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Panorama: Auf dem Damm

Seit der Jahrhundertflut 2002 hat sich beim Hochwasserschutz einiges getan – doch Umweltschützer sind noch immer unzufrieden

Die steigenden Pegel am vergangenen Wochenende haben Erinnerungen an die Jahrhundertflut von August 2002 geweckt. Damals zerstörten die Wassermassen ganze Ortschaften und machten viele Bewohner obdachlos. Der Kanzler stand mit Gummistiefeln im Schlamm und organisierte eine schnelle Hilfe für die Betroffenen.

Doch was ist nach den Notprogrammen passiert? Hat sich der vorsorgende Hochwasserschutz verbessert? Zumindest gibt es seit vergangener Woche ein Gesetz zur Vorbeugung gegen Hochwasserschäden. Es verpflichtet die Bundesländer, in den nächsten fünf Jahren an Gewässerstrecken mit erhöhter Hochwassergefahr Überschwemmungsgebiete zu schaffen. Meist geschieht das durch Flutpolder. Kommt es zu einem Hochwasser, wird Wasser in diese eingedeichten Überlaufbecken geleitet. Damit soll verhindert werden, dass der Pegel der Flüsse schnell steigt und Siedlungsgebiete überschwemmt werden. Um die Kapazitäten entlang der Flüsse zu schaffen, wird die Bebauung in gefährdeten Gebieten verboten - allerdings setzten die Länder Ausnahmen von dieser Regel durch.

Das Verkehrsministerium in Baden-Württemberg hält das Gesetz für überflüssig, da die geforderten Maßnahmen bereits umgesetzt würden. So will das Land entlang des Rheins Rückhalteräume für 167 Millionen Kubikmeter Wasser schaffen, ein Drittel ist bereits realisiert. In Rheinland-Pfalz sind es 16 von den angestrebten 65 Millionen Kubikmetern. Allerdings: Diese Maßnahmen können den Pegel des Rheins nur regional absenken. „Auf den Pegel in Köln hat das fast keinen Effekt“, so Sprecher Rainer Gessler.

Neben den Überschwemmungsgebieten setzen die Länder auf neue oder sanierte Deiche. Brandenburg arbeitet an der Sanierung und dem Ausbau der Deiche an Oder und Elbe auf einer Länge von knapp 60 Kilometern. Sachsen ist dabei, entlang der Elbe und der Mulde Deiche von vierzig Kilometern Länge zu verstärken. Damit sollen künftig Deichbrüche verhindert werden, die im Sommer 2002 die Situation in vielen Gebieten an Oder und Elbe die noch verschlimmerten.

Um sich speziell auf die Schneeschmelze vorzubereiten, wurden in Sachsen die Wasserstände von Talsperren auf ein Mindestvolumen abgesenkt. Die freien Kapazitäten können dann das Schmelzwasser aus den Bergen auffangen. Schließlich soll eine verbesserte Logistik zum Einsatz kommen. Ein Warnsystem mache frühere und präzisere Vorhersagen möglich. Die Einrichtung von Materiallagern – mit etwa 6,5 Millionen Sandsäcken – soll schnelles Reagieren ermöglichen. Die Behörden sind laut Landwirtschaftsminister Stanislaw Tillich daher gut gewappnet für ein mögliches Frühjahrshochwasser.

Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) bezeichnet die bisherigen Maßnahmen der Politik als „halbherzig“. Eine vorausschauende Hochwasserpolitik fehle nach wie vor, sagte BUND-Referentin Doris Eberhardt dem Tagesspiegel. Konsequenterweise müsse dort angesetzt werden, wo das Hochwasser entstehe, nämlich bei den Bächen und kleineren Flüssen, die in Oder, Elbe oder Rhein münden. „Die begradigten Gewässer müssen viel stärker als bisher renaturiert werden, damit wieder natürliche Überschwemmungsflächen entstehen.“ Solange sich nichts an den Zuläufen der großen Flüsse ändere, „werden auch die Polder kaum mehr sein als ein Tropfen auf den heißen Stein“. Zudem seien die Polder ohnehin nicht der richtige ökologische Weg: „Auenwälder sorgen dafür, dass der Hochwasserschlamm zersetzt und umgewandelt wird, es entsteht kein Fäulnisgeruch, bei den künstlichen Poldern, in denen das Wasser steht, ist das nicht unbedingt der Fall“. Eine entschiedene Hochwasserpolitik müsse auch an der Versieglungsproblematik ansetzen: „Jeden Tag werden 100 Hektar Land verbaut, gleichzeitig steigt der Wohnungsleerstand in den Städten.“ Vor diesem Hintergrund sei es nicht einzusehen, warum das Bundesgesetz die Bebauung in gefährdeten Überschwemmungsgebieten weiter zulasse, statt ein generelles Verbot einzuführen. Ihr Fazit: Gegen ein großes Hochwasser gibt es weiter kaum einen Schutz. Daran hat sich wenig geändert.

Alexander Bürgin

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