige Kommission soll untersuchen, ob die Campuspolizei beim Amoklauf in Blacksburg zu langsam reagierte. Schon kurz nach der Bluttat am Montag hatte es Kritik am Verhalten von Polizei und Uni-Verwaltung gegeben.

Washington/Blacksburg - Der Gouverneur des US-Bundesstaats Virginia hat eine unabhängige Untersuchung des Polizeieinsatzes bei dem Amoklauf an der Universität in Blacksburg angekündigt. Ein Gremium aus externen Ermittlern solle Vorwürfen nachgehen, die Campus-Polizei habe nach den ersten Schüssen am Montagmorgen zu spät reagiert, sagte der Demokrat Timothy Kaine laut "Washington Post". Bei der Untersuchung solle es auch um die Frage gehen, ob die Universität richtig auf Warnhinweise über das auffällige Verhalten des aus Südkorea stammenden Amokschützen reagiert habe. Südkoreas Präsident Roh Moo Hyun sprach den USA sein Mitgefühl aus.

Schon kurz nach der Bluttat am Montag hatte es Kritik am Verhalten von Polizei und Uni-Verwaltung gegeben. Medien, Studenten der Virginia Tech und Angehörige der 32 Opfer des Amokläufers fragten sich, warum die Campus-Polizei die Studenten nicht schon nach der ersten Schießerei warnte und den Campus sperrte. Zunächst hatte der 23-jährige Englisch-Student Cho Seung Hui zwei Menschen in seinem Wohnheim erschossen. Erst zwei Stunden später drang er in ein Unterrichtsgebäude ein und erschoss dort 30 weitere Menschen und schließlich sich selbst. Erst bei dem zweiten Vorfall gab der Sicherheitsdienst eine Warnung heraus. Laut US-Medien kam diese Verzögerung auch dadurch zustande, dass sich der Verdacht zunächst gegen einen anderen Studenten richtete.

Bombendrohung auf Campus

Heute gab es außerdem eine Bombendrohung auf dem Universitätscampus. Bewaffnete Sicherheitskräfte hätten ein Verwaltungsgebäude mit dem Büro des Präsidenten umstellt, das berichtete der Fernsehsender Fox News. Mitarbeiter hätten ihre Räume verlassen müssen. Das Verwaltungsgebäude steht unmittelbar neben dem Vorlesungs- und Seminargebäude, in dem am Montag der Amokläufer 30 Menschen und danach sich selbst getötet hatte. Später wurde bekannt, dass es möglicherweise schon vorher Warnzeichen für ernsthafte psychische Probleme Chos gab. Eine Professorin sagte dem Sender ABC, sie habe die Universitätsverwaltung informiert, weil sie wegen gewalttätiger Szenen in von Cho verfassten Arbeiten besorgt gewesen sei. Die Universität habe jedoch ein Eingreifen abgelehnt, weil sie dafür keine rechtliche Handhabe sah.

Eine Mitstudentin berichtete, Cho habe blutrünstige Dramen verfasst. Die Stücke des sonst so verschlossenen Einzelgängers seien verstörend gewesen, sagte Stephanie Derry der Campus-Zeitung. "Sein Schreibstil, die Stücke, waren wirklich morbide und grotesk", sagte Derry. "Ich erinnere mich an eines von ihnen sehr genau. Es handelte von einem Sohn, der seinen Stiefvater hasste. In dem Stück schwang der Junge eine Kettensäge und schlug mit einem Hammer auf ihn ein. Am Ende des Stückes hat der Junge seinen Vater mit einem Müsliriegel erstickt." Ermittler sagten der "Chicago Tribune", Cho habe in letzter Zeit "aggressiv und verwirrt" gewirkt. Er habe Frauen nachgestellt und in einem Wohnheim Feuer gelegt.

Keine Kurzschlusshandlung

Medienberichten zufolge war die Tat kein Kurzschluss. Am Freitag habe sich Cho die Neun-Millimeter-Pistole gekauft, die er bei dem Amoklauf einsetzte, berichtete ABC. Wenig später habe er sich eine 22-Millimeter-Waffe zugelegt. In einem mehrseitigen mit Schimpfwörtern durchsetzten Abschiedsbrief habe Cho seine Kommilitonen als "reiche Kinder" und "betrügerische Scharlatane" beschimpft, berichteten US-Medien.

Nach Angaben der Polizei wurde bei Chos Leiche eine vermutlich von ihm selbst verfasste Bombendrohung gefunden. Neben den Schusswaffen habe der Amokschütze außerdem mehrere Messer bei sich getragen. Mindestens ein weiteres Messer und verschreibungspflichtige Medikamente gegen Depressionen seien in seinem Zimmer gefunden worden.

Krisensitzung in Südkorea

Der südkoreanische Präsident Roh Moo Hyun rief sein Kabinett zu einer Krisensitzung zusammen. Er bezeichnete sich "zutiefst schockiert" von der Bluttat und drückte Opfern und Angehörigen sein Beileid aus. Gouverneur Kaine sagte, die Tatsache, dass die Familie des Amokläufers aus Südkorea stamme, dürfe nicht zu Ressentiments gegen Ausländer führen. An der Virginia Tech sind 2000 der 26.000 Studenten ausländischer Herkunft. Unter den Toten sind unter anderem Studenten aus dem Libanon und Peru sowie Lehrkräfte aus Israel, Indien und Kanada. (tso/AFP/dpa)

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