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Fähig zur Selbstironie. Beim Korrespondentendinner des Weißen Hauses nahm US-Präsident Barack Obama sich selbst auf die Schippe. Er verschonte aber auch politische Gegner nicht. Obamas Spott zielte dabei vor allem auf diejenigen Republikaner, die bei der Präsidentschaftswahl 2012 antreten wollen, darunter Michele Bachmann von der erzkonservativen Tea-Party-Bewegung.

© Reuters

Barack Obama: König der Spötter

US-Präsident Obama macht sich beim Galadinner des Pressekorps über die Zweifel an seinem Geburtsort lustig. Darf man unbeschwert lachen, wenn anderswo im Land Notstand herrscht?

Wäre das in Deutschland denkbar? Ein Video, das die Kanzlerin in peinlicher Verlegenheit zeigt? Und das sie auch noch vor laufenden Kameras präsentieren muss, was sie zwingt, öffentlich über sich zu lachen? In den USA gehört das zu den Anforderungen an den Staatschef.

Am Sonnabend war es wieder so weit. Das jährliche Dinner der im Weißen Haus akkreditierten Korrespondenten mit dem Präsidentenpaar zählt zu den begehrtesten Events in Washington. Hollywoodstars wie Scarlett Johansson fliegen ein. Es ist eine Mischung aus Bundespresseball und Karnevalsprunksitzung – nur ohne Tanz, und auch die (Ver-)Kleidung dient nicht dem Ziel, einen närrischen Eindruck zu machen. Die Herren tragen Smoking, die Damen Abendkleider. Michelle Obama erschien in einer schokoladenfarbenen Robe aus dem Modestudio Halston in ihrer Heimatstadt Chicago.

Das Thema der vergangenen Woche war Barack Obamas Geburtsurkunde gewesen. Rechtskonservative Populisten hatten verbreitet, Obama sei in Wahrheit in Kenia auf die Welt gekommen, also gar nicht rechtmäßig Präsident; dafür muss man in den USA geboren sein. Am Mittwoch hatte Obama als Antwort die Langversion seiner Geburtsurkunde aus den standesamtlichen Archiven Hawaiis veröffentlicht. „Und heute gehe ich noch einen Schritt weiter“, kündigte er zum Auftakt des Galadinners an. „Heute gebe ich auch das Originalvideo meiner Geburt preis.“ Auf den Riesenbildschirmen im Ballsaal erschienen Ausschnitte aus dem Walt-Disney-Zeichentrickfilm „König der Löwen“, in denen eine stolze Löwin ihr Junges namens Simba den Tieren in der Steppe präsentiert. Das war auch eine Antwort auf einen rassistischen Cartoon, der Obama als Affenkind zeigt und in Kreisen der erzkonservativen Tea-Party-Bewegung beliebt ist.

Man sage ihm nach, er sei arrogant, fuhr Obama fort. Dagegen habe er ein Heilmittel gefunden: den Blick auf seine Popularitätswerte. In manchen Umfragen ist die Ablehnung inzwischen höher als die Zustimmung zu ihm.

Höhepunkt war ein angeblicher Werbetrailer für den Film der Saison, der demnächst in die Kinos komme, angelehnt an „The King’s Speech“. Der Plot: Im Rahmen der drastischen Haushaltskürzungen haben die Republikaner auch die Mittel für den Teleprompter gestrichen, von dem der Präsident gewöhnlich seine Reden abliest. So sahen die Zuschauer plötzlich einen stotternden Obama, der die einfachsten Worte nicht mehr über die Lippen bringt und mitten im Satz nicht weiter weiß. Man sah ihn vor dem Mikrofon schier verzweifelt üben: „Ich werde auch Chile einen Besuch abstatten.“ Auch prominente „Nebendarsteller“ wurden dem Gelächter preisgegeben, voran Vizepräsident Joe Biden. Kameras hatten aufgenommen, wie er bei Obamas Rede zum Umgang mit Amerikas Verschuldung eingenickt war. Diese Szene sowie einige Versprecher Bidens waren eingebaut.

Wer es über sich bringt, sich selbst und die engsten Mitarbeiter zu verspotten, darf auch die Gegner verhöhnen. Hauptopfer waren die Republikaner, die bei der Präsidentschaftswahl 2012 antreten wollen. Zu Michele Bachmann, die Sarah Palin als Leitfigur der Tea-Party-Bewegung abgelöst hat und gerne Zweifel an Obamas präsidialer Legitimität weckt, sagte er: „Ich höre, sie ist in Kanada geboren.“ Nach einer Kunstpause neckte er: „Siehst du, Michele, so fängt das an.“ Tim Pawlenty, fuhr Obama fort, verheimliche seinen zweiten Vornamen; der laute Hosni. Mitt Romney verberge ein gefährliches Geheimnis: Als Gouverneur von Massachusetts habe er eine Gesundheitsreform verabschiedet, die eine allgemeine Krankenversicherung vorschreibt. Obamas nahezu identische Reform ist Hauptangriffspunkt der Republikaner. Den meisten Spott bekam Donald Trump ab: der Baulöwe, der mit populistischen Attacken auf Obama seine Aussichten testet, acht Tische entfernt saß und gar nicht amüsiert schien, selbst als Ziel zu dienen. Obama zeigte ein Bild, wie das Weiße Haus bald aussehen könne: mit einem großen Trump-Schriftzug über der Fassade.

Darf man unbeschwert lachen, wenn anderswo im Land Notstand herrscht? Wie vor einem Jahr wurde Obama zum Ende der Rede sehr ernst. Damals bedrohte die Ölpest die Lebensgrundlagen der Golfküste. Jetzt haben Tornados gerade 300 Menschen in Alabama getötet.

www.youtube.com/watch?v=n9mzJhvC-8E

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