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Panorama: Anti-BSE-Kampagne: Toreros am Rande des Nervenzusammenbruchs

Spaniens Stierkampf, letztes Überbleibsel altrömischer Gladiatorenkämpfe, durchlebt gerade die schlimmste Krise seiner Geschichte. Seit Spanien angefangen hat, nach BSE-Erregern zu suchen und ein Dutzend verseuchter Kühe gefunden hat, geht unter den Toreros die Angst um.

Spaniens Stierkampf, letztes Überbleibsel altrömischer Gladiatorenkämpfe, durchlebt gerade die schlimmste Krise seiner Geschichte. Seit Spanien angefangen hat, nach BSE-Erregern zu suchen und ein Dutzend verseuchter Kühe gefunden hat, geht unter den Toreros die Angst um. Zwar wurde bisher noch kein wahnsinniger Kampfstier gefunden, doch das ist nur eine Frage der Zeit. Das könnte dann der Todesstoß der in Spanien so geliebten und im Ausland verabscheuten "corrida", des Stierkampfs, sein. Als jetzt in dem kleinen Dorf Ajalvir im Norden Madrids Miguel Martin, der glorreiche Torero, dem Stier mit dem Namen "Paseante" (Spaziergänger) die todbringende Klinge in den Nacken stieß, wurde das Tier nicht, wie bisher üblich, in die Metzgerei transportiert - sondern in die Verbrennungsanlage. "Dieser Stier wird als Pionier in die Geschichte eingehen, als einer der ersten, den sie verbrennen werden, statt sein Fleisch zu verkaufen", klagt Sebastian Perdiguero, Organisator des Dorf-Stiertreibens mit Tränen in den Augen.

Seit die EU befahl, dass alle Rinder, die älter als 30 Monate sind, einen BSE-Test überstehen müssen, bevor sie verarbeitet werden, ist eine Welt für die Branche eingestürzt. Vergeblich kämpfte sie gegen den BSE-Erlass, der auch alle "toros" betrifft, denn sie sind mindestens drei Jahre alt, wenn sie in die Arena laufen.

Nun könnten die Züchter das Problem leicht lösen, indem sie ihre vor großem Publikum erlegten Stiere einem BSE-Test unterziehen würden. Wird kein Wahnsinn festgestellt, könnten die Tiere dann verwurstet werden, was noch einmal die Kasse klingeln lassen würde. Und auch die Leibspeise der Stierkampf-Freunde, der "rabo de toro" oder Stierschwanz, wäre gerettet. Doch gibt es derzeit weder genug Veterinäre noch Tests, um 40 000 Stieren im Jahr Gesundheit zu bescheinigen.

Doch zu gründliche Untersuchungen will die Szene gar nicht, weil darüber geredet wird, dass manche Stiere mit Tranquilizern vollgepumpt in die Arena kommen und oft schon vor Kampfbeginn in die Knie gehen. Außerdem: Wenn einmal ein wahnsinniger BSE-Kampfstier gefunden wird, müßte laut EU-Vorgabe gleich die ganze kostbare Herde des Züchters geopfert werden. Da ein Stier bis zu 15 000 Mark wert ist, wäre das ein herber Verlust für viele traditionelle Familienbetriebe. Das ohnehin angeknackste Image des Stierkampfes wäre völlig dahin. Also verpflichtete sich die Branche sicherheitshalber, alle getöteten Stiere den Verbrennungsöfen zu übergeben. Doch schon kommt neues Ungemach: Spanische Wissenschaftler schließen nicht aus, dass sich der Torero unter unglücklichen Umständen an einem BSE-kranken Stier anstecken könnte. Etwa während des Todestoßes, der ins Genick geführt wird, da könne die Klinge durchaus "Risikomaterial" treffen - dem Rinder-Wahnsinn könnte der wahnsinnige Torero folgen. Gute Toreros dürfen nach dem Kampf mit einem oder zwei abgeschnittenen Ohren des getöteten Stiers eine Runde in der Arena laufen. Jetzt musste ein Torero mit zwei tiefgekühlten Ohren eines anderen Stiers seine Runde ziehen. Und die Branche diskutiert über risikofreie Ohr- und Schwanzattrappen. Aber das, darüber sind sich alle einig, wäre das Ende des Stierkampfs.

Ralph Schulze

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