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Aufgrund eines Cluster-Ausbruchs wurde die Grenze von Flensburg nach Dänemark zuletzt strenger bewacht.

© Claus Fisker/AFP

B.1.1.7-Hotspots Flensburg, Hannover, Düsseldorf: Mutanten-Horrorszenario bisher ausgefallen – Lage stabil

Dort, wo sich B.1.1.7 besonders weit verbreitet, entwickeln sich wichtige Zahlen positiv. Doch eine erneute Befragung zeigt: Das ist kein Grund zur Entwarnung.

Die Corona-Mutante B.1.1.7 ist in Deutschland immer noch auf dem Vormarsch. Groben Schätzungen zufolge könnte sie bundesweit bereits mehr als die Hälfte der täglichen Neuinfektionen ausmachen. Virologinnen zeigen sich alarmiert, wegen des besorgniserregenden Anstiegs von Virus-Mutationen sprach RKI-Chef Lothar Wieler in der Bundespressekonferenz von einem Wendepunkt.

Bereits in der vergangenen Woche lag die Ausbreitung der Mutante B1.1.7 in Regionen wie Hannover, Düsseldorf und Flensburg weit über dem deutschen Durchschnitt.

Vor allem in Flensburg ist die Lage immer noch ernst: Dort ist der erste Fall Mitte Januar registriert worden, inzwischen gehen die Behörden davon aus, dass der überwiegende Teil der Neuinfektionen auf die britische Mutante zurückzuführen ist.

Clemens Teschendorf, der Pressesprecher der Stadt, beobachtet diese Entwicklung vor allem deshalb mit Sorge, weil sich in der Stadt Flensburg abzeichne, dass das Virus aggressiver geworden sei und die Folgen einer Infektion langwieriger.

„Uns wird aus den Krankenhäusern auch immer mehr von atypischen Verläufen berichtet, jüngere Menschen, die schwer erkranken und schwere Verläufe entwickeln“, sagte Teschendorf dem Tagesspiegel. Das spiegele sich auch in den Todeszahlen wider: Während in Flensburg im Jahr 2020 insgesamt sieben Menschen an oder mit dem Coronavirus gestorben seien, gebe es nun bereits 33 Todesfälle. „Diese Entwicklung ist erschreckend. Das Personal in unseren Krankenhäusern steht vor großen Herausforderungen.“

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Das Infektionsgeschehen sei diffus, warum es ausgerechnet Flensburg so hart treffe, ist für ihn rätselhaft. „Wir wissen von Silvesterpartys, an denen einige Flensburger teilgenommen haben, dahin führt eine Spur. Dort war die Mutante damals schon präsent“, so Teschendorf.

Flensburg hatte in der vergangenen Woche rigide Verschärfungen der Corona-Maßnahmen angeordnet und kann nun auch schon zaghafte Erfolge verbuchen: Während der Inzidenzwert vergangene Woche bei 193 lag, stagniert er nun etwa bei 160.

Flensburger können sich kostenlos testen lassen

Daraufhin wurde die verhängte Ausgangssperre aufgehoben, das Kontaktverbot zumindest gelockert. „Das absolute Kontaktverbot haben wir dahingehend entschärft, als dass sich alleinstehende Personen nun wieder mit einer Person treffen dürfen“, so Teschendorf.

„Uns haben sehr viele Nachrichten von Menschen erreicht, die alleine leben und für die sich diese Situation als unzumutbare Härte darstellte. Wir sind darauf angewiesen, dass die Menschen mitmachen. Und das geht nur mit zielgenauen Maßnahmen.“

Um dem positiven Trend zu halten, arbeitet die Stadt Flensburg jetzt verstärkt mit der sogenannten Cluster-Quarantäne. Das heißt, dass bei der Feststellung eines Falles alle Personen des Haushaltes mit in Quarantäne gehen müssen, so geschehen beispielsweise in einer Unterkunft für Geflüchtete. „Wir haben es momentan vor allem mit Infektionen in Familien zu tun, wenn sich ein Familienmitglied ansteckt, erwischt es meist die ganze Familie. Solche Infektionsherde gilt es einzudämmen.“

