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Bayern: Verhungerte Sarah: Vater wegen Mordes verurteilt

Ihr Leidensweg war lang, ihr Hungertod qualvoll: Die kleine Sarah starb vor 15 Monaten. Das Landgericht Nürnberg-Fürth klärte nun, welche Verantwortung der Vater daran trägt. Er muss zwar wegen Mordes ins Gefängnis - aber nicht lebenslang.

Sie war zum Skelett abgemagert, roch nach Urin, ihre Beine waren verkrüppelt: Die kleine Sarah aus dem mittelfränkischen Thalmässing musste im August 2009 sterben, weil ihre Eltern sie qualvoll verhungern ließen. Der Vater ist dafür am Donnerstag vor dem Landgericht Nürnberg-Fürth zu 13 Jahren Gefängnis verurteilt worden - wegen Mordes durch Unterlassen und Misshandlung Schutzbefohlener.

"Der Angeklagte unternahm nichts, um Sarah vor dem Hungertod zu retten", sagte der Vorsitzende Richter Richard Caspar. Gleichwohl sah das Gericht eine weitaus größere Schuld bei der Mutter. Doch sie ist wegen einer schweren Krebserkrankung derzeit nicht verhandlungsfähig.

Die normalerweise bei Mordverurteilungen verhängte lebenslange Freiheitsstrafe wurde im Fall des Vaters abgemildert, weil der Tatbeitrag seiner Frau höher sei, so Caspar: "Sie versteckte das Kind, sie beschloss, es verhungern zu lassen." Noch einmal zeichnete Caspar den Leidensweg Sarahs nach, die mit drei Jahren in einer Klinik starb: "Der Hungertod der kleinen Sarah hat wohl niemanden unberührt gelassen, auch nicht das Gericht", begann er seine Urteilsbegründung. Und man frage sich: "Was sind das für Eltern?" Eine heile Familienwelt sieht anders aus. Caspar beschrieb ausführlich die Situation der Familie: Während ihr älterer Bruder in den Kindergarten ging und viel Zeit bei den Großeltern verbrachte, musste Sarah meist zu Hause bleiben. Die Mutter saß vor dem Fernseher oder chattete am PC. "Die Kinder liefen nebenher." Zudem habe sie ihren Mann betrogen.

Der Angeklagte arbeitete als Fernfahrer, war viel unterwegs. Und wenn er am Wochenende zu Hause war, habe er sich mit seiner Playstation beschäftigt, fasste Caspar Zeugenaussagen zusammen. "Es bestand keine emotionale Bindung zu den Kindern." Sarah sei auch nicht "geplant" gewesen, erläuterte er.

Verwandten und Bekannten war 2009 aufgefallen, dass Sarah abgemagert war. Aus Angst davor, das Jugendamt könnte sich einschalten, hätten die Eltern das Kind fortan versteckt, sagte Caspar. Eine tiefere Ursachenforschung blieb dem Gericht verwehrt. Ob die schwer kranke Mutter jemals vor Gericht treten kann, ist ungewiss. Und der Angeklagte verfolgte den Prozess schweigend und zumeist reglos, das Sprechen überließ er seinem Anwalt.

Und so bleibt das Entsetzen über Sarahs Leid, das wohl vom Frühjahr 2009 an dramatisch zunahm. "Die Matratze in ihrem Zimmer war verkotet und verschmutzt. Es gab kaum Spielsachen. Sarah lag fast ausschließlich im Gitterbettchen bei heruntergelassenen Jalousien." Caspar listete auf, wo sich die restliche Familie überall amüsierte, während das Kind daheim vor sich hin vegetierte: beim Trucker- Treffen, im Freibad, auf dem Feuerwehrfest.

Als die Eltern doch noch den Notdienst verständigten, war es zu spät. Die Ärzte konnten das Leben des völlig ausgezehrten Kindes nicht mehr retten. (dpa)

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