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Treueschwüre. Liebespaar auf dem mit Schlössern vollgehängten Pont des Art in Paris. Foto: Pierre Hounsfield/Allpix/laif

© Pierre Hounsfield/Allpix/laif

Panorama: Auf ewige Liebe

Immer mehr Paare hängen Vorhängeschlösser an Brücken – auf der ganzen Welt. Berlin und Venedig haben den Brauch verboten

Hand in Hand schlendern die 20-jährige Frederike und der ein Jahr ältere Felix über den Pont des Arts. Zu beiden Seiten spiegelt sich die Abendsonne in der Seine. Die Pariser Brücke ist dank des kühlen Wetters vergleichsweise leer. Normalerweise tummeln sich hier viele junge Leute – mit Wein, Käse und Baguette. Jetzt ist es dem Paar aus Berlin ganz recht, dass die Brücke nicht übervölkert ist. Frederike zieht das Schloss aus der Tasche, das sie beim Schlüsseldienst gekauft haben. „F + F“ haben sie darauf geschrieben. Die andere Seite ziert in schwarzen Lettern: „Auf ewige Liebe.“ Die beiden befestigen das Schloss am Geländer. Den Schlüssel werfen sie in die Seine. Sie blicken ihm hinterher, wie er im Wasser verschwindet. Sie sehen das Schloss an, das neben vielen anderen seinen Platz gefunden hat. Dann den Partner.

Dieser Moment bedeutet ihnen viel. Auf der ganzen Welt tun es ihnen Liebespaare gleich. Zum Leidwesen der Städte. In Venedig und Berlin sind diese Liebesschlösser strikt verboten. In der italienischen Lagunenstadt führten sie im vergangenen Monat zu heftigem Streit, weil seit neuestem das Wahrzeichen betroffen ist – die Rialto-Brücke. Die Stadt reagierte: Schlösser wurden entfernt, das erneute Aufhängen untersagt. Bis zu 3000 Euro Bußgeld blühen Liebespaaren, die beim Missachten des Verbotes erwischt werden. Die Tageszeitung „la repubblica“ forderte gar eine einjährige Gefängnisstrafe für die Liebenden.

Der Brauch ruft Diskussionen hervor, in Berlin, Paris, Rom, Venedig, Lübeck, Köln, Hamburg, Wuppertal. In vielen Städten gibt es schon ein Verbot wie in Berlin. Und zwar „an allen Brücken“, sagt Mathias Gille von der hiesigen Senatsverwaltung für Stadtentwicklung. Die Schlösser würden regelmäßig entfernt, das Aufhängen sei ein Ordnungsverstoß. Wie die Strafe genau aussieht, weiß Gille aber nicht. Nach Angaben des Ordnungsamtes werde hier nach dem Einzelfallprinzip bewertet. „Vermutlich gäbe es Verwarnungsgelder von 35 Euro. Je nach Situation könnten auch Bußgelder erhoben werden", sagt Mittes Ordnungsamtleiter Harald Strehlow.

Wolfgang Illert, Geschäftsführer der Deutschen Stiftung Denkmalschutz, findet den Brauch „positiv und nett“, aber nur solange er keine historischen Geländer betreffe. Hohe Geldstrafen oder die Forderung von Gefängnisstrafen seien übertrieben und unverhältnismäßig. Verständnis zeigt er für das Verbot bei der denkmalgeschützten Weidendammerbrücke in Berlin Mitte – da müssten die Schlösser weg.

Pressereferent Gille führt die Optik als einen Grund für das Berliner Verbot an. Der historische Eindruck solle beibehalten werden – ohne Schlösser. Außerdem könnten Metallgerüste Schaden nehmen, durch Rost beispielsweise.

In Lübeck wurde auch festgestellt, dass das Metall der Schlösser zu Korrosion und zu Verbiegungen an den Seitenelementen des Geländers der Obertravebrücke führt.

Während die einen sich an den Schlössern stören, sehen andere in dem Brauch einen Vorteil für den Tourismus – etwa Lübeck oder Köln. „Manche Touristen kommen sogar ein zweites oder drittes Mal, um zu gucken, ob es noch hängt“, sagt Monika Schmid von Köln-Tourismus. Auch am Rhein hatte man vor drei Jahren die Debatte geführt – wegen der Hohenzollernbrücke, die den Kölner Hauptbahnhof mit dem Stadtteil Deutz verbindet. Die Bahn hatte sich damals gegen ein Verbot auf der Eisenbahnbrücke entschieden. „Wir sehen das mit einem Lächeln“, sagt ein Bahnsprecher, „heute hängen da schon über 40 000 Schlösser“. Sie seien eine Touristenattraktion.

Auch Frederike und Felix haben ihr Schloss bewusst in Paris und nicht zu Hause in Berlin aufgehängt. Nicht nur wegen der Stadt der Liebe. „Für mich ist die Erinnerung an die schöne Zeit, die ich in Paris hatte, wichtig“, sagt Frederike, „ich war oft abends mit Freunden auf dem Pont des Arts“. Man müsse mit dem Ort etwas verbinden, ein Souvenir, eine gute Zeit. Das Schloss bedeute, „dass man ein Zeichen setzt für die Beziehung“, sagt Frederike, „dass man gemeinsam in die Zukunft blickt und dass man sich sicher ist mit seinem Partner.“

Ursprünglich stammt der Brauch – so wird vermutet – aus Italien und ist spätestens mit dem Roman „Ich steh' auf Dich“ (2006) des italienischen Schriftstellers Federico Moccia weltweit bekannt geworden. In der Fortsetzung des Bestsellers „Drei Meter über dem Himmel“ hängen Gin und Step auf der Milvischen Brücke in Rom ihr Schloss auf und werfen den Schlüssel in den Tiber. Der Brauch ist zum Trend geworden, auch in Russland, Ungarn, Litauen, China. Die Schlösser werden individuell gestaltet. Sie tragen die Namen oder Initialen der Paare, oft Sprüche oder ein Datum. Die Münzen im Trevibrunnen sind Vergangenheit. Heute ist das Schloss Liebesbeweis und Versinnbildlichung der Treue. Der Brückenschlag hat symbolischen Wert.

Trotzdem bleibt das Problem mit den Korrosionsschäden an der Brücke. „Ich habe Verständnis für ein Verbot, wenn es Kosten und Schäden verursacht“, sagt Frederike, wünscht sich aber Ausweichsmöglichkeiten. Ein außergewöhnliches Beispiel ist die Stadt Lübeck. Als der Streit um die Schlösser vergangenen Juli zu eskalieren drohte, griff Bürgermeister Bernd Saxe (SPD) ein. Die Lösung: An zwei Stellen zwischen den Pfosten der Geländer der Obertravebrücke wurden Ketten gehängt – dort dürfen Liebende Schlösser befestigen. Ein Teil der Brücke ist damit freigegeben.

Und niemand ritzt mehr Herzchen in Bäume.

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