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Hotspots innerhalb der Stadt gebe es nicht, sagt Teschendorf, ganz Flensburg sei gleichermaßen betroffen. Deshalb geht die Stadt an der dänischen Grenze jetzt auch in die Testoffensive, seit Montag kann sich, anders als in der Bundesrepublik, jeder Flensburger kostenlos testen lassen. „Da gehen wir als Kommune finanziell stark in Vorleistung, aber anders geht es gerade nicht. Die Kapazitäten in unseren Krankenhäusern sind begrenzt, die ganz schweren Fälle müssten sogar nach Kiel verlegt werden.“

Die bisherigen Testergebnisse geben Anlass zur Hoffnung: Von den 2200 Tests, die seit Montag durchgeführt wurden, waren nur 18 positiv. Für die Kontaktnachverfolgung im Einsatz sind 43 Mitarbeiter des Gesundheitsamts im Einsatz, neun Soldaten der Bundeswehr und drei Scouts des Robert Koch-Instituts.

Das Corona-Schwerpunkt-Krankenhaus St. Franziskus in Flensburg vermeldet einen leichten Rückgang der Behandlungszahlen: In den Isolierbereichen werden aktuell 23 Menschen behandelt. Fünf dieser Patient:innen werden intensivmedizinisch betreut, vier müssen beatmet werden.

In der Region Hannover, einem weiteren Mutante-Hotspot, ist die Situation derweil unverändert, hier liegen die Inzidenzwerte am Freitag um 100. Die Zahl stagniere, erklärte Regionspräsident Hauke Jagau dem Tagesspiegel. „Wir gehen weder hoch, noch runter, aber die Situation in den Krankenhäusern ist deutlich entspannter als noch vor ein paar Wochen. Wir haben weniger Intensivfälle und zum Teil eine abnehmende Belastung in den Krankenhäusern.“

Wegen milder Temperaturen wurde Maskenpflicht verschärft

In der Region Hannover sind inzwischen alle Pflegeheime die Erstimpfung erhalten, auch die Zweitimpfungen sind weitestgehend abgeschlossen. In der gesamten Region Hannover sind bereits 75.000 Menschen geimpft, 48.000 haben die Erstimpfung erhalten. Das schlage sich nun sicher auch bald in den Zahlen nieder, hofft Jagau.

Der erste Fall der Corona-Mutante war im November aufgetreten, die Häufung im Ballungsgebiet Hannover war in der Vergangenheit auch auf größere Ausbrüche in der Industrie zurückzuführen.

„Ein großer Konzern, bei dem viele Aushilfskräfte beschäftigt sind, hatte in seinem Vertrag eine Klausel eingebaut, dass, wer acht Wochen lang keinen Tag fehlt, eine Geldprämie erhält“, so Jagau. „Da haben sich die Leute, die das Geld brauchen natürlich auch mit Symptomen hingeschleppt. Die wurde dann nach dem ersten Ausbruch dort gestrichen.“

Die Notwendigkeit für eine Verschärfung der Maßnahmen sieht Jagau weiterhin nicht. „Wir wägen im Vorfeld sehr präzise ab und prüfen jeden Tag, was wir an Maßnahmen ansetzen können, damit niemand über Gebühr eingeschränkt wird. Auch die Gerichte schauen sich genau an, welche Maßnahmen zumutbar sind.“ Der grundlegende Maßstab, die Grundrechte einzuschränken sei es gewesen, der Gefahr, der Überlastung von Krankenhäusern vorzubeugen. Gerade noch könne aber eine vernünftige medizinische Versorgung gewährleistet werden. „Deswegen sehe ich keinen Anlass unsere Bürger über die Maße zu belasten – dennoch wägen wir unsere Entscheidungen immer wieder ab.“ Die Maskenpflicht wurde verlängert, weil die Menschen bei den wärmeren Temperaturen nach draußen strömten und vor allem am Maschsee auch gerne noch abends länger flanierten.

