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Panorama: Aus der Armut in die Lehre

Brasilien bildet Bauarbeiter gezielt aus

Schweißperlen stehen Leonisa, William und Cirlany auf der Stirn. Die Tropensonne knallt unerbittlich auf die blauen Helme der Maurerlehrlinge, die von Hand Zement mischen und die rote Erde damit bedecken. Eine normale Baustelle in Goiania, einer Stadt im brasilianischen Hochland? Nicht ganz, denn hier werden diejenigen ausgebildet, die all die Stadien, Straßen und Hotels bauen und renovieren sollen, die Brasilien für die Fußball-Weltmeisterschaft 2014 und die Olympischen Spiele 2016 benötigt.

Derzeit suchen brasilianische Baufirmen händeringend nach ausgebildeten Arbeitskräften. Insbesondere Maurer, Schreiner, Klempner und Elektriker sind rar in dem südamerikanischen Land, das keine Ausbildungsberufe kennt. Eine Not, aus der das staatliche Ausbildungszentrum im Bau- und Industriewesen (Senai) und das vom katholischen Hilfswerk Adveniat unterstützte Jugendhaus der Jesuiten eine Tugend gemacht haben. In einer einzigartigen Partnerschaft zwischen Kirche und Privatwirtschaft werden derzeit Lehrlinge aus ärmlichen Verhältnissen für diese Berufe ausgebildet.

Die Wirtschaft finanziert das Projekt, Senai stellt die Lehrkräfte und die Infrastruktur, die Kirche hat das Projekt in den Armenvierteln bekannt gemacht und bei der Auswahl der Lehrlinge mitgeholfen. „Arbeitslose, Schulabbrecher und andere sozial Schwache wurden bevorzugt. Wichtig war aber auch, dass sie wirkliches Interesse an der Ausbildung bekundeten“, erklärt Sozialarbeiter Fabio Fazzion. Der 18-jährige William Artins hat von einem Freund von der Ausbildung erfahren und sich angemeldet. Jetzt vermisst er fachmännisch den Baugrund, auf dem ein Anbau der städtischen Kinderkrippe entstehen soll. Der Auftrag ist seine erste praktische Arbeit – nach einer Woche theoretischer Ausbildung. Ein bisschen nervös sei er schon, räumt der schmale junge Mann ein, aber Ausbildungsleiter Francisco Rodrigues entgeht keine Kleinigkeit.

„Stellt bitte die Eimer dorthin, die Helme werden hier aufgehängt, und der Rest vom Zement muss zusammengefegt und kann wieder benutzt werden“, ruft er seinen 22 Schützlingen zu. Der dreimonatige kostenlose Crashkurs zielt auch darauf ab, die benachteiligten Jugendlichen zu Sauberkeit und Verantwortungsbewusstsein zu erziehen. „Auf dem Bau gibt es viele Probleme mit Alkohol oder Unfälle wegen Unachtsamkeit, deshalb achten wir darauf“, erklärt Rodrigues. Daher sind die Lehrlinge sehr gefragt. Ihr Diplom wird landesweit anerkannt, damit können sie bis zu 5000 Reais (umgerechnet rund 2150 Euro) im Monat verdienen.

Derart rosig sind die Perspektiven, dass der 18-jährige William Artins sich sogar schon ein paar Träume für die Zukunft erlaubt. Bevor er die Ausbildung antrat, war der Schulabbrecher arbeitslos und wohnte mit drei Brüdern, der Mutter und einem Großvater in einer armseligen Hütte in einem Vorort von Goiania. Nun kann sich William vorstellen, eines Tages ein Ingenieursstudium zu beginnen.

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