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Panorama: Auf fremde Rechnung

Der Missbrauch boomt. Es wird betrogen, gestohlen und gefälscht – den Tätern macht man es oft zu leicht

Die winzige Kamera war über der Tastatur angebracht. Damit konnte eine Betrügerbande in Frankreich die Daten auf der Kreditkarte filmen, wenn die ahnungslosen Kunden am Automaten Geld abhoben. Anschließend fälschten sie die Karten und räumten im Ausland die Konten ihrer Opfer ab. Letzte Woche flog die Gruppe auf. Ein spektakuläres Beispiel – in 95 Prozent der Fälle läuft Scheckkartenmissbrauch gewöhnlicher ab. Er beginnt mit einem schlichten Diebstahl. Merkt das Opfer, dass seine Karten verschwunden sind, ist der Dieb schon längst auf Einkaufstour.

Mitten in der Wirtschaftsflaute entwickelt sich der Betrug mit gestohlenen und gefälschten EC- und Kreditkarten zur Boom-Kriminalität. Nicht nur das Restaurant um die Ecke, sondern auch der Dieb auf dem Weihnachtsmarkt nimmt heute gern Eurocard und American Express. Die Zahl der Kreditkarten-Betrügereien steigt bundesweit kontinuierlich, allein im vergangenen Jahr um fast zehn Prozent. Ein Schwerpunkt ist Berlin. Mit einem Zuwachs von knapp 30 Prozent übertrifft die Hauptstadt den Bundesdurchschnitt bei weitem. Innerhalb von einem Jahr ist hier die Zahl der Betrugsfälle auf rund 25 000 Fälle geklettert.

Gerade mal jeden zweiten Fall davon kann die Berliner Polizei aufklären. Besonders leicht machen es den Langfingern unsichere Verfahren wie Online-Shopping oder das Bezahlen mittels EC-Lastschrift. Der Besitz der EC-Karte und eine unleserliche Unterschrift reichen häufig, um sich im Kaufhaus einen schönen Tag zu machen. Gerade in der Vorweihnachtszeit hat kaum ein Kassierer die Zeit, eine Unterschrift auf der Quittung mit der Signatur auf der Karte zu vergleichen. Eine andere Methode ist das technisch relativ einfache Duplizieren einer Kreditkarte. Mit solchen gefälschten Karten gehen Kriminelle dann oft im Ausland auf Beutezug.

Um kein Aufsehen zu erregen, benutzen Diebe das Plastikgeld in rascher Folge bei bis zu 50 kleinen Einkäufen. Doch selbst wenn das Opfer den Diebstahl sofort meldet, kann es bis zu zehn Tagen dauern, bis auch die letzten Geschäfte von der Sperrung informiert sind. Denn gerade die Kassen vieler kleinerer Geschäfte hängen an verschiedenen Netzwerken und werden von unterschiedlichen Servicebetreibern unterhalten. Bis deren Daten miteinander abgeglichen sind, kann wertvolle Zeit vergehen. Für den Bestohlenen bedeutet das eine Menge Bürokratie, aber nur selten einen finanziellen Verlust. Denn für Kreditkartenmissbrauch haftet nicht er, sondern das Karteninstitut. Auch wenn die Kreditkarte als das unsicherste Zahlungsmittel gilt: Sobald der Kunde gegen eine Kartenrechnung Einspruch einlegt, liegt die Beweislast beim Institut. Höhere Sicherheitsstandards sind möglich, kosten den Kartennutzer jedoch Geld. Und dafür gebe es in Deutschland keine Akzeptanz, meint Hanns-Michael Hepp, Manager bei der Gesellschaft für Zahlungssysteme (GZS). Stattdessen verbuchen viele Kreditkarten-Institute die Verluste als Schwund und geben sie über Gebühren an die Verbraucher weiter.

Schwerer als mit Kreditkarten hat man es da schon, wenn mit der gestohlenen Brieftasche auch die EC-Karte abhanden kommt. Bezahlt der Dieb im Lastschriftverfahren und fälscht dazu die Unterschrift des EC-Kartenbesitzers, bleibt zwar der Händler auf seiner Rechnung sitzen. Doch wenn der Dieb den PIN-Code herausgefunden hat, gehen die Richter meist davon aus, dass der Geschädigte die PIN leichtsinnigerweise zusammen mit der Karte aufbewahrt hat. Das befreit die Banken von Schadensersatzforderungen. Die Geheimzahl auszuspähen, ist jedoch nicht schwer: „Wer weiß schon, wer mir da an der Tankstelle beim Bezahlen auf die Finger schaut?“, sagt Maren Geisler vom Bundesverband der Verbraucherzentralen.

Roman Heflik

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