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Panorama: Aus den Herzen, aus dem Sinn

Fünf Jahre nach Dianas Tod hat sich die Haltung der Briten gewandelt – zur Prinzessin wie zu den Windsors

Von Hendrik Bebber, London

Fünf Jahre nach der beispielslosen Trauerorgie um den Tod von Prinzessin Diana zeigen sich die Briten verlegen ob dieses unbritischen Gefühlsüberschwangs. Zwar halten ein Viertel der Briten laut einer Meinungsumfrage Dianas Tod für das „bedeutendste nationale Ereignis in den letzten 100 Jahren“, aber der Rest hat keine große Lust, daran erinnert zu werden. So versuchen die Medien, die seinerzeit als Klageweiber der Nation die Massenhysterie anführten, das abgeflachte Interesse mit einigen Provokationen wieder anzufachen. Der Sender „Channel 4“ wird anlässlich des 5. Todestages am 31. August einen Film unter dem Titel „Als sie starb: Tod einer Prinzessin“ ausstrahlen. Darin veranstaltet ein Diana-Fan nach der Beisetzungsfeierlichkeit ein bizarres Ritual mit einer Prostituierten, die seinem Idol ähnelt.

Produzent Paul Sommers wappnete sich gegen die erwartete Entrüstung mit dem Argument, dass die Besessenheit dieses Freiers ein „künstlerisches Symbol für die Besessenheit der Nation“ gewesen sei. Und der Regisseur Rupert Edwards schlägt in die gleiche Kerbe, wenn er psychologisiert: „Sie war das berühmteste Pin-Up der Welt. Es war ein Ritual, das schief lief, aber es war seine Art, mit der Trauer fertig zu werden."

Ziemlich schief liefen auch die Planungen für einen Diana-Gedenk-Brunnen, der ursprünglich am fünften Todestag enthüllt werden sollte. Aber erst jetzt beendete die für öffentliche Bauwerke zuständige Ministerin Tessa Jowell den erbitterten Streit des Auswahl-Komitees mit einem Machtwort: Der Brunnen soll von der US-Landschaftsarchitektin Kathryn Gustafson für fünf Millionen Euro im Hyde Park gebaut werden.

Rache mit kühlem Kopf

Nach englischem Recht muss eine Untersuchung der Todesursache erfolgen, wenn britische Staatsbürger im Ausland sterben und zur Beerdigung in ihre Heimat überführt wurden. Diese Aufgabe wird der neue „Coroner“ (Leichenbeschauer mit richterlicher Befugnis) des königlichen Haushaltes, Michael Burgess, übernehmen.

Es ist die erste Untersuchung des Unfalltodes eines Mitglieds der Königlichen Familie seit 1972, als Prinz William von Gloucester in einem Flugzeugabsturz starb.

Schon wegen der reichlich kursierenden Verschwörungshypothesen wird diese Untersuchung mit großer Spannung erwartet. Unermüdlich behauptet Dodis Vater Mohammed Al Fayed, dass sein Sohn und Diana durch einen Anschlag des britischen Geheimdienstes starben, der den Unfall auf Geheiß von Prinz Philip arrangiert hätte. Der milliardenschwere Besitzer des Londoner Kaufhauses „Harrods“ und der Pariser Hotels „Ritz“, wo die Todesfahrt begann, unterstützte auch die Privatklage der Eltern von Henry Paul, der den Wagen im betrunkenen Zustand gesteuert hatte. Sie sind der Überzeugung, dass die ihrem toten Sohn entnommenen Blutproben manipuliert wurden. Ebenso verfälscht wurde nach Ansicht von Dianas Leibwächter Ken Wharfe das Andenken der Prinzessin: „Seit ihrem Tod behaupten Freunde der Königlichen Familie, dass Diana ein Problem hatte und nicht ganz richtig im Kopf war. Aber sie war eine ganz andere Frau, als sie jetzt dargestellt wird".

In seinen Enthüllungen für die „Sunday Times“ plaudert der Leibwächter aus, dass Charles Verbindung mit Camilla seine Frau Diana so in die Verzweiflung trieb, dass sie einmal sechs Meter von einem Hotelbalkon sprang. Freilich behielt sie bei ihrer Rache einen kühlen Kopf. Die Schäferstündchen mit ihrem Liebhaber James Hewitt arrangierte Wharfe in ihrem Auftrag und informierte unter dem Koden „Julia“ die Königliche Sicherheitspolizei, die diskret Abstand hielt.

An Wharfes Rufmordthese mag etwas dran sein. Tatsächlich plauderten hohe Hofdamen wie Lady Mountbatten während der BBC-Dokumentation anlässlich des Goldenen Thronjubiläums ziemlich unverblümt darüber, wie sehr die Königin das Verhalten ihrer Schwiegertochter „verwundert und bestürzt hatte.“ Die Briten jedoch , die seinerzeit ob ihrer toten „Herzenskönigin“ schier den Verstand verloren hatten, sind längst wieder ernüchtert. Während das Ansehen der Monarchie damals auf den Nullpunkt gesunken war, steht es jetzt auf Rekordhöhe.

Spektakel der Monarchie

Das ist den großartigen Spektakeln um die Beisetzung der Königinmutter und dem Goldenen Thronjubiläum wesentlich zu verdanken, bei denen die königliche PR die Lehren aus dem Fiasko nach Dianas Tod gezogen hatte. Wie Dianas Mythos ist auch die Bedeutung einiger Schlüsselfiguren abgebröckelt, die die tote Prinzessin zu einer Heiligenfigur machen wollten. Dianas „Felsen" – ihr ehemaliger Butler Paul Burrell, der zum Vorsitzenden ihrer Stiftung wurde, musste sich mittlerweile wegen Diebstahls und Veruntreuung ihres Erbes verantworten. Auf Dianas Bruder Graf Spencer, der bei den Beisetzungsfeierlichkeiten die Welt mit einer bewegenden Totenklage und scharfen Angriffen gegen das Königshaus elektrisierte, hört niemand mehr. In der Zwischenzeit gab es einen hässlichen Scheidungsprozess, der ein schlechtes Licht auf sein Familienleben warf. Zudem traf ihn harte Kritik an der Art, wie er den Tod seiner Schwester auf seinem Familienschloss kommerziell verwertet.

Fünf Jahre nach Dianas Tod schließen sich die meisten Briten der Meinung des Schriftstellers Martin Amis an, der damals im krassen Gegensatz zu der Tränenflut die Bedeutung von „Lady Di“ relativierte: „Lady Diana Spencer erweckte die Aufmerksamkeit des englischen Thronerben. Madonna singt. Grace Kelly war eine Schauspielerin. Diana konnte einfach nur atmen. Sie war eine Figur auf der Gesellschaftsseite, die zum Cover Girl wurde. Ohne jedes Talent wurde sie die berühmteste Frau der Welt. Man kann nüchtern sagen, dass die Diana-Sage eine Un-Geschichte war, die wir erbarmungslos und fanatisch mit unseren Projektionen und Wünschen ausschmückten.“

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