Die Polizei kontrolliert am Maschsee die Einhaltung der Hygienevorschriften im Kampf gegen die Corona-Pandemie.
Die Polizei kontrolliert am Maschsee die Einhaltung der Hygienevorschriften im Kampf gegen die Corona-Pandemie.

© dpa/Ole Spata

„Dass wir da die Uhrzeiten verlängert haben, halte ich für zumutbar, wir kontrollieren das auch sehr genau. Außerdem testen wir sehr viel und haben die Möglichkeit, sich aus der Quarantäne vorzeitig freizutesten, ausgesetzt.“ Darüber hinaus sei das Gesundheitsamt verstärkt an Infektionsschwerpunkten vor Ort. „Aber für alles weitere würde zu diesem Zeitpunkt die Einsicht und die Akzeptanz der Bürgerinnen fehlen und ohne die geht es nicht“, so Hannovers Regionspräsident.

Auch in der nordrhein-westfälischen Landeshauptstadt Düsseldorf grassiert die Mutante B.1.1.7 besonders stark. In den vergangenen Wochen sei er sehr besorgt gewesen, räumte der Oberbürgermeister Stephan Keller gegenüber dem Tagesspiegel ein. Innerhalb kürzester Zeit sei der Inzidenzwert von 32 auf 62 geklettert, „das war schon sehr beunruhigend“.

Doch zum Glück sei das noch am letzten Freitag befürchtete Horrorszenario ausgeblieben. „Unser Inzidenzwert liegt weiterhin etwas über 60, wir können nur hoffen, dass sich dieser Wert stabilisiert und nicht der Anfang eines Anstiegs ist“, so Keller. Er war zuletzt mit einer Videobotschaft auf den Social-Media-Kanälen der Stadt an die Bürger:innen herangetreten, appellierte an ihre Vernunft und mahnte zur Vorsicht.

Bundeswehr-Soldaten unterstützen die Stadt Düsseldorf

Um Infektionen einzudämmen, hat die Stadt Düsseldorf ihre Quarantäneregeln verschärft, außerdem dürfen Alten- und Pflegeheime nur noch nach einem negativen Schnelltest betreten werden, bei der Durchführung der Tests werden die Mitarbeiter nun von 40 Soldaten der Bundeswehr unterstützt.

Am Wochenende waren die Düsseldorfer in Scharen in die Sonne geströmt, deswegen wurde in der Stadt die Maskenpflicht ausgeweitet, außerdem gilt nun am Rheinufer ein Verweilverbot. Gegen dieses wurde ein Eilantrag eingereicht, über den das Gericht zeitnah entscheiden wird.

„Viele Menschen haben sich da niedergelassen mit ihrem Bier oder Eis, da bilden sich natürlich Ansammlunge ohne de entsprechenden Mindestabstand, dieses Risiko können wir dieser Tage nicht eingehen. Deshalb darf man jetzt nur noch spazieren gehen und nicht mehr stehenbleiben“, so Keller. Er hofft, dass bald zaghafte Lockerungen möglich sein werden. „Die Branchen brauchen das. Alle wollen raus aus den Einschränkungen. Aber natürlich sind wir gerade an einem sehr kritischen Punkt. Wir blicken jetzt erwartungsfroh auf das Impfgeschehen.“

Einen Wermutstropfen gebe es allerdings, so Keller: „Wir könnten problemlos 2500 Menschen pro Tag impfen und könnten diese Skalierung auch problemlos erhöhen. Die Frage stellt sich allerdings nicht, da wir nur Impfstoff für etwa 1000 Impfungen am Tag bekommen. Dieser limitierende Faktor ist ärgerlich.“ Keller ist stolz auf die No-Show-Quote der Düsseldorfer, dass jemand seinen Termin nicht wahrnehme, passiere kaum. „Wie in der Presse zu lesen war, liegen in Köln angeblich 5000 Dosen Astrazeneca auf Halde, die würden wir liebend gerne verimpfen.“

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