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Panorama: "Aurora": Schwimmende Abtreibungsklinik bleibt leer

Seit drei Tagen nun liegt der zu einer schwimmenden Abtreibungsklinik umgebaute Fischkutter "Aurora" an der Dubliner Flusspromenade vertäut. Dutzende Kamerateams und Reporter aus aller Welt tummeln sich davor.

Seit drei Tagen nun liegt der zu einer schwimmenden Abtreibungsklinik umgebaute Fischkutter "Aurora" an der Dubliner Flusspromenade vertäut. Dutzende Kamerateams und Reporter aus aller Welt tummeln sich davor. Die holländische Gruppe "Women on Waves" (WOW) hatte das Boot am Donnerstagabend an die Küste gesteuert mit der Ankündigung, man wolle außerhalb der Zwölfmeilenzone Abtreibungen durchführen und irischen Frauen die umstrittene RU 486-Pille verabreichen, die eine Schwangerschaft medikamentös beendet.

Doch aus der vollmundigen Ankündigung wurde nichts. Am Freitagmittag waren Journalisten auf das Schiff geladen worden, um den Container zu besichtigen, in dem pro Tag 20 Schwangerschaftsabbrüche durchgeführt werden sollten. Nach Angaben der Veranstalterinnen hatte die Gruppe Anfragen von rund 80 interessierten Frauen bekommen. Britische Beratungsstellen in Dublin bestätigten, dass einige Patientinnen ihre gebuchten Termine in Erwartung des Bootes abgesagt hätten.

Dann allerdings stellte sich heraus, dass WOW es versäumt hatte, sich eine niederländische Lizenz für ihr Vorhaben zu besorgen. Die Ärztin und Gründerin von WOW, Rebecca Gomberts, hatte zuvor erklärt, die Lizenzerteilung sei "zweitrangig und nur eine Frage der Zeit". Aber die Tatsache, dass das Thema zu einem "politischen Streitfall" geworden sei, habe das ganze Unternehmen "erschwert". Aus Angst vor militanten Abtreibungsgegnern tragen die Besatzungsmitglieder der "Aurora" kugelsichere Westen. Bei der Ankunft in Dublin am Donnerstagabend wurde der umgebaute Fischkutter von einem Polizeiboot begleitet.

Dabei ist gerade in Irland die Aufregung um das Schiff gering. Die Medien behandelten die Ankunft der Aurora mit erstaunlicher Zurückhaltung. Und die Abtreibungsgegner in Irland hatten offenbar beschlossen, keine Gegendemonstrationen zu Wasser oder zu Lande abzuhalten, um der Aktion nicht noch zusätzliche Publizität zu bescheren. Lediglich ein kleines Boot, auf dessen Flagge in großen Buchstaben das Wörtchen "Life" (Leben) stand, kreuzte im Hafen auf und ab.

Und das, obwohl die holländischen Besucherinnen und ihre irischen Verbündeten nichts Geringeres verlangten als die Legalisierung der Abtreibung in Irland. Tatsächlich ist die gesetzliche Lage in Irland konservativ: Die Abtreibung bleibt auf irischem Boden verboten, selbst bei Inzest und Vergewaltigung. Andererseits fordert die Gesetzeslage ausdrücklich, man möge jene Frauen, die ihre Schwangerschaft in England beenden lassen, nicht schikanieren. Sie können sich in Irland über das britische Dienstleistungsangebot informieren, und niemand darf sie strafrechtlich belangen.

Das war nicht immer so. 1992 noch war ein Mädchen zeitweise von irischen Gerichten an der Ausreise gehindert worden, als es, in Begleitung seiner Eltern, nach einer Vergewaltigung zu einer englischen Klinik reisen wollte. Seitdem ist die Abtreibung in Irland dann legal, wenn die werdende Mutter glaubwürdig mit Selbstmord droht.

Obwohl es aufgrund der fehlenden Lizenz bislang zu keiner einzigen Abtreibung auf dem Schiff gekommen ist, werteten die "Women on Waves" ihre Mission dennoch als Erfolg. Es sei gelungen, die irische "Abtreibungsdiskussion neu anzufachen", sagte Sprecherin Joke van Kampen - auch wenn fraglich ist, ob Irland sich diese Diskussion von Außen diktieren lässt. Die irische Regierung verurteilte die Aktion als "Werbegag". Pro Life-Gruppen sprachen von "Piraterie" und "holländischem Neo-Kolonialismus". Man frage sich, wie tolerant die Niederlande wohl bei einer ähnlich belehrenden Aktion der Iren reagieren würden.

Martin Alioth

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